Landeshauptstadt, Universitätsstadt, Fair-Trade-Stadt, Oberzentrum … Attribute gibt es für Saarbrücken mindestens ebenso viele wie Herausforderungen. Viel ist wünschenswert, aber der Schuldenberg engt die Spielräume ein. Die Kandidatinnen und Kandidaten stellen ihre Pläne und Ideen zur Diskussion.
1. Welche Herausforderung sehen Sie in den kommenden Jahren für Saarbrücken?
Charlotte Britz (SPD): Ein Verkehr der Zukunft, die Stärkung des Wirtschafts- und Arbeitsstandortes, mehr bezahlbarer Wohnraum, Klimaschutz und eine Digitalisierung, die im Sinne der Menschen gestaltet wird: Das sind Themen, an denen wir bereits jetzt intensiv arbeiten.
Wir sind auf einem guten Weg. Das Gesicht der City hat sich zum Positiven verändert. Auch in den Stadtteilen ist viel in Bewegung. Am Franzenbrunnen wächst ein neues Stadtquartier, auf der Folsterhöhe, in Ensheim und Burbach entstehen neue Kitas. 10.000 neue Arbeitsplätze in den letzten zehn Jahren sprechen eine deutliche Sprache. Der Schuldenabbau und die Sanierung unseres Haushalts gehen voran: ein Überschuss von 10 Millionen Euro in den letzten beiden Jahren belegt das. Und die Altschulden konnten wir seit 2013 um fast 100 Millionen Euro senken – bei weiterhin hohen Investitionen.
Die Herausforderung wird sein, nicht nachzulassen und unseren Weg konsequent weiterzugehen.
Uwe Conradt (CDU): In Saarbrücken sind viele Probleme größer als in anderen Städten. Eine Milliarde Euro Schulden, elf Prozent Arbeitslosigkeit, Kinderarmut und 20,2 Prozent (!) der erwerbsfähigen Bevölkerung lebt von Hartz 4. Die Kriminalstatistik zeigt: Saarbrücken hat ein Sicherheitsproblem. Zu viele Menschen ziehen aus Saarbrücken weg. An diesen Problemen muss endlich gearbeitet werden. Es ist Zeit für einen neuen Aufbruch, für Gründerkultur und Pioniergeist. Wir brauchen neuen Wohnraum, Glasfaser an jedes Haus und mehr Investitionen in Bildung. Sicheres Stadtleben muss wieder selbstverständlich sein, genauso Sauberkeit in der City wie in den Stadtteilen.
Laleh Hadjimohamadvali (AfD): Die Überalterung der Bevölkerung, der Bevölkerungsschwund sowie die Abwanderung junger, gut ausgebildeter Menschen. Die Bevölkerungszahl stagniert zurzeit nur aufgrund von Migration. Ansonsten würde die Bevölkerungszahl dramatisch zurückgehen. Die Migration von Flüchtlingen und überwiegend Ungebildeten aus Südosteuropa bedeutet jedoch Belastungen für unser Sozialsystem. Saarbrücken leidet heute schon extrem unter horrenden Sozialkosten. 150 Millionen müssen pro Jahr für den Regionalverband aufgebracht werden, der zu 80 Prozent das Geld für Soziales ausgeben muss.
Dr. Gerald Kallenborn (parteilos, für FDP): Saarbrücken muss in Bezug auf moderne Stadtentwicklung, Digitalisierung und Wirtschaft im Vergleich zu anderen mittelgroßen Städten wieder auf die vorderen Plätze gelangen. Dafür benötigt Saarbrücken Visionen und Leuchtturmprojekte. Um in dem Wettstreit der Städte bestehen zu können, ist der Ausbau der digitalen Netze von elementarer Bedeutung. Modernes Leben enthält auch die Entwicklung von Stadtquartieren mit eigenständiger Infrastruktur für alle Bürgerinnen und Bürger. Die innerstädtische Verkehrsbelastung muss nachhaltig reduziert werden. Zur Überwindung des Strukturwandels muss die Ansiedlung neuer Unternehmen mit allen Kräften unterstützt werden. Durch die zentrale Lage im Dreiländereck kann sich Saarbrücken als Messe- und Kulturstadt profilieren.
