Wegfahrsperren könnten alkoholbedingte Verkehrsunfälle verhindern
Eigentlich sollte man von jedem Kraftfahrer erwarten können, dass er weder sich noch andere im Straßenverkehr bewusst gefährdet. Doch leider sind Sicherheitsbedürfnis und Verantwortungsbewusstsein bei jedem unterschiedlich stark ausgeprägt. Das zeigt sich etwa daran, dass hierzulande nicht wenige Kraftfahrer unter Alkoholeinfluss ins Auto steigen und losfahren. 2017 zählte das Statistische Bundesamt in Deutschland 13.343 Alkoholunfälle mit Verletzten. Zwar gehen seit Jahren die alkoholbedingten Verkehrsunfälle stetig zurück, doch es sind immer noch zu viele.
Die gesetzlich vorgeschriebene 0,5-Promille-Grenze (ausgenommen Fahranfänger in der Probezeit und Personen unter 21 Jahren), Tempolimits und Anschnallpflicht haben offenbar die Verkehrssicherheit hierzulande nicht deutlich verbessert. Seit Jahren diskutieren Experten über den Einsatz sogenannter Alkolocks. Als Alkolock bezeichnet man eine atemalkohol-gesteuerte Wegfahrsperre. Ein in einem Fahrzeug eingebautes technisches System hindert nach einer Messung alkoholisierte Personen daran, den Motor eines Fahrzeugs zu starten.
Die präventive Wirkung der Alkolocks kann verhindern, dass Menschen verletzt werden, ihre Technik ist aber noch störanfällig, denn die Systeme sind nach wie vor leicht zu manipulieren. Ein stark betrunkener Fahrer, der partout darauf besteht, selbst zu fahren, kann einen Freund oder die Ehefrau ins Alkolock-Röhrchen pusten lassen. Vorausgesetzt, die Beifahrer sind nüchtern oder haben zumindest weniger Alkohol intus. Der alkoholisierte Fahrer könnte die drohende Sanktionierung genauso gut umgehen, indem er einen Jugendlichen bittet, an seiner statt zu pusten.
Die EU-Kommission hat unlängst vorgeschlagen, eine standardisierte Schnittstelle für Alkohol-Interlocks verpflichtend in alle Neufahrzeuge einzubauen. Überraschenderweise stößt dieser Vorschlag bei der Autofahrerlobby auf Zustimmung. Der ADAC hält eine Verpflichtung, wonach Neufahrzeuge eine Schnittstelle für den Einbau einer solchen Wegfahrsperre vorhalten müssen, für sinnvoll – sofern die Kosten dafür in vertretbarem Rahmen bleiben. Aber: Ein verpflichtender Einbau von Alkohol-Interlocks wäre nach Ansicht des ADAC schlichtweg unverhältnismäßig. Um die Gefahr der Manipulierbarkeit zu minimieren, regten Experten Anfang dieses Jahres auf dem 57. Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar an, den Einsatz eines in Alkolocks integrierten Gesichtserkennungssystems prüfen zu lassen. Die Sachverständigen des Deutschen Verkehrsgerichtstages wie auch die Lobbyisten des ADAC fordern übrigens die Einführung von Alkohol-Interlock-Programmen für alkoholauffällige Kraftfahrer mit Promillewerten von 1,1 bis 1,59 Blutalkoholkonzentration. Das heißt: Alkolocks in Kombination mit einer psychologischen Begleitung. Wenn es nach dem Willen der Experten geht, soll das Ganze in einem Pilotprojekt getestet werden.
Dabei liegen längst wissenschaftliche Erkenntnisse vor, die belegen, dass diese Systeme das Risiko der Rückfälligkeit vermindern und langfristig das Verhalten ändern. Allerdings mit einer entscheidenden Einschränkung: Das positive Ergebnis wurde nur mit begleitenden Rehabilitationsmaßnahmen erzielt.
Wenn die schwarz-rote Bundesregierung in ihrem aktuellen Koalitionsvertrag verlautbart, den „rechtssicheren Einsatz moderner technischer Hilfsmittel wie zum Beispiel Alkolocks" zu ermöglichen, ist völlig unklar, wie ernst sie es mit diesem Vorhaben meint. Denn der Einsatz der Systeme ist äußerst komplex. Neben rechtlichen und technischen Fragestellungen gilt es vor allem Fragen des Datenschutzes zu beachten.
Ohne jetzt gleich den moralischen Zeigefinger erheben zu wollen: Niemand kann mit 1,1 Promille und mehr im Blut noch glaubwürdig behaupten, dass Reaktions- und Orientierungsvermögen wie Sehfähigkeit nicht beeinträchtigt seien. Warum steigen also – gegen jede Vernunft – stark alkoholisierte Kraftfahrer dann trotzdem in ihr Auto?
Vermutlich, weil die wenigsten erkennen, dass unter Alkoholeinfluss ihre Kritikfähigkeit deutlich abhandengekommen ist. Und weil vermutlich der Wunsch nach mobiler Autonomie größer ist als der Wunsch, ein Taxi für die Heimfahrt zu rufen.