40 Jahre lang existierten mit der BRD und der DDR gleich zwei Staaten auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik. In der Amtszeit Konrad Adenauers stand die Westintegration im Vordergrund, die Spaltung zwischen West und Ost vertiefte sich. Erst mit der Ostpolitik von Willy Brandt näherten sich beide Staaten wieder an.
Sie saßen direkt nebeneinander, doch getrennt durch einen 1,80 Meter breiten Gang: die beiden Vertreter der Bundesrepublik und der DDR in der UN-Vollversammlung. Am 18. September 1973 wurden beide deutschen Staaten als vollwertige und gleichberechtigte Mitglieder in die Vereinten Nationen aufgenommen. Aus Sicht der BRD bedeutete die Anerkennung der DDR durch die internationale Staatengemeinschaft, gegen die man sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten stets gewehrt hatte, gewissermaßen den Höhepunkt der gegenseitigen Annäherung – doch gleichzeitig war die spezielle Sitzordnung in der Vollversammlung auch weiterhin Ausdruck der besonderen Situation zwischen beiden Staaten. Das hatte auch der damalige Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) mehrfach betont. Gleich in seiner ersten Rede als Kanzler hatte er klargestellt: „Auch wenn zwei Staaten in Deutschland existieren, sind sie doch füreinander nicht Ausland; ihre Beziehungen zueinander können nur von besonderer Art sein."
Mit dem Einzug Brandts ins Kanzleramt im Herbst 1969 kam es dennoch zu einem grundlegenden Wandel in der Deutschlandpolitik. Zu diesem Zeitpunkt existierten die beiden deutschen Staaten bereits seit 20 Jahren nebeneinander, sie waren fest in ihrem jeweiligen politischen Block integriert. Doch erst mit Willy Brandt setzte sich eine Politik durch, die sich stärker als zuvor an diesen geopolitischen Realitäten orientierte.
Der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) hatte dagegen noch die Ziele Freiheit, Frieden und Einheit proklamiert, und zwar in dieser Reihenfolge. Zwar hieß es bis zur späteren Wiedervereinigung 1990 bereits in der Präambel des Grundgesetzes, „das gesamte Deutsche Volk" bleibe aufgefordert, „in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden." Doch aus Sicht der Adenauer-Regierung war die Möglichkeit für Freiheit und freie Selbstbestimmung eben nur durch eine verstärkte und institutionalisierte Zusammenarbeit der Bundesrepublik mit dem Westen gegeben. Eine Wiedervereinigung Deutschlands in einer kommunistischen Diktatur lehnte Adenauer ebenso ab wie ein neutrales Gesamtdeutschland, da er befürchtete, dass dieses sonst leicht in Abhängigkeit von der Sowjetunion geraten könnte.
Stalins Lockangebot mit Hintergedanken
Aus diesem Grund nahm Adenauer 1952 auch nicht das Angebot des sowjetischen Machthabers Josef Stalin an, der in den sogenannten Stalin-Noten ein eben solches neutrales vereinigtes Deutschland in Aussicht gestellt hatte. Erst später zugänglich gewordene Quellen aus Moskauer Archiven bestätigten später allerdings, dass Stalin damit vor allem die Westbindung der Bundesrepublik verhindern wollte, darüber hinaus aber nicht wirklich bereit war, den Deutschen die Selbstbestimmung und die Einheit zu gewähren. Auch die DDR betonte im Übrigen stets, dass die eigene Staatsform und Stadtordnung grundlegend für ein wiedervereintes Deutschland sein müsse.
Adenauer setzte stattdessen auf die Westintegration – sowohl politisch als auch wirtschaftlich und militärisch. Mit den Pariser Verträgen, die am 5. Mai 1955 in Kraft traten, wurde die junge Bundesrepublik sechs Jahre nach ihrer Gründung ein souveräner Staat. Der Besatzungsstatus wurde aufgehoben, jedoch blieb die volle Souveränität durch die alliierten Notstandsrechte und die Präsenz alliierter Truppen in Westdeutschland eingeschränkt. Während Adenauers Amtszeit wurde die BRD zudem Gründungsmitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) sowie der Westeuropäischen Union (WEU), einem kollektiven militärischen Beistandspakt mehrerer westeuropäischer Staaten. Alle drei sind mittlerweile in der Europäischen Union aufgegangen – im Fall von Euratom zumindest de facto, denn die nach wie vor eigenständige internationale Organisation teilt mit der EU sämtliche Organe. Ebenfalls 1955 trat die Bundesrepublik dem westlichen Militärbündnis Nato bei. Am Ende desselben Jahres wurde die Bundeswehr ins Leben gerufen.
