Double- oder gar Triple-Bags sind der Haupttrend in Sachen Damenhandtaschen im Sommer. Vor fünf Jahren als Marketing- und Verkaufsförderungs-Idee von einigen Designern geboren, ist das Ganze dank prominenter It-Girls zu einem Hype geworden.
Eigentlich schien es so, dass möglichst große Bequemlichkeit und Komfort das neue oberste Gebot in Sachen moderner Damenmode sein müssten. Nun kommt diesen Sommer ein Trend daher, dem selbst die britische „Vogue" jegliche Praktikabilität abspricht. Aber darauf komme es auch gar nicht an, weil es sich beim Tragen mehrerer Handtaschen um ein Style-Statement handele. Mindestens zwei Taschen werden dafür benötigt, es können aber gerne auch noch mehr sein. Lassen wir das einfach mal so stehen, ist diese Argumentation ja noch nachvollziehbar. Im Unterschied zur „Vogue" feiern so gut wie alle anderen Fashion-Journale oder Mode-Portale den Multi-Bag-Trend als die optimale Bequemlichkeitslösung für die moderne Frau; mit dem Millennial-Magazin „Refinery 29" an der Spitze. Schließlich sei es für eine coole New Yorker Lady schon immer unmöglich gewesen, alle überlebenswichtigen Dinge in nur einer Handtasche durch den Alltag zu befördern. Bislang sei frau sich daher auf den Straßen des Big Apples immer etwas blöd vorgekommen, wenn sie mit einer riesigen Tote-Bag für den Laptop, einer Gym-Bag für die Sportklamotten und einer Crossbody-Bag für das absolut Notwendige unterwegs gewesen sei. Dass die Designer nun das sogenannte Handtaschen-Layering zum angesagtesten Handtaschen-Trend erkoren haben, sei daher eine tolle Idee. Nun denn, wenn dem so sein sollte, dann wird es in New York kein Problem sein, in einem Café oder Restaurant eine halbe Bank oder einen Beistelltisch zu reservieren, auf denen das zusätzliche „Gepäck" ausreichend Abstellfläche finden könne. Was bisher schon mit den Riesenteilen möglich war, wird mit den neuen, umfangmäßig deutlich kleineren Double- oder Triple-Bag-Kombinationen allemal machbar sein. Die damit verbundene Gewichtsreduktion dürfte auf jeden Fall dem geplagten Rücken zugutekommen. Fragt sich nur, wo dann die Fitness-Studio-Klamotten ihren Platz finden sollen …
Eigentlich ist das Ganze vom Ursprung her eine ziemlich clevere Marketing-Idee der Fashion-Labels, wie es auch die britische „Vogue" erklärt. Denn sie erlaubte den Designern, auf ihren Laufstegen an den Models nicht nur eine ihrer neuesten Taschen-Modelle vorzustellen, sondern eben gleich zwei oder drei.
Vorreiter schon im Herbst 2014
Dass diese verkaufsfördernde Maßnahme sich zu einem Trend auswachsen würde, war anfangs sicher gar nicht abzusehen und so womöglich auch gar nicht geplant. Vorreiter des Bag-Layerings waren im Herbst 2014 Etienne Aigner und Balenciaga, damals noch unter der Ägide von Alexander Wang. Aigner hatte damals in Mailand eine Tote-Bag, sprich eine luxuriöse Variante der klassischen Einkaufstasche, mit einer Clutch kombiniert – und damit viel Aufsehen erregt. Balenciaga hatte in Paris mit mehreren, verschiedenfarbigen Shopping-Bags an der Hand seiner Models nachgezogen. Pop-Star und Fashion-Ikone Rihanna war davon offenbar so begeistert, dass sie sich in New York mit einer Dior-Kombi aus Henkeltasche und Tote-Bag auf der Straße gezeigt hatte.
Im Sommer 2015 waren Anya Hindmarch in London und Karl Lagerfeld für Miu Miu in Mailand dem Beispiel gefolgt. Im Herbst 2015 starteten J. W. Anderson und Dolce und Gabbana ihre ersten Versuche mit Multiple-Bags. 2016 war die ungekrönte Influencerinnen-Queen Chiara Ferragni in Mailand in einer Triple-Mini-Bag-Kombi von Fendi gesichtet worden, was laut „Vogue" ziemlich „matchy-kitsch" wirkte. Aber Ferragni hat fraglos stets das richtige Feeling für neue Trends, denn der Hype um Handtaschen-Layering nahm eigentlich erst in Verbindung mit dem Comeback der Mini-Bags so richtig Fahrt auf.
