Nächstes Jahr schickt die europäische Weltraumagentur Esa ein neues Fahrzeug auf den Mars. Mit an Bord: eine Hightech-Kamera, die bei der Suche nach Leben hilft. Getestet wird sie von einem Forscherteam in Basel.
Den Mars richtig in Szene zu setzen, ist gar nicht so leicht. Mal brennt die Sonne auf der staubigen Erde. Mal tobt ein Sandsturm. Dann wieder trübt ein rosa-grauer Schleier die Sicht. Fotos unter extraterrestrischen Bedingungen zu machen, gleicht einer Herkulesaufgabe, vor allem, wenn der Fotograf nicht selbst vor Ort ist. Damit es dennoch gelingt, holt sich Nikolaus Kuhn schmutzige Knie. Der Geografie-Professor der Uni Basel hockt in einem Haufen staubiger Erde: rotes Tongestein und graues Basalt-Granulat, fast wie auf dem Mars. Im Hintergrund hängt ein Stofftuch, das mit der Landschaft des roten Planeten bedruckt ist – Weltraum-Stimmung mitten auf der Erde.
„Wir versuchen die Mars-Landschaft möglichst realistisch nachzuahmen", sagt Kuhn, der mit Wissenschaftlern der Universität Basel, dem Space Exploration Institute aus Neuchâtel und dem Naturhistorischen Museum Bern die nächste Mars-Mission der europäischen Weltraumagentur Esa vorbereitet. Kuhns Aufgabe hat mit dem Fotografieren zu tun: Als Experte für Oberflächenprozesse weiß er, wie Gestein funktioniert und wie es am besten ausgeleuchtet werden muss. Schließlich sollen die Aufnahmen, die ab 2021 auf die Erde gesendet werden, gestochen scharf aussehen.
Zum Üben verwendet Kuhn ein Fahrzeug, das kaum größer ist als eine Getränkekiste. Das kleine Metallauto ist eine Miniatur-Version des Mars-Rovers, den die Esa nächstes Jahr auf die Reise ins All schickt. Am echten Rover werden später eine Stereokamera und ein hochauflösender Makroapparat sitzen, genannt Clupi („Close-Up Imager"). Im Labor muss sich Kuhn hingegen mit einer handelsüblichen Canon begnügen. „Das Prinzip ist das gleiche", sagt der Experte.
Mithilfe von Studioleuchten simuliert der Geograf unterschiedliche Sonnenstände. Licht, Schatten, Wind und Wetter: „Wir versuchen möglichst viele Parameter durchzuspielen", sagt Kuhn. Am Ende soll eine Art Gebrauchsanweisung entstehen, nach der sich die Esa richten kann. Ein Beispiel: „Wenn ich weiß, dass die Sonne niedrig steht und der Rover an einem bestimmten Punkt parkt, dann haben wir dort zu viel Schatten. Dann wäre es nicht sinnvoll, dort zu fotografieren." Eine Master-Studentin arbeitet gerade daran, einen solchen Katalog zu erstellen.
Rover folgt einem vorprogrammierten Kurs
Die Fahrtroute des Rovers will wohlüberlegt sein: Nicht nur Geröll und Gestein könnten das Fahrzeug ausbremsen. Auch tiefe Schluchten und steile Berge kommen auf unserem Nachbarplaneten vor. Zumal niemand ganz genau vorhersagen kann, an welcher Stelle der Rover landet. Zu viele Variablen spielen eine Rolle: der Eintrittspunkt in die Atmosphäre, das Wetter, der Zustand der Technik.
Gute Vorbereitung ist auch deshalb so wichtig, weil das Fahrzeug nach der Landung nicht live gesteuert werden kann. Wegen der langsamen Datenübertragung folgt der Rover einem vorprogrammierten Kurs. „Wir können mit wenigen Bildern pro Tag rechnen", sagt Kuhn. „Da müssen wir uns genau überlegen, was wir wo fotografieren." Im Kontrollzentrum werden die Aufnahmen schließlich ausgewertet; auch Kuhn wird dabei sein. „Es ist, als würden wir mit einer Lupe auf dem Mars herumlaufen."
