„Smart Clothing" ist weltweit auf dem Vormarsch. Der Trend wird viele Bereiche des Alltags revolutionieren können, aber wahrscheinlich vor allem im Sport- und Gesundheitsbereich gefragt sein.
Längst hat die Künstliche Intelligenz in unserem Alltag Einzug gehalten, von selbstfahrenden Autos bis hin zu immer besseren Online-Sprachübersetzungsprogrammen oder digitalen Assistenten wie Alexa oder Cortana. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch unsere Kleidung nicht mehr bloß zum Anziehen da sein soll, sondern durch eine Kombination von Mode und moderner Technik jede Menge Zusatznutzen jenseits von coolem Look oder funktionalem Wärmen bieten kann.
Das Schlagwort in diesem Zusammenhang lautet Smart Clothing oder auch Smart Clothes, worunter intelligente Kleidung verstanden wird. Dabei handelt es sich um Textilien, die durch Integration von Elektronik, Sensoren oder High Tech-Fasern dem Träger jede Menge nützliche Hilfen im Alltag bieten können. Es handelt sich um einen zukunftsträchtigen Milliarden-Markt, bei dem die Sportbekleidung im Mittelpunkt stehen dürfte, aber auch neue Lifestyle- und Entertain-Produkte, Fashion-Pieces oder Gesundheitsprävention eine wichtige Rolle spielen dürften. Riesenkonzerne wie die Telekom oder Global Player wie Google mischen bei diesem neuen Trend ebenso kräftig mit wie zahlreiche Start-up-Firmen oder auch Mode-Designer von Ralph Lauren bis Tommy Hilfiger.
Einer Forschergruppe der Universität von Maryland unter Leitung von Yu Huang Wang, Professor für Chemie und Biochemie, ist es laut einer im Februar 2019 im Magazin „Science" veröffentlichten Studie erstmals gelungen, ein Gewebe zu entwickeln, das den Wärmeaustausch mit der Umgebung automatisch regulieren kann. „Dies ist die erste Technologie, die es uns ermöglicht, den Durchgang von Infrarotstrahlung, also von Körperwärme, dynamisch zu steuern", so Huang Wang. Das neue Material soll dank einer perfekten Wärmedurchlässigkeit Abhilfe schaffen, sprich, wenn sein Umfeld warm und feucht ist, beispielsweise durch Schweißbildung auf dem Körper, kann der Stoff Wärme durchlassen, wenn die Bedingungen kühler und trockener werden, verringert das Gewebe die entweichende Wärmeabstrahlung.
Riesenkonzerne wie Google mischen mit
Das Geheimnis des Gewebes besteht darin, dass bei seinen Garnen zwei unterschiedliche synthetische Fasern miteinander kombiniert werden, wobei die eine Wasser aufnehmen und die andere Wasser abstoßen kann. Bei Kontakt mit Feuchtigkeit können sich die verwobenen Fasern ein wenig zusammenziehen, wodurch sich im Stoff kleine Poren, ähnlich der menschlichen Haut, öffnen, durch die die Körperwärme leichter austreten kann. Der Wärmeregulierungsprozess wurde zusätzlich befördert durch die Beschichtung der Faserstränge mit Kohlenstoff-Nanoröhrchen, einer speziellen Klasse von leichtem leitfähigem Metall auf Kohlenstoffbasis. Die Forscher hatten die Röhrchen punktgenau auf die Wärmestrahlung des menschlichen Körpers eingestellt, die im Bereich von zehn Mikrometern liegt. Bei trockenem Stoff sorgten die Röhrchen dafür, die Poren geschlossen zu halten, wodurch die Wärmestrahlung blockiert wurde, beim Auftreten von Feuchtigkeit ließen sie die menschliche Infrarotstrahlung durch die offenen Poren in dem sich zusammenziehenden Stoff entweichen. Bei Überprüfungen des Absorptionsverhaltens des Stoffes konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass er im feuchten Zustand rund 35 Prozent mehr Wärme abfließen ließ als wenn er gewissermaßen im Trockenen war.
