Aston Martin ist ein Phänomen. Die britische Automarke stellt kraftstrotzende Supersportwagen her, die gleichsam dezent daherkommen. Britisches Understatement par excellence. Wir haben das Flaggschiff DBS Superleggera getestet – aus Sicht des Beifahrers.
Jeder Autofreund, der den Namen Aston Martin hört, bekommt sofort einen sehnsüchtigen Blick. Die britischen Sportwagen sind handgearbeitet, den Dienstwagen des berühmtesten Geheimagenten der Welt umgibt ein ganz besonderes Flair. Der DBS Superleggera ist das Topmodell der Marke. Unser Testwagen hat zwölf Zylinder, 725 PS, 5,2 Liter Hubraum und beschleunigt von 0 auf 100 km/h so schnell wie ein startender Phantomjet – in atemberaubenden 3,4 Sekunden. Jeder, der eine solche Beschleunigung einmal am eigenen Leib erlebt, versteht, weshalb Raumfahrer sich einem besonderen Auswahlverfahren unterziehen müssen, bevor sie ins All gelassen werden.
Die Sucht beginnt bereits, als der Speditionsfahrer den Motor unseres Superleggera anlässt, um ihn vom Anhänger rollen zu lassen. Es ist ein Samstagmorgen, und ich bin mir ziemlich sicher, dass danach nicht mehr allzu viele Nachbarn noch geschlafen haben. Das Motorengeräusch ist Musik in den Ohren eines jeden Autofans. Fährt man den DBS Superleggera im „Standard"-Modus, donnert beim Anlassen zwar auch ein Gewitter von Zündungen heraus, aber im laufenden Betrieb fällt er nur durch ein sonores Grummeln auf. Damit ist er durchaus umwelt- und nachbarschaftsverträglich. Stellt man ihn jedoch auf den Sport- oder Sport+-Modus, entfaltet er seine schier ungebändigte Kraft – sowohl bei jeder Beschleunigung, in der Endgeschwindigkeit von 340 km/h als auch bei seinen orchestralen Fähigkeiten, die keinen Autofan kalt lassen.
Aston Martin gelingt der schwierige Spagat, dass das Auto überall auffällt, der Wagen andererseits aber gleichzeitig so dezent ist, dass keiner auf die Idee käme, hier möchte jemand angeben. Er provoziert keinen Neid und fordert keine Kraftmeier zum Vergleich heraus. Britisches Understatement par excellence. Der DBS macht von vornherein klar, dass hier ein britischer Gentleman kommt, der ohnehin keinen Vergleich zu scheuen braucht.
Symphonie für jeden Autoliebhaber
Während unseres Tests hat niemand versucht, uns zu einem Rennen herauszufordern. Andererseits schaute uns niemand scheel an, wenn wir irgendwo auftauchten. Im Gegenteil. Immer wieder kamen Menschen auf uns zu, die dieses Auto „einfach wunderschön" fanden. Der Wagen ruft eine Faszination bei vielen Menschen hervor wie bei keinem anderen Auto, das wir bislang getestet haben.
Der DBS Superleggera ist der Nachfolger des Aston Martin Vantage, der ebenfalls zwölf Zylinder und kräftige Motoren hatte. Den Designern ist mit dem Nachfolger ein wahres Meisterwerk gelungen. Die Änderungen sind dezent, aber dennoch markant. Vor allem der Kühlergrill ist größer als bei seinen Geschwistern, er zieht sich unterhalb der Höhe des bisherigen Stoßfängers – und das steht ihm ausgezeichnet.
Auf den ersten Werbebildern dachte ich noch: „Na, haben die nicht ein wenig übertrieben? Ist das nicht vielleicht sogar protzig?" Nach unserem Test kann ich letzteres klar verneinen. Alles ist perfekt. Die lang gezogene flache Linie des Superleggera mit seinen dezenten Schwüngen, der langen Motorhaube und dem extrem breiten Heck sind wunderschön. Unser Testwagen hat die Farbe „Magnetic Silver". Als ich das im Leihvertrag las, war ich ein wenig enttäuscht, weil ich kein Fan der Farbe Silber für Autos bin. Aber als er endlich vor uns stand, wusste ich sofort, dass es tatsächlich genau die richtige Farbe für dieses Auto mit seinen schwarzen 21-Zoll-Felgen ist. Magnetic Silver ist nämlich eigentlich anthrazit. Es macht den Wagen nicht zu dunkel, was ihm seine Konturen rauben würde, sondern betont sie und ist zurückhaltend. Genau passend für den Charakter dieses Autos.
