Vor 40 Jahren starb der personifizierte Prototyp des amerikanischen Western-Helden. Als Schauspieler war John Wayne hoch angesehen, wegen seiner erzreaktionären politischen und rassistischen Einstellung war er aber auch gleichermaßen heftig umstritten.
Ein letztes Mal schwang sich John Wayne 1976 in seiner Paraderolle als raubeiniger Held aufs Pferd und schlüpfte in die Rolle des John Bernard Books in Don Siegels Spätwestern-Opus „Der letzte Scharfschütze". Drei Jahre später konnte sich der „Duke", wie er genannt wurde, nicht mehr länger den Attacken seiner Krebserkrankung erwehren, die ihn seit 1964 immer wieder heimgesucht hatte. Siegel hatte Wayne in seiner letzten Rolle denn auch einen krebskranken, dahinsiechenden Western-Helden spielen lassen, der in einem finalen Countdown einen würdevollen Tod fand. Als im Juni 1979 abzusehen war, dass es mit dem Mann, der im Kino so ziemlich jede Uniform getragen hatte, in denen je Amerikaner unter dem Sternenbanner gekämpft hatten, zu Ende ging, wurde sein Sterben ganz im Stile Hollywoods inszeniert. Selbst Präsident Jimmy Carter ließ es sich nicht nehmen, am Krankenbett zu erscheinen. Carters späterer Amtsnachfolger Ronald Reagan würdigte nicht nur den Schauspieler, sondern auch den Menschen John Wayne: „Niemand vertritt die Werte unseres Landes so wie er."
Dabei dürfte er auf die für Wayne typische Verbindung von glühendem Patriotismus und betonter Männlichkeit angespielt haben. Für John Wayne waren die Kinorollen nicht nur Kunstprodukte, sondern er konnte sich mit ihnen auch persönlich dank der damit verbundenen Mythisierung der nationalen Geschichte identifizieren. Der „Spiegel" bezeichnete ihn sogar als „Adam des amerikanischen Kinos". Eigene Schwächen wie Fremdenfeindlichkeit und Kriegstreiberei oder politischen Erzkonservatismus samt geradezu hysterischem Kommunistenhass hat Wayne nicht als solche erkannt.
Selbst sein Tod war ganz großes Kino
Es machte ihm offenbar auch nichts aus, als bekennender Rassist dreimal iberoamerikanische Frauen vor den Traualtar zu führen: Josephine Alcia Saenz 1933, Esperanza Baur 1946 und Pilar Pallete 1954. Und es dürfte ihm kaum schlaflose Nächte bereitet haben, dass er selbst nie auf einem Schlachtfeld gestanden hatte. Zwar hatte der einstmals extrem breitschultrige und schwergewichtige Koloss in seinen letzten Lebensjahren nach Entfernung des linken Lungenflügels 1964 und einer schweren Herzoperation 1978 viel von seiner virilen Monstrosität eingebüßt, doch der 1,94 Meter große Hüne lehnte selbst auf dem Sterbebett die Einnahme von Schmerzmitteln ab. Am 11. Juni 1979 starb er letztlich an Herzversagen. Der Kettenraucher hatte sich für seinen Grabstein folgende Inschrift in spanischer Sprache, die er perfekt beherrschte, erwünscht: „Feo, fuerte y formal". Zu Deutsch: „Er war hässlich, stark und hatte Stil."
Dass Wayne gelegentlich auch zu Humor fähig sein konnte, hatte er bei seinem letzten öffentlichen Auftritt bei der Oscar-Verleihung im April 1979 bewiesen: „Oscar und ich haben etwas gemeinsam. Oscar tauchte 1928 erstmals in Hollywood auf, genau wie ich. Wir sind beide ein wenig verwittert, aber wir sind immer noch hier und wollen noch eine ganze Weile dabei sein." Bei der Jahreszahl hatte Wayne etwas geschummelt, weil er sich schon früher in der Filmmetropole getummelt hatte. Aber 1928 war er in dem von John Ford gedrehten romantischen Stummfilm-Drama „Hangman’s House" erstmals als Schauspieler erkennbar gewesen, während er sich ab 1926 zu Beginn seiner ziemlich genau 50 Jahre dauernden, rund 170 Filme umfassenden Leinwandkarriere nur mit Komparsenauftritten hatte zufrieden geben müssen.
Außergewöhnliche Grabinschrift
John Wayne wurde am 26. Mai 1907 in Winterset im US-Mittelwesten-Bundesstaat Iowa als Marion Robert Morrison geboren. Wegen einer Lungenkrankheit des als Apotheker tätigen Vaters Clyde Leonard Morrison zog die Familie 1911 ins wärmere Kalifornien um. Dort führte der Vater in Lancaster zunächst eine Farm, auf der der Filius das Reiten lernte, um danach in Glendale, einem Vorort von Los Angeles, wieder eine Apotheke zu übernehmen. Da die Eltern ihrem zweiten Sohn den Vornamen Robert geben wollten, wurde Marions Zweitname in Mitchell geändert. Was Marion ziemlich egal gewesen sein dürfte, weil er sich schon früh lieber Duke nennen ließ, wie es sich in seinem direkten Umfeld in Anspielung auf seinen gleichnamigen Terrier ergeben hatte.
