Im Estadio Metropolitano in Madrid steigt am 1. Juni das Champions-League-Finale zwischen Tottenham Hotspur und dem FC Liverpool. FORUM stellt die beiden Finalisten vor.
Wer nach den beiden Hinspielen im Halbfinale noch Geld auf Tottenham Hotspur oder den FC Liverpool gesetzt hat, ist heute um einige Euro reicher. Für viele war die Woche der Halbfinal-Rückspiele in der Champions-League die beste seit Jahren. Viele Gründe, das anders zu sehen, gibt es auch nicht. Der FC Liverpool mit Trainer Jürgen Klopp drehte im Rückspiel in einer magischen Nacht an der Anfield Road einen 0:3 Rückstand aus dem Hinspiel in ein jetzt schon legendäres 4:0, und nach einer intensiven Nacht stand nicht nur das Stadion in Liverpool Kopf. Fußballfans auf der ganzen Welt feierten eine Liverpooler Mannschaft, die dieses Spiel nicht durch ihre überragende Qualität, sondern durch ihre Mentalität und ihr großes Herz gewinnen konnte. Auf der anderen Seite war da eine erfrischende Mannschaft von Ajax Amsterdam, die mehr als nur ein Bein bereits im Finale hatte. Doch in der zweiten Halbzeit des Rückspiels drehten furiose Hotspurs in Person von Lucas Moura auf und sorgten mit drei Toren in der zweiten Halbzeit für einen verdienten 3:2 Sieg. So wie es sich für diese verrückte Woche gehörte, fiel das letzte Tor in der fünften Minute der Nachspielzeit. So kommt es nun zum englischen Duell im Finale um den begehrten Champions-League-Pokal. Das ist dann aber auch die einzige Gemeinsamkeit, die diese beiden Mannschaften und die der Trainer miteinander teilen. Unterschiedlicher könnten die Erfolgs-Modelle beider Vereine kaum sein – und das macht dieses Finale noch interessanter als es ohnehin schon ist.
Endlich ein Titel für Jürgen Klopp?
Bereits 2008 ist es zu einem englischen Duell im Champions-League-Finale gekommen. Damals gewann Manchester United gegen Chelsea bei strömendem Regen in Moskau im Elfmeterschießen mit 6:5. Unvergessen der Ausrutscher von John Terry, nachdem zuvor Cristiano Ronaldo gescheitert war. Am Ende hielt Edwin van der Sar den letzten Elfer von Nicolas Anelka.
Während Liverpool schon im vergangenen Jahr im Champions-League-Finale stand und bereits fünfmal den Henkelpott gewann, ist es für Tottenham eine Premiere. Die Spurs sind nach Arsenal, Aston Villa, Chelsea, Leeds, Manchester United, Nottingham Forest und Liverpool bereits das achte englische Team, das es ins Endspiel der Königsklasse geschafft hat. Insgesamt ist Liverpool gegen Tottenham das siebte Finale, in dem zwei Teams aus demselben Land aufeinandertreffen.
Die Trainer
Jürgen Klopp (FC Liverpool)
In Finalspielen war Jürgen Klopp in den letzten Jahren eher weniger erfolgreich. Tatsächlich ist das einzige gewonnene Finale das des DFB-Pokals gegen die Bayern im Jahr 2012. Danach gab es Niederlagen in der Europa-League und der Champions-League. 2013 im deutschen Finale gegen die Bayern, im vergangenen Jahr gegen ein fast übermächtiges Real Madrid. „Die Reise war für mich immer schon eine Riesenerfahrung, ich bin aber nicht blöd genug zu denken, dass man nicht auch irgendwann mal ankommen sollte", sagte Klopp in einem Interview mit Sky. „Wenn Gott mich auf diese Welt gebracht hat, um jemanden zu haben, der es nach dem sechsten Mal auch ein siebtes Mal probiert, dann bin ich das gerne." Diese Mentalität hat er auch seinen Spielern eingeimpft. So oder so ist Klopp in Liverpool schon eine Legende. Auch wenn es mit dem Meistertitel trotz 97 Punkten nichts wurde, liegen die Fans ihm zu Füßen. Die Menschen lieben ihn für seine herzliche Art, jedem Spieler nach dem Schlusspfiff um den Hals zu fallen, aber auch für seinen überfallartigen Fußball, den er spielen lässt. Im Gegensatz zu Mauricio Pochettino ist Klopp eher der Vulkan und der Emotionale – genau das mögen die Menschen in Liverpool an ihm.
