Die kommunalpolitische Landkarte ist neu gezeichnet. Uwe Conradt (CDU) ist der Sensationssieger in der Landeshauptstadt. Die SPD verbucht Überraschungssiege in den Kommunen.
Die Überraschung dieser Kommunalwahlen: das Saarbrücker Rathaus ist nicht mehr in SPD-Hand. Schon bei der Stadtratswahl konnte die CDU die SPD als stärkste Kraft ablösen (CDU: 26,0 Prozent, SPD: 25,2 Prozent). Uwe Conradt macht die mittlere Sensation perfekt: 274 Stimmen beenden eine über vier Jahrzehnte währende Dauerpräsenz der SPD, verdrängen nach eineinhalb Jahrzehnten Charlotte Britz vom Chefsessel der Landeshauptstadt.
Die bisherige Amtsinhaberin hatte bereits im ersten Wahlgang deutliche Verluste hinnehmen müssen. Spekuliert wurde, dass ihr sechs Punkte Vorsprung im zweiten Durchgang knapp reichen dürften, und sich eine geringere Wahlbeteiligung eher zu Ungunsten des Herausforderers auswirken würde. Die Spekulationen haben sich als falsch erwiesen. Nun darf man über zwei weitere Fragen spekulieren. Erstens über die Gründe, zweitens darüber, wie es im Rat weiter geht.
Britz selbst machte spontan die jüngsten Aufregerthemen mitverantwortlich: den Ärger bei der Feuerwehr und die Dauerbaustelle Ludwigspark. Möglicherweise war vielen Wählern schlicht auch nach 15 Jahren nach einem Wechsel zumute, für den schon frühere CDU-Herausforderer – vergeblich – geworben hatten. Unstrittig hat sich die Landeshauptstadt in den Jahren ihrer Amtszeit verändert. Uwe Conradt hatte im Wahlkampf aber immer wieder kritisiert, dass dabei das große Leitbild fehlte. Viele Baustellen, aber keine große Überschrift. Er hat jetzt die Chance, das konkret zu machen, was im Wahlkampf naturgemäß eher schlagzeilenartig formuliert wurde.
Wie groß seine Spielräume sind, hängt entscheidend davon ab, wie sich der neu gewählte Stadtrat zusammenfindet. Die bisherige rot-rot-grüne Koalition hätte rechnerisch weiter eine Mehrheit, möglich wäre auch „Jamaika" (CDU, Grüne, FDP). Entscheidend sind die Grünen, die auf knapp 20 Prozent geklettert sind, und die vor der Stichwahl bewusst auf eine Wahlempfehlung – und damit auf eine Vorfestlegung – verzichtet hatten. Denkbar wäre auch eine große Koalition, die dem neuen OB möglicherweise entgegenkäme. Einmal, weil es so parteipolitische direkte Kontakte zur Regierungskoalition auf Landesebene gäbe, zum zweiten um die Sozialdemokraten, die nach vielen Jahrzehnten ihren Einfluss in der Verwaltung haben, einzubinden. Zum dritten auch, um weit reichenden grünen Forderungen zu entgehen.
CDU und SPD weiter stark verankert
In Saarlands zweitgrößter Stadt sind die Verhältnisse eindeutiger. Jörg Aumann, der gerne von „Saarlands größter Stadt hinter Saarbrücken" spricht, verteidigte mit überzeugenden 57,6 Prozent die SPD-Hochburg Neunkirchen gegen Außenseiter Dirk Käsbach, der sich allerdings mit 42,4 Prozent in der Stichwahl ordentlich geschlagen hat. Im Rat ist die SPD zwar weiter klar stärkste Kraft, hat aber deutliche Verluste hinnehmen müssen, ist also auch auf Partner angewiesen.
