Wie kaum ein anderer deutscher Schauspieler konnte der vor 20 Jahren verstorbene Horst Frank den ewigen Bösewicht verkörpern. Aus diesem Rollenklischee durfte der profilierte Charakterdarsteller bei seinen insgesamt rund 185 Auftritten in Film und Fernsehen nur selten ausbrechen.
Mitte Mai 1999 hatte Horst Frank eine Heidelberger Privatklinik aufgesucht, um sich dort von den Strapazen eines wochenlangen Theater-Engagements auf einer Münchner Bühne in der Woody Allen-Komödie „Kugeln überm Broadway" zu erholen. Obwohl schon fast 70 Jahre alt – es waren nur noch wenige Tage bis zu seinem Geburtstag am 28. Mai – war er zum Arbeiten gezwungen. Mit seiner Rente von etwa 1.500 D-Mark kam er nicht über die Runden, wie er in einem seiner letzten Interviews offen bekannte: „Ich trete gelegentlich am Theater auf und muss arbeiten, bis ich tot umfalle." Nach einem am 24. Mai festgestellten Herzversagen wurde der Schauspieler in die Heidelberger Uniklinik überführt, wo er am Abend des folgenden Tages gegen 21 Uhr starb. Regisseur Jürgen Roland würdigte ihn „als eine der letzten großen schauspielerischen Persönlichkeiten der deutschen Nachkriegsgeschichte".
In seiner Karriere wurde Horst Frank schon früh in die schauspielerische Psychopathen-Zwangsjacke gesteckt. Neben Klaus Kinski und Mario Adorf gab es hierzulande wohl kaum einen anderen Mimen, der die Rolle des ewigen Bösewichts, des eiskalt-pathologischen Verbrechers, des Antihelden schlechthin, vor der Kamera besser verkörpern konnte als Horst Frank. Seine markant rauchig-kehlige Stimme, seine kalten Augen und seine Fähigkeit, eine wächserne Mimik und einen sadistischen Zug um die Mundwinkel herbeizuzaubern, waren natürlich ungemein förderlich, um den Rollen als Triebtäter, Ganove oder Westernschurke die nötige Glaubwürdigkeit zu verleihen.
Bei seinen Engagements war er in Sachen Qualitätsanspruch nicht immer wählerisch. Nach eigenem Bekunden hatte er „viel Blödsinn gedreht, ich sag’ mal 50 Prozent gute Filme und 50 Prozent Mist". Doch die Kasse musste eben stimmen, weil ihn seine drei Scheidungen, sein kostspieliges Aussteiger-Experiment mit einer Gemüse- und Kaffeefarm in Tansania Anfang der 1960er-Jahre und seine diversen Alkohol-Eskapaden nach eigenen Schätzungen mehr als zehn Millionen Mark (umgerechnet gut fünf Millionen Euro) gekostet hatten.
Abschlussprüfung zunächst versemmelt
Horst Bernhard Wilhelm Frank war am 28. Mai 1929 in Lübeck als Sohn eines Porzellanmalers zur Welt gekommen. Er wuchs in Hamburg bei der Mutter auf, nachdem der Vater schon früh das Weite gesucht hatte. Im Anschluss an die Realschule absolvierte Horst Frank eine Lehre zum Handelskaufmann in einem Import-Export-Geschäft ohne Abschluss, da er in den letzten Zügen des Zweiten Weltkrieges zum Militär eingezogen wurde. Nach dem Besuch einer Gedichtsrezitations-Matinee von Will Quadflieg in der Hansestadt folgte der Entschluss, selbst die Schauspieler-Laufbahn einzuschlagen.
Von 1947 bis 1949 absolvierte Frank eine Schauspielausbildung an der Musikhochschule Hamburg und nahm zur Finanzierung des Studiums verschiedene Gelegenheitsjobs vom Nachwächter bis zum Babysitter an. Bei der Abschlussprüfung rasselte er zwar durch, konnte aber dennoch 1950 ein erstes Engagement als Dauphin im Drama „Die heilige Johanna" nach George Bernard Shaw am Stadttheater Lübeck ergattern. Nach Angaben des „Munzinger Archivs" bestand er Ende 1951 im zweiten Anlauf die Schauspielprüfung doch noch.
In den folgenden Jahren spielte er auf diversen Bühnen von Bonn über Baden-Baden bis Basel, wobei er sich in der Schweiz erstmals über ein ansehnliches Honorar freuen konnte, während er in Bonn und Baden-Baden auch nützliche Kontakte zu den Landesfernsehanstalten knüpfte.
Seinen ersten von insgesamt etwa 110 TV-Auftritten hatte Frank im Jahr 1955 im Schweizer Streifen „Die Geschichte vom Soldaten". Schon ein Jahr später feierte er sein Kinoleinwand-Debüt in der Rolle eines zynischen Feiglings im Kriegsdrama „Der Stern von Afrika". In den nächsten Jahren folgten weitere Kriegsfilme wie „Haie und kleine Fische" (1957) oder „Hunde, wollt ihr ewig leben" (1959). Ein Jahr zuvor spielte er in den Kino-Kassenschlagern „Das Mädchen vom Moorhof" und „Der Greifer" einen gefürchteten Triebtäter beziehungsweise einen angsteinflößenden Mörder. So überzeugend, dass ihm ab 1959 auch aus dem europäischen Ausland – vor allem aus Italien und Frankreich – Filmangebote ins Haus flatterten. An der Seite von Lino Ventura mimte Frank beispielsweise in der Gaunerkomödie „Mein Onkel, der Gangster" 1963 einen fiesen Alkoholschmuggler.