Markus Lein (Linke): Zuerst einmal gibt es in Saarbrücken ganz viel sozialen Sprengstoff: Allein in Burbach leben 40 Prozent der Bevölkerung von Hartz 4. In Malstatt ist es stellenweise ähnlich. 33 Prozent der Kinder unter 15 Jahren sind im Großraum Saarbrücken von Armut bedroht und zwei Drittel der Erwerbslosen haben keine abgeschlossene Berufsausbildung. Das kann und darf man nicht akzeptieren. Deshalb steht für mich ganz klar im Mittelpunkt meiner Politik, diesen Menschen zu helfen und es ihnen zu ermöglichen, eine angstfreie Existenz aufbauen zu können. Armutsbekämpfung, mehr Investitionen in Bildung, Ausbildung und den sozialen Wohnungsbau haben für mich Priorität.
Barbara Meyer-Gluche (Grüne): Eine der größten Herausforderungen wird die Verkehrswende hin zu umweltfreundlichem Verkehr sein. Sie ist eine der zentralen Stellschrauben, wenn es um kommunalen Klimaschutz geht. Zur kommunalen Klimapolitik gehört auch der Schutz und die Aufwertung von Grün- und Waldflächen in der Stadt. Das steigert zugleich die Lebensqualität. Denn wir müssen es schaffen, die Menschen – Familien, Absolventen, Start-ups und Unternehmen – von der Stadt zu überzeugen. Da spielt auch die digitale Infrastruktur, das Kita-Angebot sowie die Verfügbarkeit von bezahlbarem Wohnraum eine große Rolle. Die Stadt braucht eine Digitalisierungsstrategie und muss in Bildung und Wohnraum investieren.
2. Wie wollen Sie den öffentlichen Nahverkehr verbessern?
Charlotte Britz (SPD): Der ÖPNV innerhalb der Stadt selbst ist besser, als viele glauben. Wir wollen aber noch besser werden. Unsere Ziele haben wir im intensiven Austausch mit den Bürgern und mit breiter Zustimmung des Stadtrates im Verkehrsentwicklungsplan 2030 (VEP) klar formuliert. Diesen Plan setzten wir um. So werden wir unsere P+R-Angebote entlang der Saarbahnstrecke ausbauen, los geht es in Brebach. Wir möchten die Bahnhöfe im Stadtgebiet, etwa in Dudweiler, Scheidt oder Burbach, besser mit unserem ÖPNV vernetzen. Und wir brauchen auch mehr Radverkehr – und dafür gute Bedingungen. Wenn wir über einen besseren ÖPNV sprechen, müssen wir aufgrund von 140.000 Einpendlern täglich über die Stadtgrenzen hinausschauen und unsere Partner im Saar VV einbeziehen. Im Autoland Saarland ist das eine Herausforderung, der wir uns gemeinsam mit dem Land stellen werden. Der ÖPNV muss einfacher, günstiger und komfortabler werden. Ich setze mich dafür ein, mögliche Strukturhilfen des Bundes gezielt für den Ausbau und die Verbesserung des ÖPNV im Saarland einzusetzen.
Uwe Conradt (CDU): Bislang ist der ÖPNV für viele Autofahrer keine akzeptable Alternative. Wer mit Bus und Saarbahn unterwegs ist, klagt über die zu Stoßzeiten zu vollen Busse, über zu hohe Preise und ein insgesamt zu wenig attraktives Angebot. Ich setze mich ein für einen verlässlichen und günstigen ÖPNV auf Großstadtniveau, stärkere Familienrabatte bei den Ticketpreisen, eine Vereinfachung des Wabensystems, eine einfachere Zahlung von Tickets wie Mehrfachtickets, Online-Tickets, Handyticket, Kredit- beziehungsweise Geldkarte als Ticket. Darüber hinaus müssen wir den Verkehr vernetzt denken (Auto, ÖPNV, Rad, Fuß) – es wird Zeit für neue Mobilität mit System.
