Miroslav Nemec hat in der Prowin-Akademie im Saarland sein neuestes Buch vorgestellt. Im Vorfeld der Lesung hat er mit FORUM über seinen „Tatort"-Kommissar sowie seine Musiker-Laufbahn gesprochen und darüber wie es ist, wieder Vater zu sein.
Nein, Rückenschmerzen hat er wirklich nicht und überhaupt: Irgendwie ärgern ihn die neuerdings öfters thematisierten körperlichen Befindlichkeiten der beiden Münchner Tatort-Kommissare Batic und Leitmayr. Ein Anzeichen dafür, dass das beliebte „Tatort"-Duo bald in Rente geschickt wird? Miroslav Nemec winkt ab.
„Alles Kaffeesatzleserei. Ich selbst fühle mich topfit und ans Rentenalter für Batic und Leitmayr denken die ‚Tatort‘-Macher beim Bayerischen Fernsehen beileibe nicht. Ich glaube, ich muss da mal intervenieren. Die Zuschauer wollen doch lieber Helden und Vorbilder sehen und keine kränkelnden Protagonisten."
Mit hellwachen Augen und einem strahlenden Lächeln erzählt der Schauspieler, Musiker und Autor aus seinem Berufs- und Privatleben. Knapp eine Stunde ist noch Zeit bis zu seiner Lesung. Heute wird er seinen zweiten Krimi vorstellen, auf Einladung der „HomBuch on tour", „REDENSWERTES" der Pro-Win-Akademie und von FORUM. Also Zeit genug, um über seine alten und neuen Leidenschaften zu plaudern.
Bekannt ist Miroslav Nemec vielen als Tatortkommissar Ivo Batic. Seit 1991 geht er zusammen mit Kriminalhauptkommissar Franz Leitmayr – alias Udo Wachtveitl – in München auf Verbrecherjagd.
Entstehen da persönliche Bindungen? „Mit Udo verbindet mich nicht nur der Beruf, wir halten auch privat Kontakt, wir kochen zusammen, grillen, und früher sind wir auch öfters durch die Kneipen gezogen. Doch seit ich mit 57 Jahren noch mal Papa geworden bin, verbringe ich meine Zeit verstärkt mit meiner Familie. Ich genieße es, mit meiner jüngsten Tochter Hausaufgaben zu machen, ihr vorzulesen oder mit ihr Klavier zu üben. Die Konzentration aufs Familienleben ist heute größer als in der Zeit, als meine älteste und mittlere Tochter klein waren. Damals drehte sich vieles noch mehr um den Beruf, ich war also mehr mit mir selbst beschäftigt. Umso mehr genieße ich heute die innere Gelassenheit, mir Zeit für meine Familie zu nehmen. Außerdem koche ich gern für uns, bin gerne zu Hause."
Studium in klassischer Musik
Dass viele ihn auf der Straße mit „Herr Kommissar" ansprechen, belustigt ihn, wobei er vor „Ivo Batic" auch schon in vielen anderen Rollen große Erfolge feierte. Nachdem er in Salzburg am Mozarteum sein Studium in klassischer Musik abgeschlossen hatte und eigentlich auch als Lehrer hätte arbeiten können, zog es ihn zur Schauspielschule nach Zürich. „Der Liebe wegen", erklärt er. „Meine damalige Freundin wollte Schauspielerin werden, und ich wollte mit ihr zusammen sein, also habe ich mich auch beworben und wurde genommen." Die nötige Atemtechnik brachte ihm die Musikerin Ursula Anders, die damalige Freundin des österreichischen Pianisten und Enfant Terrible Friedrich Gulda bei, mit der wichtigsten Theaterliteratur vertraut wurde er mithilfe der Tochter des „Carmina-Burana"-Komponisten Karl Orff.
Die Jahre an unterschiedlichen Theaterbühnen möchte Miroslav Nemec zwar nicht missen, doch die größeren Freiheiten in der Fernsehproduktion schätzt er noch mehr. „Als Theaterschauspieler kann es dir passieren, dass das Stück nicht ankommt, und Du trotzdem x-mal in der laufenden Theatersaison vor halbleerem Saal auftreten musst. Das kann einen ganz schön fertigmachen. Ich hatte das Glück, dass ich beim Fernsehen gute Rollen bekam. Es lief richtig gut für mich, ich konnte auswählen. Ob als Bösewicht oder Polizist, ob als Liebhaber in Rosamunde-Pilcher-Manier oder Generalbundesanwalt, der im rechtsextremistischen Umfeld ermittelt, jede Rolle war interessant."