„Obwohl wir das Design und die Leistung unserer Technologie noch optimieren", so Min Ouyang, Professor für Physik an der Universität von Maryland und Mitautor der Studie, „ist das Garn bereits verfügbar." Noch wurde allerdings kein komplettes Kleidungsstück präsentiert, das im Verlaufe des Studienprozesses angefertigte Stück Stoff war nur einen halben Quadratmeter groß.
Häufig wird Smart Clothing aber auch im Sinne von elektronischen Textilien verstanden. Somit ist die intelligente Kleidung eine logische Weiterentwicklung der sogenannten Wearables, jenen Computersystemen, die in der Regel beim Sport am Körper mitgetragen werden, beispielsweise Fitnessbänder, Brillen oder Aktivitätstracker, die laut dem digitalen Branchenverband Bitcom seit Jahren boomen und mit denen allein auf dem europäischen Markt ein Umsatz von fast neun Millionen Euro jährlich gemacht wird. Beim elektronischen Smart Clothing, auch „Electronic Wearables" genannt, wird der Mini-Computer in die Kleidung integriert, wodurch eine immer höhere Rechenleistung auf immer kleinerem Raum ermöglicht wird.
Gesundheits- und Bewegungswerte
Noch sind die meisten Entwickler nicht so weit, dass sie die in der Regel auf Sensoren basierende elektronische Technik vollständig und gleichsam unsichtbar in den Klamotten verschwinden lassen können. Es gibt noch einige offene Probleme: Die Kleidung muss trotz Elektronik dehnbar und robust sein, Waschgänge unversehrt überstehen können, und sie muss in irgendeiner Form mit Energie versorgt werden. Bislang benötigen die schon verfügbaren smarten Klamotten kleine Zusatzgeräte wie Magnete, Druckknöpfe oder Klett- und Reißverschlüsse, die mit Hilfe von leitenden, in die Stoffe eingearbeiteten Metallfäden nicht nur für die Stromversorgung verantwortlich zeichnen, sondern in denen auch die von den Sensoren der Kleidung gewonnenen Daten gesammelt und an das eigene Smartphone weitergeleitet werden. Künftig könnten Solarzellenstoffe oder Batteriestoffe, die bereits in der Entwicklung sind, die Zusatzgeräte überflüssig machen. Die wasserfesten, flexiblen und ultradünnen Solarzellen könnten auf Textilien aufgedruckt werden.
Mit Hilfe der elektronischen Kleidung können nicht nur wichtige Körper- und Umgebungsdaten, sondern auch zahlreiche Gesundheits- und Bewegungswerte gemessen werden. Daher werden dieser speziellen Kleidung neben dem Sport vor allem im Gesundheitswesen die größten Chancen eingeräumt. Durch unkomplizierte ständige Überwachung der Atem- und Herzfrequenz sowie weiterer zentraler Vitalfunktionen könnte vielen, vor allem chronisch kranken Menschen geholfen werden. Ständig werden derzeit neue Anwendungen präsentiert, beheizbare Funktionsunterwäsche, intelligente Sportschuhe, die die durchschnittliche Geschwindigkeit und den Kalorienverbrauch ermitteln, Laufshirts, die die zurückgelegte Strecke und den Puls beim Joggen messen, Yogahosen, die den Träger durch Vibrationen zur perfekten Körperhaltung animieren, Multimedia-Jacken mit MP3-Playern oder eingebauten GPS-Geräten, Lederhosen mit Bedienfunktionen fürs Mobiltelefon oder eine Ski-Jacke als Smartphone-Akku sind da schon fast ein alter Hut.
Es gibt in den USA smarte Socken für Babys, die während des Schlafs den Herzschlag und Sauerstoffgehalt im Blut messen und bei Unregelmäßigkeiten Alarm schlagen können. Auch an Socken für Diabetiker, die eine Fußentzündung vorzeitig registrieren können, wird geforscht. In der Arbeitswelt ist elektronische Kleidung schon im Einsatz, beispielsweise auf Ölplattformen, wo mit Biosensorik ausgestattete Kleidung vor Erfrierungen warnt. Bei Katastrophen wie Lawinen könnte das Auffinden der Vermissten dank smarter Kleidung mit GPS-Funktionen erleichtert werden. Ein in die Motorradkleidung integriertes elektronisches Airbag-System könnte gefährliche Stürze abfedern.