Laleh Hadjimohamadvali (AfD): Der ÖPNV muss verbessert werden, jedoch nicht zu Lasten des Individualverkehrs mit dem Auto. Wir wollen bezahlbare Parkplätze, keine Gängelung der Autofahrer, keine flächendeckenden Tempo-30-Zonen, keine Citymaut. Derzeit wird alles darangesetzt, den Verkehr zum Erliegen zu bringen. Es verschwinden Fahrbahnen mit der Folge endloser Staus. Demgegenüber wollen wir den weiteren Ausbau der Saarbahn insbesondere nach Schafbrücke, Forbach und an die Universität.
Dr. Gerald Kallenborn (parteilos, für FDP): Der öffentliche Nahverkehr ist zurzeit: unzuverlässig, zu teuer und nicht weit genug ausgebaut. Saarbrücken benötigt einen Ausbau des Saarbahnnetzes, insbesondere auch als notwendige Verbindung zur Universität. Mit einem attraktiven ÖPNV lassen sich der Pkw-Pendlerverkehr und somit Lärm und Emissionen reduzieren. Die Tarifstruktur muss reformiert werden. Die kommunalen Verkehrsbetriebe müssen sich zusammenschließen, um ein landesweites und wirtschaftlich tragfähiges Angebot sicherzustellen. Als erster Schritt ist die Entwicklung eines neuen S-Bahnsystems im Regionalverband Saarbrücken erforderlich.
Markus Lein (Linke): Wir brauchen einen besser koordinierten und preiswerten ÖPNV. Technische Möglichkeiten, wie Fahrkarten über das Smartphone, Fahrpläne in Echtzeit und die Einrichtung eines Pedelec-Mietsystems, sind erste Schritte. Der Pendlerverkehr soll aus der Stadt genommen werden. Hierzu werde ich an geeigneten Punkten der Stadtperipherie Mobilitätsstationen einrichten, an denen die Pendler billig parken und auf den ÖPNV umsteigen können.
Barbara Meyer-Gluche (Grüne): Der öffentliche Nahverkehr muss besser und günstiger werden. Er muss im Vergleich zum Auto die wirtschaftlichere Alternative sein. Hierzu brauchen wir eine Ausweitung der Verbindungen, bessere Anbindungen, Schnellbuslinien und eine attraktive Tarifstruktur. Wir wollen ein Ein-Euro-Ticket pro Tag bei Bus und Bahn einführen und den ÖPNV für Schülerinnen und Schüler sowie Auszubildende kostenlos anbieten. Damit der ÖPNV für Pendlerinnen und Pendler attraktiver wird, setze ich mich für Park-and-Ride-Plätze mit Anbindung an Bus und Bahn ein. Wir brauchen außerdem endlich ein Leihsystem für Fahrräder und E-Tretroller zur Verknüpfung der Verkehrsträger.
3. Welche Lösung bevorzugen Sie für die A620?
Charlotte Britz (SPD): Für die A620 ist die Landesregierung zuständig, als OB kann ich hier leider nichts alleine regeln. Ich habe bereits mehrmals Tempo 60 gegenüber dem Ministerium gefordert, leider ohne Erfolg. Unser Ziel ist es, die Lärmbelastung in der Stadt insgesamt zu verringern. Dazu setzen wir verstärkt auf Tempo 30 und Flüsterasphalt. Und ein Gutachten soll Möglichkeiten für eine Sperrung der Stadt für den LKW-Durchgangsverkehr ausloten.
Uwe Conradt (CDU): Seit dem Scheitern des Stadtmitteprojektes ist der Städtebau zum Erliegen gekommen. Für dieses Projekt wurden viele Millionen an Planungskosten verausgabt. Wir müssen wieder dazu kommen, realistischer zu planen und schneller zu bauen. Ich will daher das Thema Lärmschutz und Stadtbild erneut angehen und setze mich für den Bau einer teilweise gläsernen und teilweise begrünten Lärmschutzwand ein. Durch den Ausbau der Straße durchs Deutschmühlental mit Radweg und Vollanschluss am alten Messegelände und einer Verknüpfung der Saarbahn mit Park-and-Ride-Parkplätzen (Kombitickets) soll die City zusätzlich entlastet werden.
