Ein Mann hat eine Mission: den Berlinern frisches, zeitgenössisches und qualitätsvoll gekochtes Essen wie in seiner Heimat nahezubringen. Inhaber Suhasish Chakraborty vom „Bombay Café Bunty’s" in der Knesebeckstraße hat aber auch seinen Küchenchef Ragbir Singh. Der testete nach der Eröffnung erst einmal einige Monate, wie viel Schärfe Berliner aushalten.
Es wurde nachgewürzt und angeschärft! Gut, dass ich ein zweites Mal erst ein Dreivierteljahr nach der Eröffnung wieder ins „Bombay Café Bunty’s" gegangen bin. Beim ersten Dinner im Oktober wirkten die spannend und abwechslungsreich angelegten indischen Gerichte, die so keineswegs häufig in Berliner Restaurants anzutreffen sind, selbst für deutsche Esser verblüffend mild und dadurch etwas flach. Das ist jetzt glücklicherweise anders. Küchenchef Ragbir Singh hat sich schrittweise an die Geschmacksbefindlichkeiten seiner Berliner Gäste und an ihr Schärfe-Empfinden herangetastet, wie er verrät: „I spiced up from 20 percent to 60 percent." Eine gute Entscheidung, sich von 20 auf 60 Prozent Intensität zu steigern. So braucht es gar nicht viele Vorspeisen und Hauptgerichte, um klarzumachen, wo die Gewürzfässchen in der Küche hängen.
„Solch ein Restaurant könnte man genauso auch in Bombay finden", sagt Inhaber Suhasish Chakraborty, dessen Nickname „Bunty" sich im Restaurantnamen wiederfindet. Der 30-Jährige ist in Bombay ebenso wie in London und nun auch in Berlin zu Hause. Er war 2008 das erste Mal als Tourist in der Stadt, kam wieder, blieb hier und nahm sich vor, mit seinem Lokal den Berlinern „a taste of modern India", einen zeitgenössischen Geschmackseindruck indischer Küche, zu vermitteln.
An den Pfannen und Töpfen erledigen das in Taten Chef Ragbir Singh und sein dreiköpfiges Team – mit Gerichten, die in einer Liga deutlich jenseits von sahnigen Einheits-Curry-Saucen mit Gläschen-Masala spielen. Bestes Beispiel: ein Lamm-Curry auf einem Reismehl-Pfannkuchen, das auf den klangvollen Namen „Lamm Curryblatt Hopper" hört. Es hat die gemütliche Konsistenz eines sehr, sehr lang geschmorten Gulaschs wie bei Muttern. Nur dass in diesem Fall eine indische Mutter, beziehungsweise deren Koch oder Köchin gefragt gewesen wäre. Das Lamm wurde über Nacht mit Gewürzen buttrig und weich geschmort. Ein wenig zimtige Süße kommt von hinten angenehm durch. Es ist geschmeidig, kraftvoll, aber nicht soßig.
„Ihr müsst heiß essen", mahnt Chakraborty, als wir uns immer weiter ins Gespräch mit Chef Ragbir vertiefen. „Indisches Essen muss man heiß essen!" Recht hat er. Der aus Reismehl mit Kokosmilch bereitete Pfannkuchen ist die dünne, am Rand angebräunte Basis. Ein auf dem Curry abgelegtes Spiegelei wird von unseren Gabeln zerstört und ist mit seinem zerfließenden Eigelb eine zusätzliche cremige Klammer. Dass Zeit, gute Zutaten und der Wille, ein qualitätsvolles wie ansehnlich angerichtetes Essen das Ziel der Küche im „Bombay Café Bunty’s" sind, ist aus jedem Bissen herauszuschmecken. Alles findet jenseits von Kitsch und gebührend international statt. Eine in einen Sari gehüllte Mona Lisa linst von der Wand herunter auf die Teller. Im Hintergrund fordert ein roter Neon-Spruch die Gäste auf: „Be nice or fucking leave". Anklänge von Street Art treffen auf ironische Folklore-Zitate.
Neue Karte ab Anfang Juni
Englisch ist gewissermaßen Haussprache, aber im Service ist immer jemand des Deutschen mächtig. Die persönliche Empfehlung vor und die Frage nach dem Essen, ob und vor allem wie es geschmeckt habe, gehören zum Service dazu. Indisches Essen zu servieren, das sich nicht auf eine spezielle Region beschränken, sondern das zeigen will, was Chakraborty als authentisches und zeitgenössisches Essen ansieht, ist ein in Deutschland immer noch reichlich erklärungsbedürftiges Geschäft. Aber gut. Wer wüsste vergleichsweise bei „europäischem Essen" einem asiatischen Genießer Smörrebröd, Bacalao, Pirogi und Pizza Margherita auf einer einzigen Karte kompakt und verständlich nahezubringen?
In der neuen Karte, die Ragbir Singh ungefähr Anfang Juni umsetzen will, sollen noch mehr Kebabs ihren Platz finden. Im Tandur, dem charakteristischen Lehmofen, werden Fleisch, Fisch, Paneer-Käse und Naan-Brote an hängenden Spießen gegrillt oder seitlich „klebend" gebacken. Doch der Tandur wird erst ab 15 Uhr geheizt. Deshalb sind die Tandoori-Gerichte und das Naan dem Abendgeschäft vorbehalten.