Zu den großen Überraschungen dieser Direktwahlen gehört aber auch, dass der Nimbus vom Amtsbonus erhebliche Kratzer bekommen hat. Bereits im ersten Wahlgang wurden gleich drei amtierende Bürgermeister abgewählt. Alexander Rubeck (CDU) muss in Gersheim den Platz freimachen für Michael Clivot (SPD), in Bexbach unterlag Thomas Leis (SPD) dem CDU-Herausforderer Christian Prech und die SPD verlor in Eppelborn ein weiteres Rathaus. Andreas Feld setzte sich gegen Amtsinhaberin Birgit Müller-Closset durch.
Bei den Stichwahlen konnten dagegen SPD-Bewerber durch die Bank Erfolge verzeichnen. Die Stadt Püttlingen geht in SPD-Hand über. Denise Klein setzte sich gegen Edmund Altmeyer durch, Bürgermeister Martin Speicher (CDU) war nicht mehr angetreten. Ähnlich in Überherrn, wo der amtierende Bürgermeister Bernd Gillo (CDU) nicht mehr antrat. Dort setzte sich Anne Yliniva-Hoffmann (SPD) gegen den von der CDU unterstützten unabhängigen Bewerber Michael Fetik durch. In Kleinblittersdorf, das bislang vom unabhängigen Bürgermeister Stephan Strichertz geleitet wurde, der nicht mehr zur Verfügung stand, konnte sich überraschend der SPD-Bewerber Rainer Lang nach einem Rückstand aus dem ersten Wahlgang gegen Erika Heit (CDU) behaupten. In Blieskastel konnte sich Bernd Hertler (SPD) gegen Amtsinhaberin Annelie Faber-Wegner durchsetzen, in Mandelbachtal übernimmt Maria Vermeulen (SPD) von Gerd Tussing. In Wallerfangen kann Horst Trenz das Rathaus in SPD-Hand halten. In St. Ingbert wiederum setzte sich CDU-Kandidat Ulli Meyer nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen im ersten Durchgang gegen Amtsinhaber Hans Wagner (parteilos) bei der Oberbürgermeisterwahl durch. In Losheim am See gewann der unabhängige Bewerber Helmut Hart gegen SPD-Kandiat Björn Kodak die meisten Stimmen. Letztlich konnten einige Rathaus dann doch vom Amtsbonus profitieren, wenn auch gelegentlich äußerst knapp, wie Klaus Häusle (SPD), dem in Riegelsberg gerade mal 29 Stimmen gegen Herausforderer Benjamin Schmidt (CDU) reichten. In Heusweiler bleibt Thomas Redelberg (CDU) im Amt, in Sulzbach Michael Adam (CDU).
Am Ende der zweiten Runde der kommunalen Wahlen bleiben für die SPD eine Reihe von Überraschungserfolgen in den Gemeinden, die Hochburg Neunkirchen, aber auch der wegen des knappen Ergebnisses schmerzlich Verlust der Landeshauptstadt. An der kommunalen Basis sind die Sozialdemokraten im Land jedenfalls weiter stark verankert. Die CDU kann mit gleich zwei neuen Oberbürgermeistern in ihren Reihen aufwarten. Die Stichwahl in St. Ingbert war eher überraschend, ein Sieg von Ulli Meyer bereits im ersten Wahlgang nicht unwahrscheinlich. Sensationssieger 2019 aber ist ohne Zweifel Uwe Conradt.
Der Amtsbonus ist letztlich keine sichere Bank mehr, der Durchmarsch unabhängiger Bewerber zwar nicht gestoppt, der Trend, von vorneherein bessere Chancen zu haben, wenn man als Unabhängiger antritt, hat sich relativiert. Die Volksparteien CDU und SPD haben im Saarland weiterhin gegen den allgemeinen Trend eine starke Basis und Verankerung. Und auch wenn die Grünen keine Kandidaten in die Stichwahl hieven konnten, können und werden sie künftig die Kommunalpolitik im Land stärker als zuvor mitbestimmen. Durch die Bank sind sie in den Räten in eine Position mit starkem Einfluss gewählt worden, falls es nicht zur Zusammenarbeit von CDU und SPD kommt.