Laleh Hadjimohamadvali (AfD): In Saarbrücken existiert keine Zukunftsplanung für den Fernverkehr und die Entlastung der Innenstadt. Wir plädieren für die Südumfahrung. Es ist allerdings fraglich, ob dieses Projekt jemals noch realisiert werden kann, da die jetzige Mehrheit im Stadtrat dem Verkauf des Messegeländes zugestimmt hat. Das Messegelände hätte man wohl für die Realisierung der Südumfahrung benötigt. Das Geld aus dem Verkauf wird jedoch dringend für das Desaster Ludwigsparkstadion benötigt.
Dr. Gerald Kallenborn (parteilos, für FDP): Der Bau eines Autobahntunnels ist zu teuer, lähmt die Stadt mehrjährig während der Bauphase und löst auch nicht das Problem der Verkehrsbelastung. Die Realisierung der Südumfahrung ist die einzige richtige Alternative, da sie zwischen Ost- und Westspange die Stadtautobahn durch einen befahrbaren Boulevard und Grünflächen ersetzt, der Durchgangs- und LKW-Verkehr von der Saarbrücker Innenstadt ferngehalten, die Metzer Straße entlastet und das Stadt- und Geschäftsleben von der Bauphase nicht beeinträchtigt wird.
Markus Lein (Linke): Am sinnvollsten wäre es, den Verkehr, der jetzt auf der Stadtautobahn fließt, umzuleiten. Dann könnte man die Autobahn auf jeweils eine Spur in beide Richtungen zurückbauen. Beim Bund werde ich mich dafür einsetzen, dass hier endlich Flüsterasphalt verbaut wird und Schallschutzwände errichtet werden.
Barbara Meyer-Gluche (Grüne): Das hohe Verkehrsaufkommen auf der A620 trägt erheblich zur Schadstoff- und Lärmbelastung in der Stadt bei. Die A620 erfüllt aufgrund des Pendlerverkehrs mehr die Funktion eines Zubringers als einer Autobahn. Den Neubau von Umfahrungen, wie es in jüngerer Vergangenheit diskutiert wurde, halten wir nicht für sinnvoll. Das Ziel muss sein, den Autoverkehr in die Stadt hinein durch einen attraktiven ÖPNV zu reduzieren. Davon unabhängig muss der Lärmschutz an der A620 endlich umgesetzt werden.
4. Wie wollen Sie Saarbrücken attraktiver machen und als Landeshauptstadt stärken?
Charlotte Britz (SPD): Dazu haben wir auf allen Ebenen Konzepte erarbeitet, die wir konsequent umsetzen. Der Verkehrsentwicklungsplan, mit dem wir den Verkehr der Zukunft gestalten, ist nur ein Beispiel. Um neuen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, setzen wir unser Baulandmodell um. Wir nehmen die Investoren größerer Projekte in die Pflicht, sozialen Wohnraum zu schaffen. Städtische Grundstücke vergeben wir an Investoren nur noch mit der Verpflichtung, dass dort auch bezahlbarer Wohnraum entsteht. Wir haben ein Ausbauprogramm für unsere Bildungsangebote, investieren bis 2021 alleine 29 Millionen Euro in unsere Kitas. Wir werden die Aufenthaltsqualität in allen Stadteilen erhöhen und mit Beschäftigungsmaßnahmen und sozialen Stadtteilprojekten wie unseren GWAs auch die Menschen am Rande der Gesellschaft fördern.
Uwe Conradt (CDU): Es reicht nicht aus, schöne Plätze und Sehenswürdigkeiten zu haben, wenn der Gesamteindruck ungepflegt und es zu laut ist. Ich will den Verfall der alten Brücke stoppen und dieses echte Saarbrücker Wahrzeichen aufwerten. Der Lärmschutz entlang der Stadtautobahn wird die Aufenthaltsqualität steigern. Mehr Sauberkeit im gesamten öffentlichen Raum – die Stadt muss Vorbild sein beim Thema Sauberkeit. Aufräumen und Regeln durchsetzen. Es reicht nicht aus, mitten in Europa zu liegen, wenn die Erreichbarkeit mit Bahn und Flugzeug mehr als dürftig ist – ein Ausbau der Bahnstrecken und eine neue Flughafenstrategie sind notwendig.