Die Türgriffe sind wie gewohnt plan in die Außenhaut eingefügt und schieben sich als Stab heraus, wenn man an ihrer nach vorn zeigenden Seite drückt. Türschlösser gibt es bei diesem Auto nicht mehr, der Wagen öffnet sich nur noch per keyless Access. Das bedeutet, dass ein Transponder die Türen freigibt oder sie verriegelt, wenn man sich vom Wagen entfernt. Sobald der Fahrer im Wagen sitzt, werden die Zugänge automatisch verriegelt. Auch der Kofferraum ist nur zu öffnen, wenn die Zündung ausgeschaltet ist. Der Kofferraum ist erstaunlich groß für einen Sportwagen. Er ist zwar flach, aber einen größeren Schalenkoffer bekommt man gut hinein. Weiteres Gepäck in Form von Reisetaschen findet problemlos auf den Rücksitzen Platz, die ihren Namen allerdings nicht wirklich verdienen. Zwar verfügen auch die hinteren Plätze über Sicherheitsgurte und Kopfstützen, die Beinfreiheit ist jedoch so gering, dass dort niemand wirklich sitzen kann. Kleinkinder vielleicht, deren Beine gerade die Sitzfläche bedecken, könnten hier Platz nehmen, aber sonst niemand. Tatsächlich ist dieser Supersportler eigentlich auch für zwei Personen konzipiert, die ausgesprochen angenehm geformte Sitze vorfinden. Sie schmiegen sich regelrecht an den Körper an.
Rundum-Blick dank 360-Grad-Kamera
Der Innenraum ist überaus edel gestaltet. Akkurate Steppnähte verzieren den Himmel der Innenkabine genauso wie die Sitze selbst. Das Armaturenbrett ist mit Leder bespannt, die Lautsprecher von Bang & Olufsen tragen Abdeckungen aus gebürstetem Aluminium. Andere Flächen sind mit Klavierlack beschichtetem Holz oder Alcantara versehen. Alle Knöpfe und Teile fühlen sich hochwertig und fest an. Nichts flattert oder klappert. Und alles ist elektrisch bedienbar – ob es die Abdeckung der Ablage unter der Mittelarmlehne oder die Einstellung der Sitze ist. Die Sitzkühlung habe ich als ausgesprochen angenehm empfunden, da es auf unserer Testfahrt recht warm war und es auf Ledersitzen sonst leicht schwitzig sein kann. Das Leder im Innenraum ist ausnahmslos weich wie die Haut eines jungen Pfirsichs.
Ablageflächen hält Aston Martin dagegen offenbar für überflüssig, denn außer der Ablage unter der Mittelarmlehne habe ich nur noch eine ganz flache Ablage in der Tür gefunden. Sie ist so flach, dass man dort allenfalls einen Kugelschreiber hinlegen könnte, alles andere würde wohl über den Rand fallen. Ein Handschuhfach gibt es nicht.
Die Mittelkonsole ist in einem für Aston Martin typischen Oval, das auf dem Kopf steht, gestaltet. Sie ist aufgeräumt, übersichtlich und selbsterklärend. Auch jemand, der noch nie in einem Aston Martin gesessen hat, findet sich sofort zurecht. Von der Anzeige der 360-Grad-Kameras ist mein Fahrer restlos begeistert und kommentiert sie mit den Worten: „So eine will ich auch haben".
So etwas Profanes wie Getränkehalter passt eigentlich gar nicht in dieses Auto, dennoch kommt Aston Martin dem Wunsch vieler Kunden nach diesem Accessoire nach. Sie sind in der Ablage unter der Armlehne untergebracht und ausklappbar.
Der Aston Martin DBS Superleggera gehört zu den Autos, die ich am liebsten gar nicht mehr zurückgeben möchte. Angesichts des Preises werde ich allerdings niemals in die Verlegenheit kommen, mir ernsthaft Gedanken darüber zu machen, mir einen zu kaufen – schade eigentlich!