Kefalonia und Ithaka sind nicht nur landschaftlich ein Erlebnis. Die dicht beieinanderliegenden griechischen Inseln sind reich an spannender Geschichte und sagenhaften Legenden.
Kefalonia, die größte und westlichste der Ionischen Inseln, wird immer beliebter. Sonne am Himmel und in den Gesichtern der Gastgeber, schöne Strände am kristallklaren Meer und malerische Fischerdörfer gefallen auf Anhieb.
Auch in der hübschen Hauptstadt Argostoli fühlen sich alle wohl. Das Flanieren entlang der ankernden Jachten oder der Gang über die Drapona-Brücke hinüber zum gleichnamigen Dorf mit den farbigen Bauten gehört ebenfalls zum Ritual, genau wie ein Kaffee, ein Glas Wein oder eine topfrische Mahlzeit mit Meeresblick.
In Argostolis Fußgängerzone reihen sich gut sortierte Läden aller Art. „Steht mir das?", fragt eine Urlauberin ihren Begleiter und dreht sich kokett in einem leuchtend-bunten Sommerkleid. Andere kaufen gerne ein Mobile mit Muscheln und Holzbötchen. Einige schauen auch ins Nicolas-Kirchlein, das einzige Römisch-Katholische Gotteshaus auf der Insel.
Drinnen überrascht eine Ikone der schwarzen Madonna mit beschädigtem Gesicht. „Um diese Ikone rankt sich eine Legende", erklärt Pater Simonel Boanchiş, ein Rumäne. Als die türkischen Truppen ab dem 14. Jahrhundert gen Griechenland vorrückten, sei sie ins Meer geworfen worden, um sie auf diese Weise zu retten. Auf den Wellen schwimmend, sei sie entdeckt und geborgen worden.
3.000 Jahre alte Kostbarkeiten im Kunstmuseum
Noch weitere Legenden kursieren auf den Inseln Kefalonia und Ithaka mit ihrer jahrtausendealten Geschichte und reizen zum Nachspüren. Zunächst locken in Argostoli jedoch die Fischerboote, die morgens am Kai ihren Fang verkaufen. Geschwind werden die Fische geschuppt, ausgenommen, gewaschen und die Reste an die großen Meeresschildkröten verfüttert. Wie mag wohl der braungebrannte Fischer heißen?
„Sicherlich Gerasimos", meint Minas, der ortskundige Begleiter. „Viele Eltern geben einem ihrer Jungs diesen Namen, denn St. Gerasimos ist der Schutzpatron von Kefalonia" erklärt er. Wie sehr er verehrt wird, beweist das elf Kilometer entfernte, von ihm im Jahre 1560 gegründete Kloster im Dorf Omala. Schon lange ist es das größte und meistbesuchte beider Inseln.
Drinnen blendet sogleich die goldglänzende Ikonostase – die mit Ikonen geschmückte Wand zwischen Altarraum und Kirchenschiff. Umso bescheidener wirkt ein weißhaariger Mönch in seiner dunklen Kutte. Es ist der über 80-jährige Pater Dionisios, der sich um Ratsuchende kümmert. Eine junge Frau sitzt zu seinen Füßen. Reichlich Zeit nimmt er sich für das Gespräch mit ihr.
Indessen klettern andere im Vorraum auf einer langen Eisenleiter hinab ins Untergeschoss und winden sich durch ein Loch in die ehemalige Gebetszelle von Gerasimos. Wer reinen Herzens sei – so die Legende – käme ohne Schmutzflecken wieder heraus. Ein Test, den nicht alle wagen.
Stattdessen lieber zurück und zu einem reich verzierten Silberschrein. Der ummantelt einen Glaskasten mit den Gebeinen von Gerasimos. Zweimal jährlich – am 16. August und am 20. Oktober – wird der Verehrte mit Musik, Paraden und Tänzen gefeiert. Dann wird der Silberschrein aus der Kirche zu einer großen Platane getragen, die Gerasimos einst gepflanzt hatte. Auch viele Urlauber kommen zu diesen Festen.
Das Entdecker-Gen ist nun aktiviert. Also hin zum Kloster Kipoureon, schon wegen seiner spektakulären Lage an der wilden Westküste der Halbinsel Paliki. 100 Meter über dem Meer steht es auf einem winzigen Plateau zwischen lotrecht abfallenden Felsen. Früher lebten dort zahlreiche Mönche, jetzt nur noch einer. Wenn ein Fest gefeiert wird, backen die Frauen aus dem Nachbardorf runde Brote für den Gottesdienst und die hungrigen Besucher. Auch mir drücken sie gleich ein Stück in die Hand.
Weniger einsam liegt das Nonnenkloster Agios Andreas Milapidios nahe Peratata, gegründet im 13. Jahrhundert. Dieses Kloster mit seiner Gartenanlage gefällt sofort. Ein weiteres Fest fürs Auge sind die Ikonostasen im angegliederten Museum für Sakrale Kunst und die jahrhundertealten Fresken in der byzantinischen Klosterkirche.
Noch weit ältere Kostbarkeiten, manche vor rund 3.000 Jahren gefertigt, hüten die Kunstmuseen: fein geformte Trinkgefäße, Teller und Krüge, zusammengesetzt aus gefundenen Scherben, aber von zeitloser Schönheit. Und dort dieser Goldschmuck! Der wäre ein Hingucker auf jedem Ball.
