Die Region Sambesi fasziniert mit einer paradiesischen Landschaft und einem großen Reichtum an Pflanzen und Tieren – vor allem mit jeder Menge Flusspferde.
Edison Hanambe war ein kleiner Junge, als er zum ersten Mal an den Victoriafällen stand und mit seinem Vater zu Nyami Nyami, dem Gott des Sambesi-Flusses, betete. Heute ist der Tonga-Mann 61 Jahre alt, hat sechs Kinder und zeigt Touristen das Naturwunder an der Grenze zwischen den afrikanischen Ländern Sambia und Simbabwe. Warum es in seiner Sprache Mosi-oa-Tunya – „Donnernder Rauch" – heißt, ist nicht zu überhören.
Die gewaltigen Massen des Stromes, der an den Victoriafällen auf über 1.700 Meter als breitester Wasservorhang der Welt 110 Meter in die Tiefe stürzt, machen höllischen Lärm und obendrein ringsum alles feucht. „Die bis zu 300 Meter hohen Gischtwolken sind oft 30 Kilometer weit zu sehen", sagt Fremdenführer Edison. Ein ganzer Regenwald verdankt sein Dasein dem versprühten Nass. Als immerfeuchter, dichter grüner Dschungel drängt er sich von den Ufern weit landeinwärts. Zu seinen pflanzlichen Bewohnern zählen Mahagoni- und Ebenholzbäume, Elfenbein- und Weiße Dattelpalmen. Auf dem Rundweg um die Fälle erlebt man den „Donnernden Rauch" je nach Wind und Standort mal als Niesel, mal als Nebel – oder kurz davor als prasselnden Schauer. Und ob ganz unten, seitlich oder oben von der Brücke: Zu jeder Perspektive gehört mindestens ein Regenbogen. Nicht selten sind es zwei, die sich überschneiden. Die allerbeste Sicht auf das Monumentalspektakel in seiner ganzen Pracht bieten ein Helikopter- oder Ultraleichtflug.
„Ich war bereits unzählige Male hier, aber die Kraft und Schönheit des fliegenden Wassers faszinieren mich immer wieder neu", gesteht Edison gegenüber seinen Gästen. Viel habe sich geändert am Sambesi – besonders, als in den 50er-Jahren in der Kariba-Schlucht Staudamm, -see und Wasserkraftwerk gebaut wurden, berichtet der Sohn eines Fischers und Bauern.
Die ganze Pracht vom Helikopter aus
„Früher gab es mehr Fische und bessere Bedingungen für die Bewässerung der Felder. Aber dank Elektrizität kann man die Energie des Flusses nun fast in allen Teilen des Landes nutzen", tröstet sich Edison Hanambe selbst. Als Fahrer und Touristenführer verdient er verhältnismäßig gut. Zu Nyami Nyami bete er schon lange nicht mehr. „Die alten Geister sind verschwunden. Die Menschen haben sie vertrieben", sagt Edison ohne Bitterkeit. Der Verlust scheint nicht mehr weh zu tun. Eine kleine Figur des Schlangengottes mit dem Fischkopf trägt er – für den Fall der Fälle – immer noch am Herzen.
In der Stadt Livingstone, die 1904 unmittelbar an den Wasserfällen entstand, trifft man den Flussgeist vielgestaltig in Souvenirgeschäften. In dem einstigen britischen Kolonialort, zeitweise Hauptstadt von Nordwest-, später Nordrhodesien, ist der Tourismus längst zu Hause. Neben Bars, Cafés und Restaurants gibt es eine große Auswahl an Übernachtungsmöglichkeiten. Ob im schlichten Hostel oder Nobelresort: Fast überall – und wenn es nur ein Brummen in der Ferne ist – hört man die Victoria Falls. Im „The Royal Livingstone" sind sie sogar von einigen Zimmern aus zu sehen. Nur einen Steinwurf ist es von dem Luxushotel bis zu den Fällen und der davor liegenden Livingstone Island.
Nach wenigen Minuten mit dem Boot erreicht man die kleine Insel im Sambesi. Das eigentliche Ziel der nicht unriskanten Fahrt ist Devil’s Pool, auch schlicht „Sessel" genannt. Die im Durchmesser nur wenige Meter große Felsendelle befindet sich unmittelbar vor der Flussbettkante. Wer den Sprung in das „gefährlichste Schwimmbecken der Welt" verfehlt oder über seinen Rand gerät, landet unweigerlich im brodelnden Abgrund. Möglich ist das heikle Unterfangen nur in der Trockenzeit zwischen September und Dezember, wenn das Wasser maximal knapp über die Felswand reicht.
Vom wechselnden Wasserstand ihrer Flüsse werden die meisten Regionen Sambias geprägt. Das vielseitige Land zwischen Mporokoso-Bergen und Mafinga Hills, Kalahariwüste und Sambesi ist so reich an Landschaften wie an Tieren und Pflanzen, die sie bevölkern.
Auch die Touristenunterkünfte profitieren vom Charme der wilden afrikanischen Schönheit. In der „Mfuwe Lodge" im Südluangwa-Nationalpark etwa müssen Gäste abends manchmal per Jeep zu ihren Villen fahren, weil Löwen durchs Hotelgelände laufen. Ein Schlaraffenland der Elefanten ist das Resort zur Reifezeit der Mangos, die dort in Massen wachsen. Dass die begehrten Schlemmerbäume zwischen Restaurant und Pool stehen, stört die großen, dicken Leckermäuler wenig. Sie wissen, dass der kürzeste Weg durch die Lobby führt.
