Kohlpharma in Merzig ist eines der wenigen saarländischen Unternehmen, das eine eigene Ferienbetreuung für Mitarbeiterkinder in den Sommerferien anbietet: vier Wochen lang und täglich von 7 bis 17 Uhr.
Viele Eltern kennen das Problem: Eigentlich müsste man spätestens um 8 Uhr am Arbeitsplatz sein, doch die Ferienbetreuung für das Kind beginnt erst um 9 Uhr. Und bis spätestens 16.30 Uhr muss man es wieder abholen. Das passt einfach nicht in einen normalen Arbeitstag. Wohl dem, der einen toleranten Arbeitgeber hat – oder einen, der noch einen großen Schritt weiter geht.
Das Merziger Unternehmen Kohlpharma etwa bietet seit 2016 eine eigene Ferienbetreuung für die Kinder seiner Mitarbeiter an. Nadia Ismail, Assistentin der Geschäftsleitung bei Kohlpharma, ist selbst Mutter zweier Kinder und weiß, wovon sie spricht: „Ich war immer voll berufstätig und kenne daher die Problematik, neben Schließtagen, Krankheit und ähnlichem auch noch die Ferien abdecken zu müssen. Bei uns im Unternehmen arbeiten viele Frauen, die meist auch für die Betreuung der Kinder verantwortlich sind." Viele davon arbeiten in der Produktion, da gibt es keine flexiblen Arbeitszeiten.
Angebot wechselt wochenweise
Die Idee, eine eigene Ferienbetreuung auf die Beine zu stellen, stieß bei Familie Kohl sowie der Geschäftsleitung auf offene Ohren, und so planen und organisieren die 49-jährige Ismail und Christina Rosch, 31, aus der Personalabteilung seither jedes Jahr federführend ein vierwöchiges Programm, das sich sehen lassen kann. „Wir bieten pro Woche 20 Plätze für Kinder im Alter zwischen sechs und 13 Jahren an", erzählt Rosch. „Mitarbeiter können ihr Kind für ein oder maximal zwei Wochen am Stück, aber auch verteilt anmelden." Die Rahmenzeiten gehen dabei von 7 bis 17 Uhr, wobei die Kinder nicht um 7 Uhr da sein müssen, aber können. Flexibilität ist das Stichwort. Es gibt eine grobe Kernzeit von 10 bis 14 Uhr, in der Angebote und Ausflüge stattfinden, damit auch Kinder mit Mitarbeitern, die nur Teilzeit arbeiten, davon profitieren können.
Ziel sei es, nicht nur irgendeine Art von Bespaßung zu liefern, sondern wirklich etwas Gescheites auf die Beine zu stellen. „Für viele Kinder ist das ja ihr Sommerurlaub. Deshalb wollen wir ein Angebot, das pädagogisch wertvoll ist und die Kinder wirklich was erleben und etwas mitnehmen", betont Nadia Ismail.
Die Angebote wechseln dabei wöchentlich, nur die ersten beiden Tage einer jeden Woche wiederholen sich. Der erste Tag ist ein Kennenlern-Tag, an dem etwa Regeln besprochen werden und die Kinder und Betreuer sich erst einmal „beschnuppern" können. „Außerdem hat unsere Werbeabteilung uns eine süße Präsentation erstellt, wo kindgerecht gezeigt wird, was wir bei Kohlpharma machen. Dazu wurden auch Fotos der Eltern gemacht, die diese in ihrem Arbeitsumfeld zeigen, und mit einfachen Worten wird erklärt, was Mama oder Papa hier eigentlich den ganzen Tag so machen", erklärt Ismail.
Dienstags gibt es dann eine Firmenführung für die Kinder, bei der sie ihre Eltern am Arbeitsplatz besuchen können und am Nachmittag in einer der Abteilungen selbst einmal mitarbeiten dürfen. „Das kann beispielsweise bei unseren Gärtnern sein, mit denen sie etwas pflanzen. Oder sie sitzen in der Fertigung und dürfen eigens für die Kinder gestaltete Arzneimittel-Packungen bekleben. Vielleicht auch ein Besuch beim Werkschutz oder in der Werbeabteilung. Eine besonders spannende Aktion für die Kinder war zum Beispiel der eigene Firmenausweis – mit Fotoshooting und allem, was dazu gehört."
Das Ganze komme so gut an, dass all diejenigen, die das Kennenlern-Programm schon in der Vorwoche mitgemacht haben, unbedingt in der zweiten Woche nochmals mitmachen möchten, betonen die beiden Frauen. Klar, dass die Kinder auch gemeinsam mit den Großen in der firmeneigenen Kantine essen. Sie bekommen ein eigenes Bufett mit kindgerechtem Essen.