Beste TV-Rolle als Baron in Kinderserie „Timm Thaler"
In den 1960er- und 1970er-Jahren lag sein Hauptaugenmerk auf Kinoproduktionen. Eigentlich gab es kaum ein Genre, das er ausgelassen hätte: von Action- und Abenteuerfilmen – etwa „Das Geheimnis der drei Dschunken" 1965 oder „Die Rache des Dr. Fu Man Chu" 1967 – über Italo-Western oder Liebesfilm-Softsex-Klamottten bis hin zu Gangster- und Horrorstreifen. Von den Western bleiben am ehesten „Die Flusspiraten vom Mississippi" (1963) sowie „Django – Ein Sarg voll Blut" aus dem Jahr 1968 in Erinnerung. Schlüpfrig wurde es in „Catherine – Ein Leben für die Liebe" (1968) oder „Marquis de Sade: Justine" (1969). Zur Kategorie der Gangster- oder Horrorstreifen zählen beispielsweise „Bumerang" (1960), „Jerry Cotton: Schüsse aus dem Geigenkasten" (1965), „Die Engel von St. Pauli" (1969) sowie „Und Jimmy ging zum Regenbogen" (1971), „Das Gesetz des Clans" (1976) oder „Die Elixiere des Teufels" (1973).
Nur selten gelang es Horst Frank, dem Schurken-Klischee zu entfliehen. Eine der gelungensten Ausnahmen war die Rolle des heroischen preußischen Hauptmanns von Bruck im Kampf gegen Napoleon in dem 1967 veröffentlichten Streifen „Eine Handvoll Helden". Die Figur des väterlichen Conrad Kolberg in Ulrich Schamonis Filmopus „Das Traumhaus" von 1979 nicht zu vergessen. Ab 1973 war Frank auch wieder häufiger auf Theaterbühnen zu sehen, hauptsächlich in Tournee-Produktionen, die vor allem dank seines großen Bekanntheitsgrades erfolgreich waren: 1980 beispielsweise in der Komödie „Fröhliche Geister" oder 1981 in dem Stück „Das Leben in meiner Hand". 1992 wirkte er an Peter Zadeks legendärer Revueproduktion von „Der Blaue Engel" in Berlin und Hamburg mit.
Im deutschen Fernsehen war Frank bei allen nur erdenklichen Krimiserien dabei. Gelegentlich schon in den 60er- und 70er-Jahren bei Episoden von „Der Kommissar", „Sonderdezernat K1" oder „Derrick", verstärkt dann aber in den 80er- und 90er-Jahren, vor allem im „Tatort", aber auch in Serien wie „Der Alte", „Der Fahnder", „Großstadtrevier", „Adelheid und ihre Mörder" oder „Polizeiruf 110".
Seine wohl großartigste Leistung auf dem TV-Bildschirm wurde ihm für die Rolle des teuflischen Barons de Lefuet als Gegenspieler von Thomas Ohrner alias „Timm Thaler" in der gleichnamigen Kinderserie aus dem Jahr 1979 attestiert. Auch in dem 1970 von der ARD ausgestrahlten TV-Kriminalfilm-Klassiker „Unter Kuratel" konnte Frank die Kritiker mit der von ihm gespielten Figur des arbeitslosen Theaterregisseurs Jim Downs hellauf begeistern.
Sein großes Potenzial als Charakterdarsteller konnte Frank auch in der Rolle eines arbeitslosen Maurers namens Lothar Steingruber in Alexander Eschweges TV-Krimi „Flächenbrand" im Jahr 1980 unter Beweis stellen.
Kommissar Reynolds bei „Die drei ???"
Dank seiner prägnanten Stimme startete Frank zudem eine Zweitkarriere als Synchronsprecher und nicht zu vergessen beim Hörspiel. Seine erste Hörspiel-Aufnahme „Sie klopfen noch immer" datierte schon aus dem Jahr 1953. Zwischen 1979 und 1985 lieh er Hauptkommissar Reynolds in der aus 36 Folgen bestehenden Hörspiel-Serie „Die drei ???" sein unverkennbares Organ. Auch als Lyriker versuchte er sich mit dem 1989 veröffentlichten Gedichtband „Wenn ich im Spiegel mich beschau". Mit den beiden Singles „Meine Zeit mit dir" (1979) und „Wo sind die Mädchen" (1980) sowie dem Album „Lampenfieber" (1989) machte er auch einen Ausflug ins Musikgeschäft.
Im Jahr 1981 hatte Frank zudem seine Autobiografie mit dem Titel „Leben heißt Leben" auf den Markt gebracht. Der Schauspieler war viermal verheiratet. Aus der ersten Ehe hatte er einen Sohn, aus der 1961 geschlossenen einjährigen Liaison mit der Schauspielerin Chariklia Baxevanos ging Tochter Desirée hervor. Mit seiner letzten Gattin, der Schauspielerin Brigitte Kollecker, mit der er 1979 vor den Traualtar getreten war, hatte er zwei Kinder. Sie stand ihm in den letzten Stunden seines Lebens zur Seite.