So erhoffen sich die Wissenschaftler, Spuren von vergangenem – oder sogar aktuellem – Leben auf dem Mars zu finden. Das solarbetriebene Fahrzeug der Esa ist dabei nicht nur mit einer Kamera, sondern auch mit einem Bohrer ausgestattet. Er soll in Tiefen von bis zu zwei Metern vordringen und dort Proben entnehmen können. Der Roboter selbst soll diese dann vor Ort analysieren – zurück zur Erde können die Proben noch nicht geschickt werden; dies ist derzeit noch Zukunftsmusik.
Nikolaus Kuhn aus Basel ist dabei ein kleines Rädchen in einem Getriebe aus Hunderten von Forschern aus aller Welt. Bei der aktuellen Mars-Mission („ExoMars") arbeitet die Esa mit der russischen Weltraumbehörde Roscosmos zusammen. „ExoMars" selbst besteht aus zwei Teilen: Die 2016 gestartete Landesonde Schiaparelli stürzte nach einem technischen Fehler nahezu ungebremst auf den Mars. Im Sommer 2020 soll nun der Mars-Rover folgen und nach einer neunmonatigen Reise im März 2021 auf der Oberfläche landen.
Auch in den USA steht der rote Planet weiter im Fokus. Zwar hat Präsident Trump die Raumfahrtbehörde Nasa zuletzt wegen angeblich explodierender Kosten kritisiert. Auch möchte er so schnell wie möglich eine militärische Einheit im Weltraum („Space Force") gründen. Trotzdem bleiben die Amerikaner ihrem Ziel treu, bis 2030 den ersten bemannten Mars-Flug zu starten – so sieht es zumindest der Idealfall vor. Privatfirmen wie SpaceX oder BlueOrigin schwärmen gar von einem Weltraum-Tourismus, der in nicht allzu ferner Zukunft wahr werden könnte.
In Florida können sich künftige Astronauten schon heute auf eine bemannte Mars-Landung vorbereiten. Beim Weltraum-Bahnhof in Cape Canaveral wendet sich die Nasa gezielt an die Jugend. Wer möchte, kann per Simulator an die internationale Raumstation ISS andocken, um kurz darauf den „Grand Canyon" des Mars zu erkunden. Plakate zeigen Astronauten, die sich wildwestmäßig abseilen. Nachgebaute Satelliten und Fahrzeuge stehen zum Anfassen bereit.
Kuhn wird auch mit im Kontrollzentrum sitzen
Bei aller Euphorie kommt aber auch in Florida die Kritik an der Weltraum-Erforschung zur Sprache. „Die Dollars, die wir im All investieren, werden alle auf der Erde wieder ausgegeben", versichert eine Nasa-Mitarbeiterin. Ob Handys, Computer oder Krebsmedikamente: Vieles davon sei ohne die Grundlagenforschung im All undenkbar.
Wenn man Nikolaus Kuhn nach dem Sinn der europäischen Mars-Mission fragt, wird er leidenschaftlich. „Die Mars-Oberfläche ist viel älter als die der Erde", erklärt der Geograf. Das Zusammenspiel von Sonne und Atmosphäre lasse sich dort viel besser erforschen. „Ein solches Archiv haben wir auf der Erde nicht. Auch aus biologischer Sicht ist die Mission hochinteressant."
Er selbst hat schon einiges mitgemacht, um sich auf „ExoMars" vorzubereiten. 2016 nahm er an einem Parabelflug teil, bei dem die Schwerkraft auf dem Mars simuliert wird. Das Experiment lieferte die Vorarbeit für die Mars-Mission: Auch dort wird sich Kuhn damit befassen, wie sich kleinste Partikel bei veränderter Schwerkraft bewegen. So lassen sich womöglich Rückschlüsse auf Wasservorkommen ziehen.
Bis die Mission startet, ist noch einiges zu tun. Ausschließlich auf sein Mars-Labor will sich der Geografie-Professor bei seinen Vorbereitungen nicht verlassen. Auf Teneriffa möchte er den Miniatur-Mars-Rover noch einmal unter realistischen Bedingungen testen: vulkanisches Gestein, Staub und Geröll.
Wenn der echte Mars-Rover schließlich gelandet ist, wird auch Kuhn mit im Kontrollzentrum sitzen. Auf Grundlage der Fotos entscheidet er mit darüber, an welchen Stellen es sich lohnt, Bodenproben zu entnehmen. „Dann müssen die Bilder aber auch gut sein", sagt der Wissenschaftler und lacht. Einen Blitz hat die Kamera des Mars-Rovers nämlich nicht an Bord – um Gewicht zu sparen.