Laleh Hadjimohamadvali (AfD): Saarbrücken leidet extrem unter unzureichender Kaufkraft. Deshalb sinkt permanent das Niveau der Läden. Der wichtigste Anziehungspunkt in der Bahnhofstrasse ist Primark. Es wird in Saarbrücken zu wenig verdient. Wir brauchen gut bezahlte Arbeitsplätze. Wir brauchen auch eine intensivere Zusammenarbeit mit dem erfolgreichen Luxemburg. Wir brauchen eine „Luxemburgstrategie". Ebenso wie Franzosen sollen Luxemburger ihr Geld hier ausgeben. Dazu muss endlich eine attraktive Bahnverbindung nach Luxemburg Stadt her.
Dr. Gerald Kallenborn (parteilos, für FDP): Saarbrücken muss seiner Position als Landeshauptstadt gerecht und so auch wahrgenommen werden. Hierzu gehören eine angemessene Infrastruktur wie Sport-, Musik- und Kulturstätten sowie ein Messe- und Kongress-Standort, profitierend von der regionalen Lage im Dreiländereck. Saarbrücken muss eine aggressivere Ansiedlungspolitik betreiben und ansiedlungswillige Unternehmen nach allen Kräften, auch im Flächenmanagement, unterstützen. Auch ist eine Senkung des Gewerbesteuerhebesatzes notwendig. Nur mit Unternehmensansiedlungen und damit neuen Arbeitsplätzen kann die Abwanderung junger Fachkräfte und Uniabsolventen in andere Bundesländer verhindert werden.
Markus Lein (Linke): Ich werde alles tun, um die mittlerweile abgehängten Stadtteile wie Burbach, Malstatt und Dudweiler aufzuwerten. Das bedeutet, hier werde ich Geld in Infrastrukturmaßnahmen investieren. Bessere Straßen, Instandsetzung der Leerstände, Unterstützung des Handels und des Gewerbes sind hier zu nennen. Außerdem mehr Lebensqualität mittels durchdacht gestalteter Grünflächen. In der Verwaltung werde ich ein Innovationszentrum einrichten, das Menschen nach Abschluss der Lehre beziehungsweise des Studiums hilft, sich selbstständig zu machen. Ich werde mich vor allem an die Spitze einer Initiative stellen, die fordert, dass die Kommunen einen höheren Anteil an der Mehrwertsteuer bekommen. Außerdem brauchen wir ein neu zu schaffendes Kulturprojekt „Unsere Künstler", an dem alle Kulturschaffenden der Stadt teilhaben können, um die Stadt auch im Bereich Tourismus voranzubringen.
Barbara Meyer-Gluche (Grüne): Saarbrücken muss zu einer modernen Stadt werden und mit dem Zeitgeist gehen. Dazu gehört, dass die Stadt eine zukunftsfähige Wirtschaftspolitik betreibt, sich für Start-ups und Unternehmen attraktiv macht und die Aufenthaltsqualität in der Stadt konsequent stärkt. Wir wollen beispielsweise ein Gründerzentrum ins Leben rufen, Co-Working-Spaces einrichten und bei der Förderung und Ansiedlung auf Zukunftsbranchen setzen. Für die Aufenthaltsqualität müssen wir städtische Parks, zum Beispiel den Bürgerpark, aufwerten, Lärm- und Schadstoffe reduzieren und das Kulturangebot in der Stadt stärken.
5. Wie stehen Sie zu den Cispa-Plänen von Michael Backes?
Charlotte Britz (SPD): Wir unterstützen Professor Michael Backes bei der Entwicklung des Helmholtz-Zentrums für IT-Sicherheit in Saarbrücken nach Kräften. Das neue Helmholtz-Zentrum ist eine große Chance nicht nur für Saarbrücken, sondern für das gesamte Saarland. Wir sind das Bundesland, das am schnellsten und am stärksten altert. Es ist wichtig, solche visionären und zukunftsweisenden Projekte zu unterstützen, um die klugen Köpfe im Land zu halten und von außen anzulocken. Wir sind in konstruktiven Gesprächen mit Professor Michael Backes, um ihn bei der Schaffung der notwendigen Infrastruktur zu unterstützen. Das Saarland braucht Macher, die auch mal groß und laut denken. Ganz konkret arbeiten wir an neuem Wohnraum, an Kita-Plätzen und der internationalen Schule. Wir wollen gute Strukturen für Start-ups schaffen und Platz für Ausgründungen.