Statt Walzer in High Heels ist zum Anstieg auf Kefalonias 1.628 Meter hohen Berg Enos und zur Wanderung in der Gipfelregion robustes Schuhwerk erforderlich. Müheloser ist ein Abstecher zum Melissani Höhlensee, eine Hauptattraktion auf Kefalonia. Kräftige Männer legen sich dort in die Riemen und rudern die Passagiere, Erklärungen und Gesang inklusive, über das tiefblau bis türkis glitzernde Wasser. Ein Kurztrip auf diesem Naturwunder.
Für einen Besuch beim legendären Odysseus auf der kleinen Nachbarinsel Ithaka sollte möglichst ein ganzer Tag eingeplant werden. Der morgendlichen Fährfahrt folgt eine Autotour im Zickzack über die Berge. Dann der Blick von oben auf eine weite Bucht. Malerisch reihen sich farbenfrohe Häuschen und Fischerkähne am Ufer. Wenig später, in der freundlichen Inselhauptstadt Vathy, belebt sich das Geschehen.
Nekropole aus der Zeit von Odysseus
Über Ithakas „Wespentaille" geht’s gen Norden weiter bis zum Dorf Stavros. Eine Odysseus-Statue zeigt: Hier sind wir richtig. Dort führt ein Wanderweg über Stock und Stein hinauf zu den klobigen Relikten einer uralten Festung. Aus groben Steinen gefügte Mauern, Treppen und Reste einer Wasserleitung beflügeln die Fantasie. Dort lässt es sich gut von lange vergangenen Zeiten träumen. Im 8. Jahrhundert v. Chr. siedelte der griechische Dichter Homer auf Ithaka seine bekannte „Odysseus"-Sage an.
Ob damit aber diese kleine Insel gemeint war, bezweifelt der Althistoriker und Geograf Prof. Heinz Warnecke. In seiner Odyssee habe Homer die westlichste und höchste Insel als Heimat des Odysseus geschildert, also das heutige, 734 Quadratkilometer große und schon damals politisch bedeutsamere Kefalonia. Auch habe seit mykenischer Zeit (circa 1600 bis 1200 v. Chr.) der Siedlungsschwerpunkt mit dem Herrschersitz stets auf Kefalonia gelegen, betont der Experte.
Sicherlich sei Kefalonias Burgberg Agios Georgios, der heutzutage eine mächtige Burgruine aus venezianischer Zeit trägt, schon aus strategischen Gründen der Königssitz gewesen, auch der des legendären Odysseus. „Außerdem wurde am Fuße des Burgberges eine große Nekropole mit 83 herrschaftlichen Gräbern aus der Endphase der mykenischen Zeit gefunden, also aus der mutmaßlichen Zeit des Odysseus", fügt Warnecke hinzu.
Von Odysseus zum Apostel Paulus ist es auf Kefalonia nach Warneckes Forschungen auch nur ein kleiner Schritt. Schon in jungen Jahren hat er die Apostelgeschichte studiert, insbesondere die Kapitel 27-28, die den Schiffbruch des Paulus beschreiben, und festgestellt, dass sich die dort verwendete Bezeichnung Melite ebenfalls auf Kefalonia bezieht. Außerdem fand Warnecke mithilfe seiner historischen und nautischen Kenntnisse heraus, dass Paulus im Jahr 69 auf Kefalonia gestrandet ist und nicht auf Malta, wie noch oft behauptet wird.
Paulus verbrachte drei Monate auf Kefalonia
Paulus, der sich von Palästina kommend auf dem Weg nach Rom befand, geriet westlich von Kreta in einen Herbststurm, durch den das Schiff mit seinen 276 Insassen zwei Wochen manövrierunfähig in der tobenden See trieb, berichtete die Besatzung. „Da jedoch die Oberflächenströmung des Mittelmeeres von West nach Ost verläuft, hätte Paulus mit dem havarierten Schiff nicht über 800 Kilometer westwärts bis Malta abdriften können", weiß Warnecke.
Stattdessen zerschellte das Schiff an der Südwestküste von Kefalonia an einem kleinen Riff. Dahinter war glücklicherweise Sandboden und flaches Wasser, sodass die Schiffbrüchigen an Land waten und sämtlich gerettet werden konnten. Daher heißt der in der Nähe liegende Hafen „Aghios Sostis", was „Heilige Rettung" bedeutet. Auf einem Hügel erinnert inzwischen ein hölzernes Denkmal, beschriftet auf Griechisch und Englisch, an diese Errettung.
Gemäß der Apostelgeschichte verbrachten Paulus und seine Begleitung drei Monate auf Kefalonia und christianisierten einen Teil der Bevölkerung. Daraufhin entstand dort die älteste frühchristliche Gemeinde zwischen dem Ägäisraum und Mittelitalien", sagt Warnecke. Auch Überreste urchristlicher Kirchen hat man entdeckt. Beflügelt von diesen Forschungen wurde 1996 im nahen Dorf Pessada eine Pauluskirche erbaut. An ihr vorbei treibt im Abendlicht ein Hirte seine Schafe und Ziegen zurück zum Dorf. Ein Bild wie in biblischen Zeiten.