Analog dazu trat die DDR 1950 dem Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) und mit ihrer neu gegründeten Nationalen Volksarmee 1955 dem Warschauer Pakt bei. Das östliche Militärbündnis unter Führung der Sowjetunion war eine Reaktion auf die Aufnahme der BRD in die Nato.
„Im Westen kam man jetzt nicht mehr umhin, auch auf längere Sicht von der Existenz zweier deutscher Staaten auszugehen", schrieb der Historiker Manfred Görtemaker in einem Aufsatz für die Bundeszentrale für politische Bildung. Der Bau der Mauer am 13. August 1961 manifestierte die deutsche Teilung für die nächsten 28 Jahre. Danach setzte sich in der Bundesrepublik vermehrt die Meinung durch, dass man mit Rücksicht auf die dort lebenden Deutschen mehr auf die DDR zugehen müsse. Allein schon, um damit das Bewusstsein einer gemeinsamen Nation bei den Menschen wachzuhalten.
Neuer Kurs: Wandel durch Annäherung
Egon Bahr, Mitarbeiter des damals noch Regierenden Bürgermeisters von Westberlin Willy Brandt, prägte 1963 den berühmten Slogan vom „Wandel durch Annäherung", der das spätere Konzept der Brandtschen Ostpolitik prägen sollte. Dabei gab die Bundesrepublik schrittweise ihren Alleinvertretungsanspruch für Gesamtdeutschland auf. Bis dahin hatte die Hallstein-Doktrin das bundesrepublikanische Handeln bestimmt: Staaten, die die DDR anerkannten, wurde mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen gedroht, was etwa im Fall von Jugoslawien und Kuba auch geschah. Es ging so weit, dass die Mannschaft der BRD bei der Eishockey-Weltmeisterschaft 1961 in Genf auf Anraten des Auswärtigen Amtes nicht zum Spiel gegen die DDR antrat, weil sie ansonsten der Hymne und der Flagge der DDR hätte Reverenz erweisen müssen.
Im Osten existierte als Gegenstück die Ulbricht-Doktrin von DDR-Staatschef Walter Ulbricht, gelegentlich auch als „Anti-Hallstein-Doktrin" bezeichnet. Sie besagte, dass die Mitgliedsstaaten des Warschauer Pakts ihre Beziehungen zur Bundesrepublik nicht normalisieren durften, solange diese nicht ihrerseits „die bestehenden Grenzen und die Existenz zweier deutscher Staaten" anerkannt habe. Die Folge war, dass die BRD zwar schon in den 50er- und 60er-Jahren Mitglied in zahlreichen UN-Sonderorganisationen wurde, etwa der Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder der Weltkulturorganisation (Unesco), aber eben bis 1973 kein Vollmitglied.
Erst der deutsch-deutsche Grundlagenvertrag von 1972 führte letztlich zur Aufnahme beider Staaten. Darin verständigten sich die BRD und die DDR darauf, dass sie künftig „normale gutnachbarliche Beziehungen zueinander auf der Grundlage der Gleichberechtigung" entwickeln wollten. Der Grundlagenvertrag war der wichtigste der sogenannten Ostverträge während der Kanzlerschaft von Willy Brandt.
Insgesamt gab es innerhalb weniger Jahre gleich mehrere Abkommen: den Moskauer sowie den Warschauer Vertrag von 1970, das Viermächteabkommen der Alliierten von 1971 zu Westberlin sowie daran anknüpfend das Transitabkommen aus demselben Jahr über den Transitverkehr von zivilen Personen und Gütern zwischen der BRD und Westberlin. Dieses war das erste Abkommen, das auf Regierungsebene zwischen der Bundesrepublik und der DDR abgeschlossen wurde und somit quasi die Vorstufe zum Grundlagenvertrag. Diesem wiederum folgten in den Jahren danach noch zahlreiche Einzelverträge, etwa über das Gesundheitswesen, den Post- und Fernmeldeverkehr oder den Bau einer Autobahn zwischen Hamburg und Berlin.
Längst gab es eine friedliche Koexistenz beider Staaten, wobei die Bundesrepublik sehr genau darauf achtete, die DDR höchstens staatsrechtlich anzuerkennen, nicht aber völkerrechtlich. Weiterhin war die Einheit der Nation die zentrale politische Aufgabe der westdeutschen Politik. Oder wie es Willy Brandt am 26. September 1973 bei der ersten Rede eines deutschen Bundeskanzlers vor der UN-Generalversammlung in New York (USA) ausdrückte: „Ich spreche zu Ihnen als Deutscher und als Europäer. Genauer: Mein Volk lebt in zwei Staaten und hört doch nicht auf, sich als eine Nation zu verstehen."