An den restlichen Tagen gibt es jede Menge Programm – sportlich, musisch und vieles andere mehr. Ob ein Besuch bei der Feuerwehr, Polizei oder Technischem Hilfswerk, Sportworkshops, Tanz- oder Musikworkshop, Besichtigungen der Burg Montclair, der Römervilla oder des Kupferbergwerks in Düppenweiler, gemeinsames Basteln, Malen, Handwerken oder Kochen, der Besuch einer historischen Schmiede, Eselreiten – dem Einfallsreichtum sind keine Grenzen gesetzt.
Investition stärkt Bindung an Firma
„Wir arbeiten unter anderem auch mit der katholischen Erwachsenenbildung (KEB) in Merzig zusammen, die immer ein vielfältiges Angebot hat", sagt Rosch. „Etwa Töpfern, Anstecker aus Emaille fertigen, mit Beton arbeiten oder andere schöne handwerkliche Sachen, weil wir denken, dass man die Kinder vielleicht so auch an neue Hobbys heranführen kann", ergänzt Ismail. Pro Kind und Woche kostet die Betreuung mit Verpflegung, Ausflügen und allem Drumherum um die 250 Euro. Die Eltern selbst müssen davon aber nur 30 Euro bezahlen, den Rest übernimmt das Unternehmen. Gut investiertes Geld seitens Kohlpharma, wie Nadia Ismail betont: „250 Euro sind nichts im Vergleich zu dem Effekt, den die Aktion erzielt. Es sorgt für eine enge Bindung der Mitarbeiter ans Unternehmen. Das zeigt das Feedback der Mitarbeiter ganz deutlich." Wie gut das Angebot angenommen wird, zeigt sich auch an den nüchternen Zahlen. Waren 2016 insgesamt 33 Kinder mit 48 Betreuungswochen dabei, erhöhte sich die Zahl im Folgejahr bereits auf 47 Kinder und 69 Betreuungswochen. Im Betreuerteam haben mittlerweile auch schon drei erwachsene Kinder von Mitarbeitern mitgewirkt. Immer wieder bieten sich auch Mitarbeiter, die beispielsweise ein interessantes Hobby haben, an, selbst einen kleinen Workshop innerhalb der Ferienbetreuung zu machen und werden für diese Zeit dann von ihrem Arbeitsplatz freigestellt. So gab es schon Angebote wie Bogenschießen oder einen Kurs in Selbstbehauptung. Dass das Konzept auch von der Inhaberfamilie gelebt wird, zeigte sich im vorigen Jahr, als Philipp Kohl, selbst passionierter Jäger, mit den Ferienkindern einen Wald- und Wildtierworkshop gestaltete und auch für diesen Sommer wieder eine Aktion für die Jungs und Mädchen geplant hat.
Natürlich ist so etwas nicht in jedem Unternehmen möglich, Kohlpharma habe „tolle Voraussetzungen", wie Nadia Ismail betont. Einerseits eine Vielzahl an Räumen vor Ort, aber auch die Mitarbeiterstärke, um so etwas aufzufangen – Kohlpharma beschäftigt etwa 750 Mitarbeiter. „Es sind ganz viele Abteilungen involviert – von der Haustechnik, über die Reinigung, den Werkschutz und viele mehr. Aber der Aufwand zahlt sich aus."
Derzeit versuche das Unternehmen, neben dem Eltern-Kind-Zimmer, das es bereits gibt, eine mobile Tagesmutter zu engagieren – für Mitarbeiter aus der Produktion etwa bei einem Betreuungsnotfall. „Wir haben mit Unternehmen in der Umgebung Kontakt aufgenommen. Vielleicht besteht dort auch Interesse und wir können so etwas gemeinsam stemmen, da wir in dieser Hinsicht ja grundsätzlich alle im gleichen Boot sitzen", sagt Christina Rosch.
Ohnehin ist das Unternehmen offen, auch seine Erfahrungen in Sachen eigener Ferienbetreuung mit anderen Unternehmen zu teilen, wie Nadia Ismail und Christina Rosch ausdrücklich betonen. „Das erste Jahr war sehr viel Aufwand, weil man sich alles erarbeiten musste. Etwa welche Versicherungen man braucht. Schließlich hat man eine große Verantwortung und es darf und soll ja nichts passieren. Anfangs haben wir auch mit der Caritas zusammengearbeitet, die für uns Betreuer gecastet hat. Nach zwei Jahren sind wir mutiger geworden und haben gesagt, wir kriegen das auch so gestemmt. Letztlich ist es weder Hexerei, noch kostet es viel. Es ist wirklich machbar", machen die beiden Frauen allen Firmen Mut, ihnen nachzueifern. „Interessierte Unternehmen dürfen sich gerne an uns wenden."