Uwe Conradt (CDU): Die Universität wächst und hat insgesamt ein großes Zukunftspotenzial für Saarbrücken. Das Helmholtz-Zentrum ist ein zentrales Leuchtturmprojekt, das viele Forscher anziehen wird. Forschungseinrichtungen, Unternehmensgründungen, Familien mit Kindern – sie alle brauchen Platz. Mein Ziel ist es, die Universität zu einem lebendigen Stadtteil zu entwickeln. Dazu brauchen wir Nachverdichtung, aber auch neue Flächen im gesamten Umfeld, einen Anschluss der Uni an die Saarbahn und Rad-(Express-)Wege in jede Richtung.
Laleh Hadjimohamadvali (AfD): Wir unterstützen voll und ganz die Pläne von Prof. Backes vom Cispa. Die AfD war erschüttert zu hören, dass an den Plänen von Seiten der anderen Parteien Bedenken geäußert wurden. Das Cispa ist wohl die letzte Chance für Saarbrücken. Wir wollen auch, dass der benachteiligte Stadtteil Dudweiler in die Pläne mit einbezogen wird. Wir wollen auch einen Ausbau der Saarbahn nach Dudweiler über die Universität.
Dr. Gerald Kallenborn (parteilos, für FDP): Saarbrücken benötigt dringend Visionen der Stadtentwicklung. Solche Visionen hat Herr Backes aufgezeigt. Später wurde von der Politik wieder alles kleingeredet. Dies ist symptomatisch. Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Pläne von Herrn Backes in allen Punkten Unterstützung finden müssen. Nur so kann der Strukturwandel erfolgreich abgeschlossen werden. Zu dem Strukturwandel gehört die Ansiedlung neuer Unternehmen. Der Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik nimmt hierbei eine Schlüsselrolle ein. Notwendige Ansiedlungsflächen und neuer Wohnraum für die zukünftigen Mitarbeiter müssen in Saarbrücken und nicht anderswo geschaffen werden.
Markus Lein (Linke): Die Digitalisierung ist ein wichtiges Thema, und ich werde seine Pläne in so weit unterstützen, wie sie den Bürgerinnen und Bürgern in Saarbrücken zu Gute kommen.
Barbara Meyer-Gluche (Grüne): Das Cispa bietet eine große Chance, den Wirtschaftsstandort Saarbrücken zu stärken. Diese Chance muss Saarbrücken nutzen und mit einer Helmholtz-Strategie die nötige Infrastruktur schaffen. Wir sind für die geplante Ansiedlung des Helmholtz-Zentrums auf dem Campus. Für Folgeansiedlungen muss aber gewährleistet sein, dass bereits erschlossene Flächen genutzt werden und unsere Wälder erhalten bleiben. Daher wollen wir zum Ausgleich den Wald rund um die Uni und um das geplante Helmholtz-Zentrum unter Schutz stellen und ihn als zweiten Urwald für Saarbrücken ausweisen. Das wäre auch ein großartiges Alleinstellungsmerkmal für den Forschungsstandort.
6. Wie sieht die Stadt im Jahr 2030 aus?
Charlotte Britz (SPD): Entlastet von einem Großteil der Altschulden, hat Saarbrücken seine hart erarbeiteten finanziellen Spielräume genutzt und Anschluss an die deutschen Wachstumsregionen gefunden. Wir sind gut angebunden an den nationalen und internationalen Schienenverkehr. Unsere Hochschulen, innovative Betriebe, Handel, Handwerk und der Mittelstand sind die zentralen Pfeiler für den Strukturwandel. Saarbrücken hat sich zu einem wichtigen Zentrum für die IT- und Kreativwirtschaft entwickelt. Das neue Messe- und Kongresszentrum lockt überregional Besucher an und setzt starke Impulse für die Entwicklung der Stadt. Es gibt kostenlose und qualitativ hochwertige Kitas für alle, tolle Schulen mit Ganztagsbetreuung.
Wir haben eine weltoffene und lebendige Stadtgesellschaft. Saarbrücken ist eine junge Stadt mit einer hochspannenden Szene und kulturellen Angeboten, die von allen genutzt werden. Der Autoverkehr in der Stadt hat deutlich abgenommen, während die Menschen viel öfter Bahn, Bus und Fahrrad nutzen. Mit dem 2018 begonnenen Baulandkonzept und den Aktivitäten von Siedlung und Giu haben wir den Mangel auf dem Wohnungsmarkt beseitigt.
