Sie ist die derzeit einzige Landrätin im Saarland und mit 62,6 Prozent eindrucksvoll im Amt bestätigt worden. Daniela Schlegel-Friedrich (CDU) über die Herausforderungen im „grünen Kreis" Merzig-Wadern, das Verhältnis zu Kommunen und Erwartungen an den Bund.
Frau Schlegel-Friedrich, Sie sind mit mehr als 60 Prozent als Landrätin bestätigt worden. Da hat sicher der Amtsbonus mit eine Rolle gespielt. Andernorts sind beträchtlich viele Amtsinhaber abgewählt worden. Löst sich dieser klassische Amtsbonus auf?
Im Amt zu sein muss nicht unbedingt nur ein Bonus sein. Man macht sich ja auch angreifbar, weil man viele Entscheidungen zu treffen hat. Und je länger man im Amt ist, umso wahrscheinlicher ist, dass man Menschen auch auf die Füße tritt. Insofern ist das Amt immer auch ein Risiko, was man ja auch jetzt gesehen hat.
Der Kreis Merzig-Wadern steht im Ruf, politisch ziemlich stabil zu sein. Also eine sichere Bank für die CDU?
Absolut stabil kann man sicher nicht sagen. Mein Ergebnis als Landrätin ist ein sehr gutes, in den Räten ist es aber durchwachsen. Man kann eigentlich nicht mehr sagen, dass wir eine richtige CDU-Hochburg sind. Wir haben in der Relation zu anderen gute CDU-Ergebnisse, aber wir haben in den Räten keine absoluten CDU-Mehrheiten mehr. Im Kreistag haben wir sechs Parteien, es ist auch hier deutlich schwieriger geworden.
Blicken wir in die Zukunft. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen im „grünen" Kreis?
Wir werden nach wie vor als Schulträger stark gefordert sein. Das Digitalisierungsthema steht in den Schulen in noch höherer Dynamik an. Wir haben als Kreis schon sehr früh sehr viel gemacht, haben keinen Sanierungsstau in den weiterführenden Schulen und haben auch schon massiv in die EDV-Ausstattung investiert. Dazu kommt das Thema Betreuung. Wir haben im fünften, sechsten, siebten Schuljahr sehr viele Kinder, die in der Nachmittagsbetreuung sind. Die Kapazitäten müssen angepasst werden. Und der Übergang von Schule zu Beruf ist ein ganz großes Thema, auch vor dem Hintergrund des Bedarfs an Fachkräften. Es geht darum, dass nicht zu viele Kinder in Schulwarteschleifen landen, dass sie nicht ein Studium beginnen und abbrechen. Ich sehe eine Aufgabe darin, stärker als bisher daran mitzuwirken, dass die Kinder richtig ankommen. Schulsozialarbeit ist auch ein Riesenthema, an dem wir mit dem Land schon länger rumdoktern, insbesondere, wie man sich die Kosten teilt. Neben Kosten werden auf die Landkreise in diesem Bereich sicher eine stärkere fachliche und inhaltliche Begleitung der Schulen zukommen.
In anderen Regionen ist Strukturwandel das Mega-Thema. Das scheint hier nicht ganz so zu drängen. Täuscht der Eindruck?
Wir haben ein großes Stück Strukturwandel schon hinter uns. Wir haben ja relativ früh in Tourismus investiert, gute Strukturen mit vielen Arbeitsplätzen auf den Weg gebracht. Beim weiteren Wachstum in diesem Bereich sind die Kapazitäten das Hauptproblem. Es fehlen zurzeit Hotelkapazitäten und Arbeitskräfte. Wir haben aber auch Automobilindustrie, beispielsweise mit Saargummi und Thyssen. Die Probleme in dieser Branche betreffen deshalb auch uns, wenn auch nicht so stark wie einige Nachbarkreise.
Ein großes Thema seit geraumer Zeit ist die interkommunale Zusammenarbeit. Landratskollegen sagen, die Kreise seien dafür so etwas wie die geborene Schnittstelle, um das zu organisieren. Teilen Sie die Auffassung?
Ja. Aber man muss akzeptieren, dass die Städte und Gemeinden das nur bedingt so sehen, weil sie immer die Befürchtung haben, dass über die Kreisumlage Kosten entstehen, die sie nicht steuern können, aber bezahlen müssen. In diesem schwierigen Spagat bewegen wir uns bei diesem Thema. Ich glaube, wir als Landkreis haben ein gutes Verhältnis zu unseren Städten und Gemeinden. Vor allem die kleineren Gemeinden erkennen verstärkt, dass sie in bestimmten Bereichen unsere Hilfe gut gebrauchen können. Das gilt etwa für Vergaben oder Digitalisierung in Schulen, wo Grundschulen jetzt auch verstärkt gefordert sind, mehr an Technik vorzuhalten. Da haben wir viele Dinge als Landkreis in unseren Schulen schon gemacht, wovon Städte und Gemeinden profitieren können.
Es gab jüngst ein Gutachten über die Arbeit der Landkreise, das ja in der Gesamttendenz recht positiv ausgefallen ist. Bringt das etwas Entspannung in die doch manchmal emotional geführte Diskussion?
Ich hoffe schon. Die Frage ist nur, wie viele unserer Gegner solche Gutachten überhaupt lesen. Das Gutachten hat gezeigt, dass viele Einsparungen, die man auf Landkreisebene vermutet hat, so nicht gegeben sind. Auf unserer Ebene wird weitgehend effizient gearbeitet. Wir haben von der Verwaltungsgröße eine eigentlich optimale Größe. Groß genug, um uns dort, wo es notwendig ist, zu spezialisieren. Das bringt eine Effizienz, die in der Kleinheit nicht zustande gebracht werden kann. Und wir stehen ja auch unter Kontrolle. Wir haben ein Kommunales Selbstverwaltungsgesetz, das vorschreibt, was wir dürfen und was nicht. Und wir haben Städte und Gemeinden und den Kreistag, die darauf achten, dass wir effizient und nicht zu teuer arbeiten.