„Meine Spieler sind Superhelden"
Mauricio Pochettino (Tottenham Hotspurs)
Als das nächste vermeintliche Fußball-Wunder innerhalb von 24 Stunden feststand, knickte Mauricio Pochettino ein unter dem Gewicht seiner Gefühle. Der Trainer von Tottenham Hotspur schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen und fiel auf die Knie. Es sah aus, als würde er beten auf dem Rasen der Arena in Amsterdam. Später weinte er sogar. So emotional hat man den Argentinier selten bis gar nicht gesehen. „Meine Spieler sind Superhelden", sagte er nach dem Spiel. Dabei war es vor allem sein taktischer Kniff in der Halbzeit, der die Tür zum Finale überhaupt wieder sichtbar machte. Pochettino ist allgemein ein eher zurückhaltender Trainer, legt Wert auf ein gutes Mannschaftsgefüge, verzichtet seit Jahren auf große Transferausgaben. Vielmehr liegen ihm eine intakte Mannschaft und klare taktische Vorgaben am Herzen. Im Gegensatz zu Klopp ist der Argentinier eher der Analytiker – der vielleicht sogar im Champions-League-Finale ein letztes Mal auf der Bank Platz nehmen könnte. Für den Fall, dass seine Mannschaft gewinnen sollte, hat er seinen Abschied in den Raum geworfen – auch weil andere große Clubs schon seit langer Zeit ein Auge auf den Übungsleiter geworfen haben.
Die Mannschaften
FC Liverpool
Bei diesem Team jemanden hervorzuheben, ist sicherlich schwer. In allen Mannschaftsteilen wurde in diesem Jahr überragend performt. Im Tor war Allison Becker der gewünschte Rückhalt, Virgil Van Dijk ist der beste Verteidiger der Premier League, vielleicht sogar der Welt. Fabinho und der scheinbar nicht alternde James Milner ließen ihre Kritiker verstummen. Über die drei Stürmer Mo Salah, Sadio Mane und Roberto Firminho wurden bisher alle Superlative benutzt, die es gibt. Und selbst wenn die Arrivierten mal ausfallen, kommen halt Georg Wijnaldum und Divock Origi und schalten den FC Barcelona aus. Eigentlich lief in dieser Saison alles perfekt für den FC Liverpool – gewonnen wurde aber erneut nichts. Bisher zumindest. In der Liga fehlte ein Punkt auf den erneuten Meister Manchester City und das, obwohl in der gesamten Saison nur ein einziges Spiel verloren wurde. Wichtig wird also sein, wie die Mannschaft mit dem Gedanken umgehen wird, erneut kurz vor dem Ziel scheitern zu können. So geschehen im letzten Jahr gegen Real Madrid – als Keeper Loris Karius einen rabenschwarzen Tag erwischte. Dieser ist mittlerweile nicht mehr da, die Mannschaft wirkt insgesamt gefestigter. Es fehlt eigentlich nur noch die Krönung – und das ist womöglich auch die größte Gefahr. Ein gutes Omen: In dieser Saison trafen die Reds zweimal auf die Spurs und gewannen jeweils 2:1.
Liverpool in der Favoritenrolle
Tottenham Hotspur
Die Spurs wirken auf den ersten Blick wesentlich unspektakulärer als die Reds. Die Art des Fußballs ist natürlich auch eine andere. In der Qualität der Spieler steht aber Tottenham seinem Gegner in nichts nach. Mit Hugo Lloris steht ein Weltmeistertorwart im Kasten, davor mit Tobi Alderweireld und Jan Verthongen zwei seiner Gegner im Finale der Weltmeisterschaft. Im Mittelfeld zieht Dänemarks Superstar Christian Eriksen seine Kreise. Und mit dem Halbfinal-Helden Lucas Moura, dem mittlerweile auf Weltklasse-Niveau spielenden Heung-Min Son und dem Weltklasse-Stürmer Harry Kane. Der Letztgenannte fehlt aber seit Anfang April verletzt. Ob er im Finale auflaufen kann – dahinter steht immer noch ein großes Fragezeichen. In seiner Abwesenheit blühte in den letzten Wochen aber Heung-Min Son auf. Dieser schoss Manchester City im Viertelfinale fast im Alleingang ab und spielt derzeit in der Form seines Lebens. Ebenso wie Lucas Moura. Dieser wurde aus Paris weggejagt, schafft aber nun das, was seine ehemaligen Kollegen noch nie schafften – und dabei hat er selbst einen Riesenanteil. Durch seinen Dreierpack schoss er die Spurs alleine ins Finale.
Der Schiedsrichter
Die Uefa-Schiedsrichterkommission hat bekanntgegeben, dass Damir Skomina das Finale zwischen Tottenham Hotspur und dem FC Liverpool leiten wird. Der 42-jährige Slowene, der seit 2002 internationaler Referee ist, vervollständigt damit ein „Europapokal-Triple", nachdem er bereits das Finale der Uefa Europa League 2017 zwischen Ajax Amsterdam und Manchester United sowie den Uefa-Superpokal 2012 zwischen dem FC Chelsea und Atlético Madrid geleitet hatte. Beim Champions-League-Endspiel 2013 zwischen Borussia Dortmund und Bayern München stand er zudem als vierter Offizieller im Einsatz.