Doch die Schauspielerei alleine ist nicht sein Ding. Dafür sind seine Talente zu vielfältig. Bevor er davon erzählt, huscht sein Blick zur Uhr: „Oh, wir haben noch etwas Zeit, bis die Lesung beginnt." Schnell noch ein Schluck Kaffee, und schon sprudelt es weiter aus Miroslav Nemec hervor.
„Seit meinem fünften Lebensjahr spiele ich Klavier. Mit zwölf Jahren zog ich nach der Scheidung meiner Eltern von Kroatien zu meiner Großtante nach Freilassing. In der Schule war ich damals der einzige Ausländer. Ich war sozusagen der Exot. Im Gymnasium hatte ich immer Angst, wenn die Chemielehrerin in die Klasse reinkam. Ich war sehr schlecht in Chemie. Sie sagte im zackigen Deutsch ‚Nemetz Platz, nemetz ihre Hefte raus‘, ich dachte, jetzt nimmt sie mich dran, und ich bekomme eine schlechte Note."
Mit 15 Jahren gründete er in Freilassing eine Schüler-Rockband, die er Asphyxia nannte. Ein Name, den nur die wenigsten auf Anhieb aussprechen, geschweige denn verstehen können. Doch mit „Erstickungstod" – so die altgriechische Bedeutung – hat die Band nichts gemein, sie rockt regelmäßig mit Miroslav Nemec als Sänger und Keyboarder durch die Republik und verdankt ihren Namen der Erkenntnis, dass auf Werbeplakaten die Bands meist alphabetisch aufgelistet wurden. „Und da ich auf den Plakaten den Namen unserer Band als Erstes lesen wollte, habe ich im Duden unter A nachgesehen und bin dann bei diesem Wort hängen geblieben." Auch mit der Miro-Nemec-Band aus Hof steht er regelmäßig auf der Bühne.
Mit 15 gründete er eine Rockband
Mittlerweile wird das Stimmengewirr der Gäste, die zur Lesung mit dem „Tatort"-Kommissar zur Pro-Win-Akademie gekommen sind, immer lauter. Der Anlass, weshalb er ins Saarland gekommen ist, soll nicht zu kurz kommen. Also schnell Themenwechsel, weg von seinen musikalischen Ambitionen, hin zu seiner neuen Leidenschaft, der Schriftstellerei. „Die Initiative ging von einem Verleger aus, der meinte, es sei an der Zeit, dass ich meine Biografie schreibe. Wir haben uns ein paar Wochen getroffen, ich habe Fragen beantwortet, die aufgenommen wurden, und dann hieß es: ‚So, aus alledem machen wir jetzt ein Buch, nur die Fragen, die lassen wir weg.‘ Ich habe darauf einen ganzen Sommer an dem Buch gearbeitet, heraus kam die Autobiografie „Miroslav-Jugoslav". Nun traten andere Verlage an mich heran. Sie meinten, ich sollte ein Kochbuch oder ein Witzebuch oder am besten einen Krimi schreiben. Allein mir fehlte die zündende Idee. Die kam dann, als ich mir klarmachte, was ich gut kann, nämlich mich selbst auf den Arm nehmen."
2016 war der Krimi „Die Toten von der Falkneralm" fertig. Das Erzählkonzept ist eigentlich naheliegend: Der Ich-Autor Miroslav Nemec gerät bei einer Lesung in eine Mördergeschichte und muss sozusagen in seine eigene Kommissars-Rolle schlüpfen, um den Fall zu lösen.
Sein zweiter Krimi „Kroatisches Roulette" setzt dieses Erzählmuster fort. Diesmal machen ihm ein Zimmermädchen, das sich die Kleider vom Leib reißt, und zwei Fotografen, die diese Szene fotografieren, riesigen Ärger. Es geht um Erpressung, Rufmord und schließlich um einen echten Mord, und das alles in der alten kroatischen Heimat des Romanhelden Nemec.
Ein letzter Blick zur Uhr, jetzt wird es Zeit, ein paar Minuten Ruhe vor dem Auftritt braucht auch ein so herrlich unprätentiöser, höflicher, selbstironischer und gelassener Mensch wie Miroslav Nemec.
Die Zuschauer, die wenig später dem Autor heftigen Beifall spenden, als er sich locker auf den Vorlesetisch setzt, erleben einen erfrischend witzigen, mit warmem Timbre vorlesenden, vor Esprit sprühenden Erzähler, bei dem man immer wieder zweifelt, wen man vor sich hat: Nemec oder Batic!?