Der Landkreistag hat wohl in weiser Vorausahnung unterstützt, dass das Innenministerium das Gutachten in Auftrag gegeben hat?
Uns hat das Ergebnis nicht überrascht, viele andere schon. Uns war klar, dass ein objektives Gutachten in der ganzen Diskussion mit eines der stärksten Argumente für unsere Arbeit sein wird. Sicher gibt es auch bei uns Dinge, die man besser machen kann, das ist doch keine Frage. Im Großen und Ganzen läuft es aber gut, auch weil der Austausch zwischen den Kreisen ein sehr guter ist.
Die immer wieder aufflackernde Debatte um eine Reduzierung der Zahl der Landkreise ist endgültig vom Tisch?
Ich denke ja. Was soll das auch bringen? Wir haben viele Aufgaben, die vor Ort erbracht werden müssen. Wir sind der größte Soziallastenträger, nahezu alle Hilfen werden von uns erbracht. Die Fälle sind vor Ort, also müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch vor Ort sein. Eine größere Einheit kann nicht viel Effizienz- und schon gar keinen Effektivitätsgewinn bringen.
Wie viel Spielraum hat eigentlich ein Landkreis angesichts des hohen Anteils an Pflichtaufgaben?
Es gibt schon Spielräume. Das fängt mit der Frage an, wie ich die Aufgaben erfülle. Als Schulträger beispielsweise hat man durchaus Spielräume. Wir haben in den vergangenen Jahren 100 Prozent der Mittel, die wir zur Verfügung haben, in die Schulen gesteckt. Deshalb haben wir auch keinen Sanierungsstau. Oder beim Jugendamt haben wir die Entscheidung zur Sozialraumorientierung getroffen, mit der Folge, dass in allen Gemeinden Familienzentren eingerichtet wurden. Wir haben ab dem nächsten Schuljahr an jeder Gemeinschaftsschule einen zusätzlichen Sozialarbeiter etabliert, der sich um das Thema Berufsorientierung kümmert. Wir haben uns früh entschlossen, für die EDV an Schulen zunächst einen, jetzt zwei Systemadministratoren einzustellen, sodass die Schulen diese Aufgabe nicht mehr mit ihren Lehrern abdecken müssen. Wir haben uns entschieden, in die Gebäudetechnik zu investieren, mit dem Ergebnis, dass wir mittlerweile die geringsten Heizkosten pro Quadratmeter landesweit haben. Also man kann schon etwas bewegen und Weichen stellen. Und das alles ist ja ein Gemeinschaftswerk der Landrätin, der Verwaltung und des Kreistages.
Wie gestaltet sich dabei das Verhältnis zum Land?
Das ist unterschiedlich. Es gibt immer Themen, die sind konfliktär, weil die Interessen unterschiedlich sind. Wir ärgern uns oft, weil wir den Eindruck haben, dass zu wenig klar ist, was Entscheidungen auf unserer Ebene an Auswirkungen haben. Aber meist finden wir doch Lösungen.
Wie sieht es in Richtung Bund aus?
Also da sitzen ja alle, Kommunen und Land, in einem Boot. Gemeinsam haben wir die Forderung, dass sich der Bund stärker an den Soziallasten beteiligen muss. Der macht die Gesetze, und da kann es nicht sein, dass wir die kompletten Lasten tragen. In der Grundsicherung ist das ja schon gelungen. Also wird das Problem erkannt.
Das hat wohl auch mit dazu beigetragen, die Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse einzusetzen. In diese Richtung hat das Land insgesamt ja einige Erwartungen gesetzt. Was erwarten Sie als Landrätin eines eher ländlichen Kreises?
Die Erwartung ist, und das ist wohl auch so, dass man damit den Blick auf die ländlichen Regionen richtet, und zwar rechtzeitig, bevor die Kinder alle in den Brunnen gefallen sind. Ich erhoffe mir schon durch das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse, dass mehr Mittel in den ländlichen Raum umgeleitet werden, um dort zumindest die gleiche Infrastruktur vorzuhalten. Das betrifft etwa den Netzausbau, der unbedingt forciert werden muss. Das schaffen wir nicht allein. Das muss politisch und finanziell besser flankiert werden. Das betrifft aber auch das Thema Mobilität. Dort müssen wir auch die Möglichkeit bekommen, neue Dinge auszuprobieren, die in ländlichen Regionen funktionieren können. Das sind Projekte, die unterstützt werden müssen, weil sie sich zumindest am Anfang nicht gleich selbst tragen. Eigentlich wird es in Städten ja immer ungemütlicher. Ich glaube, dass die Lebensqualität im ländlichen Raum eigentlich viel höher ist. Dazu braucht man aber eine funktionierende Basis-Infrastruktur.
Im Bund gibt es seit der Regierungsbildung erstmals ein Heimatministerium. Brauchen wir so etwas oder ist das nur ein symbolischer Akt?
Es ist sicher auch ein symbolischer Akt. Es signalisiert nämlich, dass Heimat durchaus ein modernes Thema ist. Es ist aber sich auch ein Stück weit das Ausrichten einer Verwaltung auf dieses Thema in dem Sinn, dass man sich darum kümmert und es nicht einfach außen vor lässt. Und dieses Signal ist schon notwendig und für uns sehr wichtig.