Jugendarbeitslosigkeit war lange eine der großen Herausforderungen. Eine Vielzahl von Maßnahmen wurde ins Leben gerufen. Mit dem Projekt „Startbahn 25" ist der Landkreis Saarlouis einen neuen Weg gegangen und ist damit bundesweit Spitzenreiter.
Literarischen Anspruch erheben sie nicht. Das ist auch nicht ihre Aufgabe. Sachlich und zahlengespickt informieren die monatlichen Berichte zum Arbeitsmarkt. Besondere Entwicklungen können da schon mal wie ein Halbsatz daherkommen. Die Jugendarbeitslosigkeit sei mit sechs Arbeitslosen im Bereich der Grundsicherung „nicht in nennenswertem Umfang vorhanden", hieß es im Februar zur Entwicklung beim Jobcenter im Landkreis Saarlouis. Diese nüchterne Feststellung bedeutet nichts weniger als dass der Kreis Saarlouis mit einer Jugendarbeitslosenquote von null bundesweit Spitzenreiter ist. „In dem Bereich sind wir bärenstark", kommentiert Landrat Patrik Lauer (SPD).
Ausgangspukt für diese Entwicklung ist das Projekt „Startbahn 25", ins Leben gerufen 2013 aus der Erkenntnis, dass zwar „viele Angebote für Jugendliche gemacht werden, aber von vielen Trägern und mit verschiedenen Inhalten, die alle sicher auch Sinn machen", meint Jobcenter-Geschäftsführerin Margret Kuhn. „Nur wenn das zu sehr parallel läuft, ist das kontraproduktiv", führt zu Maßnahmekarrieren Jugendlicher, aber selten aus dieser Spirale heraus. Aus dieser Erkenntnis entstand das Konzept „Startbahn 25" nach dem schlichten Prinzip: „Alles unter einem Dach". Klingt logisch, ist aber in der verwobenen Praxis gar nicht so einfach zu realisieren.
Träger sind die Diakonie und die KEB (Katholische Erwachsenenbildung), deren rund 30 Mitarbeiter jetzt mit den 16 Fallmanagern des Jobcenters nicht nur räumlich zusammenarbeiten. „Wir stellen den Menschen in den Mittelpunkt, und um den herum kreisen die Satelliten, die sich kümmern", schildert Lauer bildhaft das Prinzip. Nicht die Frage nach der passenden Maßnahme steht am Anfang, sondern erst einmal die Frage nach der individuellen Situation des Jugendlichen, ergänzt Teamleiter Alexander Birkner. Und sollte ein Jugendlicher mal nicht zur verabredeten Zeit auftauchen, dann wird er auch schon aufgesucht und nach den Gründen gefragt. Das hört sich ein bisschen wie totale Kontrolle an, aber, berichten Projektbeteiligte übereinstimmend, viele der betroffenen Jugendlichen bekämen dadurch erstmals das Gefühl, dass sich überhaupt jemand wirklich um sie kümmere, es ernst meine. „Wir nehmen den Jugendlichen an die Hand und lassen ihn nicht mehr los, ob es ihm passt oder nicht", so Lauers Übersetzung des Prinzips vom Fördern und Fordern.
KEB und Diakonie als Träger bewirtschaften immerhin 2.000 Quadratmeter mit Werkbereichen (Holz, Metall, Elektro), einem Gastrobereich mit Hauswirtschaft, einer Kreativwerkstatt und einem Kaufmännischen Bereich. Für einen „Kunden" des Jobcenters ist es so im Prinzip nur der Gang über einen Flur, der der erste Schritt in ein neues Leben, eine berufliche Perspektive und Zukunft sein kann.
Alle „Player" arbeiten koordiniert zusammen
Naturgemäß ist die „Kundschaft" sehr speziell, bringt die unterschiedlichsten Lebensgeschichten und Erfahrungen mit. Unter Umständen sind Psychologischer Dienst, Schuldner- oder Suchtberatung gefragt. Auch das passt zum Prinzip, alle „Player" zusammenzuhaben, nicht nebeneinander arbeiten zu lassen, sondern koordiniert. „Das System ist sehr komplex", so Marina Horstmann von der Diakonie. Es muss alles Hand in Hand laufen, auch und erst recht in krisenhaften Situationen, die nicht völlig ausbleiben. Alle zwei Wochen sitzt das Team zusammen, was zugegeben „manchmal auch anstrengend" sein kann, meint Stefan Ziegler von der KEB. Genau darin dürfte aber ein wesentlicher Kern des Erfolgs der „Startbahn" liegen. Denn über das Zusammenspiel lässt sich vergleichsweise schnell in einem ansonsten ziemlich bürokratisierten System auf neue Entwicklung reagieren. Besonders bewährt hat sich das etwa in dem Zeitraum, als viele Flüchtlinge ankamen und sich damit neue Herausforderungen stellten. In solchen Situationen „verändern wir das Angebot", so Ziegler. Was zum Beispiel konkret heißt, dass auch Übersetzer eingesetzt werden. Diese Arbeitsweise überträgt sich auch auf andere Bereiche. So habe der Kreis die beste Integrationsquote auch bei älteren Flüchtlingen.
Die „Startbahn 25" ist bewusst nicht darauf ausgelegt, kurzfristig zu helfen, unterstreicht Ziegler. Aus seiner Sicht liegt das Erfolgsprinzip darin, Jugendliche „nicht nur durch eine Brille" zu betrachten, in gemeinschaftlichen Besprechungen Gründen für die jeweilige Situation nachzugehen. Das erfordert manchmal langen Atem. Aber der spricht sich auch rum. Übrigens auch bei denen, die Arbeit und Ausbildung anbieten und Kräfte suchen. Es gibt zunehmend engere Kontakte auch zur Wirtschaft, aus deren Rückmeldungen wiederum das Projekt lernt. Wenn der Schulabschluss aus Arbeitgebersicht zwar wichtig ist, aber besonderer Wert auf Verlässlichkeit gelegt wird, dann ist klar, dass man dies den Jugendlichen besonders vermittelt, und das fängt bereits bei Pünktlichkeit und verlässlichen Rückmeldungen an. Im Zweifel geht das auch nicht ohne „stringenten Umgang mit Sanktionen", so Margret Kuhn, möglichst mit Fingerspitzengefühl, aber konsequent.
Für die unmittelbar am Projekt Beteiligten ist jeder Jugendliche, der aus der Unterstützung heraus schließlich den eigenen Sprung schafft, ein Erfolg, für den sich der Einsatz lohnt. Aber am Schluss geht es auch nicht ganz ohne Zahlen. Und die sprechen für sich. Rund 3.000 Jugendliche sind seit Projektstart gezählt worden, die Integrationsquote liegt mit knapp zwei Drittel (64 Prozent) beachtlich hoch. Die 200 Teilnahmeplätze sind ausgelastet. Aber aus Sicht des Kreises ist die entscheidende Zahl: Die Jugendarbeitslosigkeit, die zuvor bei knapp fünf Prozent (4,8 Prozent) lag, ist im Bereich des Jobcenters des Kreises Saarlouis bei null angekommen.