Lange Zeit haderte Renault mit sich selbst, ob man eine Neuauflage der Berlinette angehen sollte. Seit rund einem Jahr ist nun die Alpine A110 auf dem Markt – und hat sich bei Autofans bereits fest etabliert.
Der Mann an der Ampel macht eine kurbelnde Bewegung mit seinen Händen – ich öffne das Fenster. „So eine bin ich früher auch gefahren", ruft er mir fröhlich entgegen, und seine Augen strahlen vor Freude. Er mustert das Auto in dem ich sitze noch eine Weile, dann geht die Schaltung auf Grün, und unsere Wege trennen sich wieder. „Sehen Sie", sagt Marc A. Jacob schmunzelnd: „Nur Bewunderer, keine Neider." Er ist als Alpine Advisor der erste Ansprechpartner in Saarbrücken, wenn es um die Alpine A110 geht, das soeben bewunderte Fahrzeug.
Er ist auch der Fahrer bei unserer Probefahrt. Wobei die in der Formel 1 geläufige Bezeichnung Pilot zutreffender ist. Denn in der Neuauflage des Sportcoupés A110 Berlinette steckt so komplexe und hochwertige Technik, dass man tatsächlich meint, in einem Cockpit zu sitzen. Für diesen Eindruck sorgen alleine schon die Aluminium-Schaltwippen am Lenkrad. Zwar ist die Alpine serienmäßig mit Automatikschaltung ausgestattet. Doch will man in den kompletten Fahrgenuss kommen, stellt man diese aus und schaltet eben per Hand. Auswählen kann man zwischen den Modi Normal, Sport und Track. Wir fahren im Sport-Modus. Track wäre geboten, wenn man die Alpine beispielsweise auf Rennstrecken wie dem Nürburgring oder dem Hockenheimring fährt. „Dann werden alle Hilfssysteme abgeschaltet", wie Jacob erklärt.
Nach dem Start im Alpine Centre, einem vor rund einem Jahr eröffneten Neubau, der der Autogalerie Saar in Saarbrücken-Malstatt angegliedert ist, fahren wir einen kurzen Weg durch die Stadt – und dann auf die Autobahn Richtung Riegelsberg. Dort darf die Alpine erstmals zeigen, was unter ihrer Haube steckt. Kurz drückt der Pilot aufs Gaspedal, und ich werde in den Sitz gedrückt. Ich fühle mich wie in einem „Star Wars"-Film, wenn die Raumschiffe den Hyperraum betreten und die Lichtstreifen nur so vorbeifliegen. Das liegt daran, dass wir eine g-Kraft von 0,9 spüren. Kurz freue ich mich darüber und stelle mir vor, in einer Astronautenkapsel zu sitzen. Bei weiterer Recherche stelle ich fest, dass die Apollo-Fahrer beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre rund 7 g aushalten müssen. Bei einer Kinderschaukel können es immerhin 2 g sein.
In 4,5 Sekunden auf Tempo 100
Dank ihrer extremen Leichtbauweise wiegt die Alpine lediglich 1.080 Kilogramm. Zum Vergleich: Mein eigener i30 von Hyundai wiegt rund 1.300 Kilo, ähnlich wie ein Golf. Das geringe Gewicht der Alpine-Neuauflage wird erreicht, indem einzelne Komponenten zur Aufhängung und die Karosserie aus Aluminium gefertigt werden. Zudem sind einzelne Teile der Karosserie verschweißt und vernietet. „Die einzigen, die vom Leistungsgewicht her mithalten können, sind der Porsche Cayman und der Alfa Romeo 4C", sagt Marc A. Jacob. Für eine weitere Einsparung beim Gewicht sorgen außerdem die Sportsitze des Edelfabrikaten Sabelt, die jeweils nur 13,1 Kilo auf die Waage bringen. Die Alpine ist natürlich ein Zweisitzer. Dem Gedanken eines Sportwagens entsprechend ist der Einstieg relativ niedrig, was den reinen Fahrspaß jedoch nur vergrößert.
