Der Film „Tolkien“ erzählt von den frühen Jahren des Schriftstellers, der später unter anderem mit epischen literarischen Werken wie „Der Herr der Ringe“ zu Weltruhm kam.
Als Bücher und als Filme sind J.R.R. Tolkiens Geschichten aus Mittelerde zu großen Erfolgen geworden. Kaum jemand, der noch nicht etwas von „Der Herr der Ringe“ oder „Der Hobbit“ gehört hat. Zwar hat sich auch der Name Tolkien wie eine Marke in die Erinnerungen der Leser und Kinobesucher verankert. Aber eigentlich merkwürdig, dass über die Person Tolkien recht wenig bekannt ist. Mit diesem Film könnte diese Wissenslücke ein wenig gefüllt werden. „Tolkien“ von Regisseur Dome Karukoski erzählt von der Kindheit des späteren Literaten, von seiner Zeit als Student und von seinem Trauma, das maßgeblich zur Idee seines ersten Buches beigetragen haben soll.
Eine von Strenge und Arbeit dominierte Zeit
Birmingham, England, um 1900: John Ronald Reuel Tolkien wächst in ärmlichen Verhältnissen auf und wird früh zur Waise. Es gelingt ihm jedoch, eine gute Ausbildung zu genießen, und er kann durch die Hilfe der Kirche in Oxford studieren. Stets an seiner Seite: seine Schulfreunde Geoffrey, Christopher und Roland. Er verliebt sich zudem in die begabte Pianistin Edith. Als der Erste Weltkrieg beginnt, erlebt Tolkien die Grausamkeiten auf den Schlachtfeldern. Nach dem Krieg nutzt er seine eigenen traumatischen Erlebnisse, um eine Fantasy-Geschichte rund um Freundschaft, Liebe und Verlust zu schreiben: „Der Hobbit“.
„Tolkien“ ist ein sehr gemächlicher Film geworden, der die Zuschauer zurückführt in die von Strenge und Arbeit dominierte Zeit in England vor dem Ersten Weltkrieg. Bis Tolkien erstmals die „Hobbit“-Welt in einem Wort manifestiert, dauert es bis zur letzten Filmminute. Die Hinweise sind dezent gestreut: Seine Mutter zum Beispiel hat die Fantasie ihrer Söhne mit erzählten Geschichten angeregt, die ländliche Idylle am Rande von Birmingham kann als Vorlage vom „Auenland“ interpretiert werden und die strenge christliche Erziehung prägt Tolkiens Weltanschauung, dass eine Gesellschaft von göttlichen Mythologien geprägt sein könnte.
Richtungsweisend sind Tolkiens Erlebnisse im Krieg. Der junge Mann sieht seine Kameraden im Bomben- und Kugelhagel sterben, die Feinde setzen die Gräben in Flammen, die Leichen sind zu Bergen aufgehäuft. Nur knapp kann Tolkien die Schlachten überleben, während ihm seine Fantasie die Silhouetten eines Drachen im wabernden Rauch der Kriegsfeuer vorgaukelt. Auch ist es die Liebe zu Sprachen und Dialekten, die Tolkien charakterisiert. Er erschafft schon als junger Mann sehr komplexe Vokabulare, die er später für seine Mittelerde-Völker nutzt. Faszinierend schön zum Beispiel eine Filmszene, in der Tolkien und seine Verehrte Edith beim Essen sind. Er beweist ihr, dass er aus jedem Wort einen magischen Begriff machen kann. Spielerisch entsteht so aus dem Begriff „Cellar Door“ (Kellertür) in kurzer Zeit eine Fantasiewelt, die Tolkien später sogar in seine großen Werke einbaut.
Eine dezente und vorsichtige Liebe
Durch diese Szenen und viele andere sind Tolkiens frühe Jahre mit Bedacht inszeniert und gut gespielt. Mit Nicholas Hoult („The Favourite“) in der Titelrolle und Lily Collins („Spieglein, Spieglein“) als seine Angebetete stehen zwei Schauspieler im Vordergrund, die ihre Liebe zueinander der damaligen Zeit angemessen dezent und vorsichtig darstellen. Gut zu sehen sind auch Colm Meaney (bekannt aus den „Star-Trek“-Serien) als Pfarrer sowie Anthony Boyle, Tom Glynn-Carney und Patrick Gibson als Kommilitonen in Tolkiens Zeit in Oxford.
„Tolkien“ ist ein Film, der von den „Hobbit“-Fans ein wenig Aufmerksamkeit fordert. Wer aber als Zuschauer etwas Geduld aufbringt, wird durch den Film erfahren, dass das Leben voller Inspirationen steckt – von unauffälligen Worten im Alltag über den Wert der Freundschaft bis zur großen Liebe. Möglich, dass der Filmzuschauer anschließend die „Herr der Ringe“-Bücher noch einmal liest. Mit der Erkenntnis, woher der Schriftsteller Tolkien seine Inspirationen nahm und wie er als junger Mann war, könnten Mittelerde und seine Bewohner selbst bewährten Fans ganz neu erscheinen.