Auf der Mittagskarte stehen eher Streetfood-Snacks wie „Chaats" mit Grünkohl und Tempura oder Süßkartoffeln, ein Garnelen-Curry oder eine vegetarische Bombay-Thali-Platte mit verschiedenen Gemüsecurrys. Für Ragbir Singh, der zuvor in Afrika lebte und kochte, ist Berlin die erste Station in Europa. Er stellte fest: „Die Deutschen wollen echtes indisches Essen." Mit dem unverbrauchten Blick von außen betrachtete er die Faktoren, die die Zubereitung und den Verzehr dieses „authentic food" hierzulande beeinflussen. Zum Beispiel das Wetter: „Scharfes Kebab gehört in heißes Klima, aber in Deutschland ist es meist kühl." Nun, sollte der Sommer 2019 ebenso ausfallen wie der vorjährige, kann ihm diese Sorge genommen werden. Wenn die 60 Prozent Schärfe schon mal die sind, die sich auf dem Gemüsebällchen nach Kalkutta-Art befinden, dann wären wir für einen heißen Sommer jedenfalls ordentlich gewappnet!
Auf den Donut-großen gebackenen Kissen aus Beten, Kartoffeln und Karotten thront ein angriffslustiger kleiner Tomaten-Granatapfel-Salat mit Senfschleifen nicht nur zur Zierde. Die haben es im Verbund mit der Sriracha-Chilisauce in sich. Wir verstehen sofort, weshalb die Pflanze „Brauner" oder „Indischer Senf" Grundlage für die scharfe Dijon-Variante ist. „Das ist wie in der malaysischen Küche", bemerkt die vielgereiste Begleiterin. „Nach zwei Jahren in Deutschland habe ich das ganz vergessen."
Gutes kostet eben immer etwas mehr
Chakraborty versucht uns und unsere Geschmacksnerven verbal zu beruhigen: „Das ist noch nicht so scharf wie in Kalkutta." Wir bleiben dennoch lieber „Team 60 Prozent". Schön, dass das Glas mit dem so richtig schön klischeehaften Mango-Lassi, den die Begleiterin und ich lieben, noch nicht ausgetrunken ist. Der dicke Joghurt-Drink darf seinen Job erledigen und nicht nur mit seinem Kardamom-Extra besonders gut schmecken, sondern uns wieder neutralisieren. Schließlich warten drei doppelreihige Lammkoteletts unter ihrer roten Marinaden-Haube aus Joghurt, Paprika und Garam Masala auf uns. Sie wurden „doppelt gekocht" – zunächst in Folie geschmort, dann im Tandur knusprig zu Ende gegrillt. Wir schneiden uns dicke Scheiben um die Knochen herum ab und erfreuen uns am heißen, würzigen Fleisch.
Und ja, sämtliche Gerichte kosten ein dieser Güte angemessenes Geld – die nördlichen „Peshawari Lamb Chops" werden wie die im Süden verbreiteten „Lamm Curryblatt Hopper" für 18,90 Euro serviert. Die scharfen Gemüsebällchen aus Kalkutta kosten 10,90 Euro. Das ist in Anbetracht der guten Produktqualität kein Wunder, denn wie in jeder Küche gilt: Ist das Grundprodukt sehr gut, kommt schon in einfacher Zubereitung ein gutes Gericht heraus. Bei aller Liebe zum authentischen Geschmack und der Bereitschaft zum Ausprobieren, müssten so manche Gäste erst daran herangeführt werden, dass „indisches Essen nicht billiges Essen heißt", erzählt Chakraborty.
Weil die indische Küche überdies zwar ein großes Faible für sehr aufwendig zuzubereitende Süßigkeiten hat, gibt’s im „Bombay Café Bunty’s" eine gut vorzubereitende Dessertauswahl, die international angehaucht und auf charmante Art „indianized" ist.
Wer noch etwas mehr Platz hat, wählt vielleicht ein „Nutella Naan" oder einen Brownie mit Gulab Jamun, den kleinen frittierten Milch-Teigbällchen in Rosenwasser-Sirup. Ich nehme den indisch-italienischen Abzweig mit einer „Basundi Pannacotta", die auf Kondensmilch basiert. Die Himbeeren und Heidelbeeren obenauf täuschen an – die fruchtige Note und die „Körnchen" im Inneren sind aus Passionsfrüchten.
Die Creme kommt so frisch und leicht rüber, wie sie bei einer Sekunde Nachdenken über die Zutaten gar nicht sein kann. Das ist gut fürs Hüftgold, aber schlecht fürs kulinarische Gewissen. Wir nehmen mit leichtem Herzen, wenn auch nicht mehr ganz leichtfüßig Abschied. Es wird gewiss kein weiteres halbes Jahr brauchen, um erneut zu schauen, wie sich die neuen Kebabs, die Gewürz- und Schärfe-Prozente und die Gerichte aus Ragbir Singhs Küche weiterentwickelt haben werden.