Zu den wenigen Kilo kommt der leistungsstarke Mittelmotor mit Heckantrieb. Wir fahren einen serienmäßigen Vierzylinder mit Turbolader und 1,8 Liter Hubraum. Die maximale Leistung liegt bei 252 PS respektive 185 kW. Das bedeutet 4,3 kg/PS oder 233 PS/Tonne. Damit kann die Alpine von 0 auf 100 km/h in 4,5 Sekunden beschleunigen. Die Kraftübertragung ist dank Automatik-Doppelkupplungsgetriebe mit sieben Gängen sichergestellt. Da das Auto zudem noch verlängerte Sport-Bremsen hat, ist die Sicherheit gewährleistet – man kann ebenso schnell bremsen wie beschleunigen. Gefahren wird mit 18-Zoll-Leichtmetallrädern, einer Sondermischung von Michelin.
Die Test-Alpine, die für Probefahrten zur Verfügung steht, ist das Modell Légende mit fast kompletter Vollausstattung. Das Testfahrzeug hat Komfortsitze mit Sechs-Wege-Verstellung, wahlweise braune oder schwarze Lederbezüge sowie ein gehobenes Audiosystem von Focal. Als optische Highlights stechen die polierten Karbonfaser-Innenverkleidung und die glanzgedrehten Räder hervor. Die Einparkhilfe für vorne und hinten per Rückfahrkamera ist serienmäßig, beim zweiten Modell Pure optional. Die Pure hat außerdem 17-Zoll-Leichtmetallräder mit zehn Speichen, Sitzbezüge aus Leder und Mikrofaser, und die Innenverkleidung ist aus matter Karbonfaser. Außerdem ist die Optik des Modells Pure an die A110 Berlinette angelehnt. Das ist jenes unter Autofreunden legendäre Geschoss, das 1973 die Rallye in Monte Carlo gewann. Mit der ebenso leichten wie verspielten Bauweise wussten sowohl seinerzeit die Berlinette- als auch jetzt die Alpine-Autofans zu begeistern. Gebaut wurde sie zwischen 1961 und 1977 vom damaligen Hersteller Alpine, der mittlerweile zu Renault gehört. Deren Entwickler wiederum spielten bereits 2012 mit dem Gedanken einer Neuauflage, doch erst vor rund einem Jahr erfolgte die Erstauslieferung der Premiere Edition. Diese lief so gut, dass die auf 1.955 Stück limitierte Auflage innerhalb kürzester Zeit ausverkauft war, sagt Jacob.
1.955 Exemplare sofort vergriffen
Die Alpine schafft es, Fahrkomfort und Handling zwischen täglichem Gebrauch und Nutzung auf der Rennstrecke ziemlich gut in Balance zu bringen. Viele der Käufer seien emotional mit der Alpine verbunden, hätten selbst noch eine Berlinette in ihrem Besitz, wie Jacob erklärt. Optisch richtig was her macht das Geschoss in Blau – wobei die Farbe dann natürlich Bleu Alpine heißt. Zur Auswahl stehen außerdem Bleu Abysse, Gris Tonnere, Noir Profond, Blanc Irisé und Blanc Glacier.
Nun ist die A110 also dem Geist des Vorgängermodells treu geblieben und hat ein Design wie aus einem Guss. Im Online-Auftritt heißt es dazu: „Die Außenhaut schmiegt sich wie ein Maßanzug um das Antriebsaggregat; dazu kommen Features wie die Tiefe von Sitzposition und Schwerpunkt, die aufregend gewölbte Heckscheibe, nach innen gezogene Flanken und akzentuierte Radkästen." Der Alpine Advisor nennt es schlicht: „Die Perfektion der Leichtigkeit". Klassisch, leicht und sexy soll sie sein – gelungen.