Uwe Conradt (CDU): Ich will unserer Stadt neue Zukunftsperspektiven und neue Sicherheit in einer sich verändernden Welt geben. Ich will Chancen erkennen und sie auch ergreifen. Saarbrücken ist zu DEM Zentrum zwischen Paris und Frankfurt geworden – eine wachsende Stadt mit neuer Attraktivität. Wir sind 2030 „Gründerstadt und Pionierstadt", in der nicht nur geforscht wird, sondern in der man die Ergebnisse auch auf den Markt bringt. Wie andere (kleinere) Städte zuvor hat sich Saarbrücken als Kulturhauptstadt Europas beworben, und darüber wundert sich in der aufstrebenden Stadt niemand. Wir haben wieder neue Strahlkraft und neues Selbstbewusstsein.
Laleh Hadjimohamadvali (AfD): Saarbrücken muss wieder eine Messestadt werden mit internationalem Standard; Saarbrücken muss Wissenschafts- und Universitätshochburg werden; Saarbrücken muss der Ort der deutsch-französischen Konsultationen werden. Nicht in Berlin oder Paris finden die Treffen statt, sondern in Saarbrücken. Dann könnte man auch den Pingussonbau einer sinnvollen Nutzung zuführen.
Dr. Gerald Kallenborn (parteilos, für FDP): Wenn sich nichts ändert, wird Saarbrücken in zehn Jahren von heute 182.000 auf 150.000 bis 160.000 Einwohner geschrumpft sein. Wenn sich weiterhin nur mit der Verwaltung des Bestandes und mit der Diskussion von Einzelprojekten beschäftigt wird, ist zu befürchten, dass Saarbrücken zur Provinzstadt verkümmert. Dies gilt es mithilfe einer strategischen Zukunftsplanung zu verhindern. Ich wünsche mir eine lebendige Stadtkultur mit Quartieren, in denen ein attraktives Umfeld und Wohnraum für alle Bevölkerungsgruppen vorhanden ist. Saarbrücken sollte führend in Sachen moderner, umweltfreundlicher Mobilität sein und die Chancen der Digitalisierung nutzen. Saarbrücken sollte dem gestiegenen Umweltbedürfnis der Menschen gerecht werden und endlich die Stadtautobahn zu einem begrünten Boulevard zurückbauen. In zehn Jahren sollte der öffentliche Nahverkehr zumindest für Schüler, Studenten, Senioren und Familien mit kleinen Kindern kostenlos sein.
Markus Lein (Linke): Ich wünsche mir, dass Saarbrücken dann weitgehend vom motorisierten Individualverkehr befreit ist. Das schafft ein besseres Klima in der Stadt und mehr öffentlichen Raum, zum Beispiel für Spielplätze und breitere Fuß- und Radwege. Die Menschen finden aufgrund ihrer guten Ausbildung gut bezahlte Arbeitsmöglichkeiten in bereits bestehenden und neuen heimischen Unternehmen und leben in qualitativ guten und bezahlbaren Wohnungen.
Barbara Meyer-Gluche (Grüne): Saarbrücken soll durch konsequente Zukunftsinvestitionen in den nächsten Jahren zu einem modernen und grünen Anziehungspunkt im Herzen Europas werden. Saarbrücken 2030 zeichnet sich durch seine Internationalität, seine Innovationsatmosphäre, seine Familienfreundlichkeit, beste Bildung, bezahlbaren Wohnraum, seinen hohen Anteil an Grün und Wald und seine Freiräume für Kultur und freie Szene aus. Saarbrücken 2030 bringt städtisches Leben, Arbeiten und Natur wie keine andere Stadt zusammen. Saarbrücken im Jahr 2030 ist ökologisch, sozial und vielfältig. Die Weichen dazu müssen wir jetzt stellen.
7. Wie gehen Sie mit dem Vorwurf um, alles würde sich nur auf Saarbrücken konzentrieren, der Rest des Landes würde vernachlässigt?