Mehrere kleinere Teile lassen sich halt besser zusammen transportieren als Kombis mit größeren Formaten. 2017 war der Double-Bag-Trend dann nicht nur auf den Catwalks von Valentino, Gucci (Triple-Bags-Präsentation), Coach, Anya Hindmarch und Dolce und Gabbana zu bestaunen. Hinzu kamen It-Girls wie Kendall Jenner, Gigi Hadid oder Susanna Lau mit einem Loewe-Mix aus Crossbody-Bag und Clutch oder Helena Bourdon mit einem Dior-Doppel. 2018 wurde der Trend verstärkt durch das vor allem von Chanel und Céline forcierte Auftauchen von PVC-Taschen, die ebenso wie die wieder in Mode gekommenen Netz-Einkaufstaschen bestens dazu geeignet waren, eine zweite Bag darin unterzubringen.
Im nahenden Sommer erhält das Handtaschen-Layering dank Chanel endgültig den Trend-Segen. Karl Lagerfeld ließ im Pariser Grand Palais verschiedene Double-Bag-Kombinationen vorführen, mal eine klassische Handtasche mit einer Tweed-Variante, mal zwei gleich große rote Lederhandtaschen, die mit einem an einem Umhängeriemen befestigten Clip miteinander verbunden waren, mal eine Tote-Bag mit Schultertasche.
Lagerfeld blieb auch bei Fendi in Sachen Multiple-Bags mit am Ball, aber auch Labels wie Gucci, Loewe, Maison Margiela (identische kleine und große Umhängetasche), Stella McCartney (Tote-Bag mit Schultertasche) oder Givenchy (identische Handtaschen in kleiner und großer Version) sind auf den Trendzug aufgesprungen. Das deutsche Modemagazin „Elle" jubilierte gleich mit der alten Weisheit: „Doppelt hält besser!" und hievte die Multi-Bags flugs auf Platz eins der im Sommer angesagtesten Handtaschen-Trends. „Wichtig dabei: Sie sollten sich in Material, Logo-Print oder Farbe ähneln. Am besten kombiniert man ein großes mit einem kleineren Modell."
Praktisch im Job und der Freizeit
Auch das People-Magazin „Bunte" meinte, seinen Leserinnen Tipps für die möglichst perfekte Taschenkombi geben zu müssen: „Nur eine Clutch ‒ und da soll alles reinpassen? 2019 liegt die Double-Bag voll im Trend. Du kannst also mit gleich zwei Handtaschen die Straßen unsicher machen. Das ist ziemlich praktisch auf dem Weg zur Arbeit, aber auch in der Freizeit: In den kleineren Taschen kannst du prima Geldbeutel und Kreditkarten verstauen, in den größeren alles, was du sonst noch brauchst oder einfach nur gerne dabei hast. Deiner Kombinationsfreude sind dabei kaum Grenzen gesetzt. Ein Hingucker: Trage zwei gleiche Taschen über Kreuz."
Angesichts der teils wilden, offenbar bewusst stilbrechenden Taschen-Mixturen auf den internationalen Laufstegen sind wir doch verwundert darüber, dass überhaupt in den diversen Medien so viele Ratschläge für eine perfekte Taschen-Kombination erteilt werden.
Dabei braucht sich frau anders als beim allmorgendlichen Kopfzerbrechen vor dem Kleiderschrank dem Beispiel vieler Designer folgend eigentlich kaum groß Gedanken über die Taschenwahl zu machen. Klar, mit gleichem Material oder identischer Farbe ist frau immer auf der sicheren Seite. Aber genauso gut kann sie, wie Stella McCartney, eine Häkel-Tote-Bag mit einer für die Britin typischen Kunstledertasche verbinden. Dann ist zwar keine Harmonie vorhanden, aber Stilbruch ist ja nun mal angesagt. Daher kann frau in Sachen Multiple-Bag eigentlich keinen Styling-Fehler machen. Ob sie diesen Trend überhaupt mitmachen muss, ist allerdings eine ganz andere Geschichte. Wie wär’s einfach mit einer klassischen Tasche im Mittelformat, die garantiert alles Nötige aufnehmen kann?