An der Glendale Highschool fiel der Duke nicht nur durch gute Noten, sondern vor allem als Star des Football-Teams auf. Seinem sportlichem Talent verdankte er ein Stipendium der University of Southern California in Los Angeles, wo er sich in Jura und Wirtschaftswissenschaften einschrieb. Eigentlich hatte er eine Laufbahn als Seeoffizier in Erwägung gezogen, doch seine Bewerbung bei der US Naval Academy war abgelehnt worden. Eine schwere Verletzung, die er sich beim Surfen zuzog, beendete nicht nur abrupt sämtliche Träume des Football-Stars, sondern hatte auch das Ende des Stipendiums zur Folge. Der junge Mann sah sich genötigt, die Uni zu verlassen und sich nach einem Job umzusehen, nachdem er sich in seiner Jugend schon als Zeitungsbote, Aprikosenpflücker, Eisverkäufer oder Lastwagenfahrer durchgeschlagen hatte.
Nun zog ihn die Filmindustrie an, bei der er ab 1926 als Requisiteur und Kulissenschieber tätig war. Gelegentlich wurde er als Komparse eingesetzt, und er freundete sich mit Regisseur John Ford an. 1930 betraute ihn Regisseur Raoul Walsh im ersten epischen Western der Tonfilmzeit „Der große Treck" gleich mit der Hauptrolle und ersetzte dafür seinen bisherigen Künstlernamen „Duke Morrison" durch „John Wayne". Da der Film ein Kassenflop wurde, bekam Wayne in den folgenden Jahren nur noch Angebote für Billigwestern, sogenannten Pferdeopern, oder B-Movies, wobei ihn seine Reitkünste immerhin zum gefragten Stuntman machten. Zwangsläufig kam er dabei in Kontakt mit dem legendären Yakima Canutt, dem damaligen Hollywood-Spezialisten für Actionszenen. Von Canutt wurde er nicht nur in die hohe Kunst der Filmprügelei eingeführt, sondern verdankte ihm auch die Anregung zum wiegenden Gang, seinem späteren Markenzeichen, das er ständig vor dem Spiegel übte und weiter perfektionierte.
Verletzung beendet Footballkarriere
Den Durchbruch zum Hollywood-Star verdankte er 1939 seinem Freund John Ford, der ihm die Hauptrolle des Outlaws Ringo Kid im Western-Klassiker „Ringo – Höllenfahrt nach Santa Fe" übertrug. Auch später sollten aus der Zusammenarbeit der beiden Freunde Western-Meisterwerke wie die „Kavallerie-Trilogie", bestehend aus „Bis zum letzten Mann" 1948, „Der Teufelshauptmann" 1949 und „Rio Grande" 1950, „Der Mann, der Liberty Valence erschoß" oder „Der Schwarze Falke" 1956 hervorgehen.
Mindestens ebenso wichtig sollte die Kooperation mit Regisseur Howard Hawks werden, der mit dem Western „Red River" 1948 gewissermaßen die Filmfigur John Wayne neu erschaffen hatte. Hawks verwandelte den bis dahin charmant-schnoddrigen, halbstarken Filmhelden auf einen Schlag in einen deutlich reiferen, müder, leicht verbittert und misstrauischer daherkommenden Mann mittleren Alters. Darüber war selbst John Ford sehr erstaunt: „Ich wusste gar nicht, dass der große Hurensohn schauspielern kann." Doch genau das sollte Wayne auch in zwei weiteren Leinwand-Meisterwerken unter der Regie von Hawwks, dem Western „Rio Bravo" 1959 und dem in Afrika spielenden Großwildjäger-Abenteuer „Hatari!" 1962 unter Beweis stellen.
Heiße Affäre mit Marlene Dietrich
Obwohl John Wayne seit den 40er-Jahren auch eine ganze Reihe von Abenteuerfilmen wie „Haus der sieben Sünden" an der Seite von Marlene Dietrich, mit der er eine seiner zahlreichen Affären hatte, oder Kriegsfilmen wie „Alarm im Pazifik" (1944) oder „Stahlgewitter" (1945) gedreht hatte, blieb doch der Western sein eigentliches Genre. In seinen Spätwerken, beispielsweise in „Rio Lobo", erlaubte er sich immer häufiger Ausflüge in Selbstparodie und Selbstironie und stellte dadurch seine Wandlungsfähigkeit als Charakterdarsteller unter Beweis. Als Produzent – er hatte 1952 Batjac Production gegründet – hätte ihn der umstrittene Western „Alamo" im Jahr 1960 beinahe in den Ruin getrieben. Mit dem Streifen „Die grünen Teufel" (1968), der den Vietnam-Krieg verteidigt, untermauerte er seinen konservativen Hardliner-Ruf, den er zuvor schon durch Unterstützung von seinerzeit umstrittenen Politik-Kandidaten wie Barry Goldwater oder Ronald Reagan begründet hatte.