Charlotte Britz (SPD): Ich sage den Kritikern, dass wir innerhalb des Saarlandes keine Neiddebatten führen sollten. Wir stehen nicht in Konkurrenz zu Merzig, Homburg, Neunkirchen, St. Wendel oder Saarlouis. Wir stehen gemeinsam in Konkurrenz mit anderen Regionen, etwa dem Rhein-Main-Gebiet. Die Förderung der Landeshauptstadt als wirtschaftliches und kulturelles Kraftzentrum unserer Region nutzt dem gesamten Land. Die anderen Städte im Saarland profitieren von einer starken Landeshauptstadt, wenn ihre Einwohner hier unter anderem eine Arbeit haben oder ein gutes Kultur- und Freizeit-Angebot vorfinden. Im Gegenzug profitieren wir in Saarbrücken von einem attraktiven Umland. Wir brauchen für das Saarland endlich ein Landesentwicklungskonzept, das Stärken, Leistungsfähigkeit und Funktionen des ländlichen Raumes, der Mittelzentren und des Oberzentrums definiert und gezielt fördert.
Uwe Conradt (CDU): Unsere ganze Region wartet doch eigentlich nur darauf, dass endlich bei uns die Handbremse gelöst wird. Die Wahrheit ist: Saarbrücken ist Großstadt. Saarbrücken ist Landeshauptstadt und die mit Abstand größte Stadt der Region. Saarbrücken hat viele Stärken und viel Potenzial. Indem wir wieder auf unsere Stärken vertrauen und unser vorhandenes Potential nutzen, werden wir unsere Stadt wieder zum Leuchten bringen. In dem wir uns selbst all dies erlauben, erlauben wir es auch den anderen und bringen unser ganzes Land voran. Mein Wunsch ist: Lasst uns gemeinsam vorangehen. Es ist Zeit.
Laleh Hadjimohamadvali (AfD): Saarbrücken als Oberzentrum muss gestärkt werden, da ansonsten das gesamte Land unattraktiv wird. Gleichwohl muss der ländliche Raum an das Oberzentrum angebunden werden. Wir fordern den Ausbau der Saarbahn in alle Kreisstädte, optimale Internetverbindungen in jedes Dorf des Saarlandes und eine Initiative zur Stärkung der Ortskerne.
Dr. Gerald Kallenborn (parteilos, für FDP): Der Ausbau der digitalen Netze auch in ländlichen Regionen ist ein wichtiger Schritt dafür, dass kleinere Städte und Gemeinden im Saarland nicht den Anschluss verlieren. Die jetzt vom Bundeslandwirtschaftsministerium beschlossenen Fördergelder für die ländliche Entwicklung werden die Attraktivität des ländlichen Raums noch weiter steigern. Dennoch bedürfen die ländlichen Gebiete immer einer besonderen Aufmerksamkeit, werden aber sicherlich auch von der Ausstrahlungskraft einer attraktiveren Landeshauptstadt profitieren. Stadt und Land müssen keine Gegensätze sein, sondern können bei Arbeit und Wohnen eine harmonische Einheit bilden.
Markus Lein (Linke): Diesen Vorwurf kann ich so nicht stehen lassen. Wenn man die Stellung der Landeshauptstadt zum Beispiel an dem erzielten Durchschnittseinkommen bemisst, hinkt Saarbrücken weit hinter Regionen wie dem Nordsaarland oder Homburg hinterher. Ich finde, Saarbrücken müsste sich als Landeshauptstadt noch mehr in das europäische Bewusstsein einbringen und seine Stellung selbstbewusst auf der Achse zwischen Straßburg und Brüssel einnehmen.
Barbara Meyer-Gluche (Grüne): Saarbrücken ist Landeshauptstadt und spielt damit eine ganz bedeutende Rolle – auch wenn es um die Entwicklung des Rests des Saarlandes geht. Wenn wir es schaffen, Saarbrücken zu einem Anziehungspunkt zu etablieren und die Menschen davon zu überzeugen, hier zu bleiben oder von außen hierher zu ziehen, haben wir eine realistische Chance, die erschreckenden Prognosen über den Bevölkerungsverlust des Saarlandes in den kommenden Jahren einzudämmen. Das muss das gemeinsame Ziel aller Saarländerinnen und Saarländer sein.