Die Reise in die „Royal Zambezi Lodge" beginnt mit einer ungewöhnlichen Frage. „Wo lang soll ich fliegen?" will die Pilotin des Buschflugzeuges wissen. Die verdutzten Passagiere entscheiden sich spontan für die etwas längere, doch spannendere Route in den Nationalpark Unterer Sambesi, der östlich von der Hauptstadt liegt. So geht es von Lusaka erst gen Südosten bis zum Fluss, um dann direkt seinem Lauf zu folgen.
Der Umweg lohnt sich unbestritten. Der Blick auf Wasser, Land und Berge ist unbeschreiblich schön. Links liegt Sambia, rechts Simbabwe. Die Grenze beider Länder führt mitten durch den Strom. Da die kleine Propellermaschine nicht sehr hoch und eher langsam fliegt, kommt die Perspektive tatsächlich der der Vögel ziemlich gleich. Mit bloßem Auge sieht man Giraffen, Elefanten, Hippos. Es wächst die Lust, sie endlich aus allernächster Nähe zu bestaunen.
Gelegenheit dazu gibt es schon wenig später. Die Lodge liegt mitten in der Wildnis, direkt am Ufer des Sambesi. Das komfortable Bungalow- und Zelt-Resort überrascht mit Luxus wie klimatisierten Räumen, Daunenbetten, feinen Speisen, Wellnessangeboten. Doch für das mit Abstand größte Wohlbehagen sorgt die Natur – mit filmreifen Kulissen und tierischen Besuchen. In Sichtweite des Frühstückstisches tauchen drei Flusspferde auf und wackeln mit den Ohren. Ordentlich in einer Reihe, als wollten sie sich einzeln präsentieren, recken sie sich und bäumen sie sich nacheinander aus dem Wasser, ohne den Blick von den Menschen zu lassen. Zu den planschenden Gästen im Pool gesellt sich derweil – gleich im Fluss daneben – ein Elefant und duscht sich mit dem Rüssel. Alles wirkt so paradiesisch unreal und ist doch – nur unfassbar – echt.
Flusspferde können aggressiv werden
Ob vielleicht hinter all den zauberhaften Dingen Flussgott Nyami Nyami steckt? Vermutlich ist er gar nicht wirklich fortgegangen. Der Schlangenhäuptige bleibt unsichtbar, auch bei einer Angeltour auf dem Sambesi. Dafür wächst die Zahl der Flusspferdköpfe, die mit einem Mal wie dicke Knollenpilze aus der braunen Schlammflut sprießen. Schnaufend und mit großen Augen wird das leichte Boot gemustert. Es eben mal schnell umzuschubsen, wäre alleine für den dicken Bullen da ein Kinderspiel. Damit niemand daran zweifelt, klappt der Hippopotamus seine Riesenkiefer so weit auseinander, wie es geht. „Der hat nur gegähnt. Eine Drohgebärde sieht anders aus", sagt Donald Pelekamoyo. Der Mitarbeiter vom sambischen Fremdenverkehrsamt ist mit den Tieren seiner Heimat aufgewachsen. Angst hat er nicht vor ihnen, doch Respekt. Die gewichtigen Pflanzenfresser, die bis zu über vier Tonnen Körpermasse auf die Waage bringen, können äußerst aggressiv und gefährlich werden. „Aber nur, wenn sie sich oder ihre Jungen bedroht fühlen", fügt er hinzu. Mit rund 40.000 Tieren ist Sambia von allen 19 Flusspferdländern das mit der größten Population. Weltweit gibt es heute weniger als 150.000 Individuen dieser gefährdeten Dickhäuterart, deren nächste lebende Verwandte die Wale sind.
Vorbei an einer Sandbank, auf der ein junger Elefant versucht, sich im meterhohen Gras zu verstecken, geht es weiter bis zum nächsten Angelstopp. Und wieder fällt es schwer, sich auf die Fische zu konzentrieren. Denn am simbabwischen Ufer hat sich eine große Büffelherde eingefunden. Direkt am Wasser ist das Grün besonders frisch und saftig. Das lockt viele vierbeinige Veganer aus der Savanne. Die menschenarme, an Tieren aber reiche Gegend gehört zum Mana-Pools-Nationalpark. Seine Bezeichnung verdankt der den vier (in der Shona-Sprache: „mana") Fluss-Seen, die der Sambesi selbst bei Trockenzeit befüllt. Endlich zappelt etwas an der Rute und kann ins Boot befördert werden. „Es ist ein Tigerfisch aus der Familie der Afrikanischen Salmler", erklärt Donald, befreit das forellengroße Tier vom Haken und wirft es zurück ins Wasser. Der müsse noch ein bisschen wachsen. Ob er dann auch Streifen kriegt? „Nein", sagt der Angelprofi, „damit hat sein Name nichts zu tun. Es ist ein Raubfisch, der auch Menschen attackiert – allerdings nur ausgewachsen, wenn er bis zu 50 Kilo schwer und 1,30 Meter lang ist." Der Fisch beim Abendessen in der Lodge sieht friedlich und vor allem lecker aus. Andere Petrijünger hatten offensichtlich mehr Erfolg, haben dafür aber sicher nicht so viel gesehen. Noch mehr faszinierende Begegnungen mit Tieren gibt es bei den Game Drives. Obwohl der Untere-Sambesi-Nationalpark nicht zu den artenreichsten zählt, ist sein Tierbestand enorm. Wie ernst und eifrig manche daran arbeiten, dass das so bleibt, beweist ein Löwenpaar mit seinem Liebesmarathon. Direkt nach Spaß sieht es nicht aus. Drei- bis viermal in der Stunde wird probiert, bis zu 40 Mal in 24 Stunden, und das im besten Fall fünf Tage lang. Da möchte man lieber kein Löwe sein.