Technische Entwicklungen bei Mountainbikes und Rennrädern sind spannend. Digitalisierung und Elektrifizierung spielen eine größere Rolle. Scheibenbremsen und Breitreifen sind auf dem Vormarsch.
Wer beim Radfahren sportlich unterwegs ist, möchte nicht, dass ihm andere davonfahren. Tatsächlich gibt es derzeit einige innovative Produkte und zukunftsträchtige Trends aus den Bereichen Mountainbike (MTB) und Rennrad, um am Puls der Zeit zu bleiben. „Es geht in Richtung komfortables Fahren", sagt Tobias Hempelmann vom Verband des Deutschen Zweiradhandels (VDZ). Für Rennräder bedeutet das: Die Rahmengeometrie verändert sich, wird kürzer, der Lenker sitzt etwas höher und die Reifen werden breiter – ein Phänomen, das auch der demografischen Entwicklung geschuldet ist. „Wer heute noch fährt, wäre früher in dem Alter wohl nicht mehr gefahren", sagt Hempelmann.
Die Scheibenbremse hat bei den Rennrädern nun ihren Durchbruch geschafft, betont er. Martin Utz vom Bayerischen Radsportverband stimmt dem zu. Er erklärt, warum es einige Zeit gedauert hatte, bis die Scheibenbremse im Sport eine echte Alternative zur Felgenbremse wurde. „Erst hat man sich gesträubt, denn die Scheibenbremse hat einen kürzeren Bremsweg." Nachkommende Fahrer mit Felgenbremse könnten leicht auffahren. Beim gemeinsamen Fahren stiege dadurch die Unfallgefahr. „Mittlerweile verschwindet das alte System jedoch zusehend." Die Scheibenbremse ist inzwischen sogar bei Wettbewerben erlaubt. Und auch in Sachen Reifen tut sich gerade einiges. „Sogenannte Gravel-Rennräder erschließen den Fahrspaß auch abseits des Asphalts", stellt Arne Bischoff vom Pressedienst Fahrrad (PD-F) fest. Während noch vor fünf Jahren Reifen mit 25 Millimetern als breit galten, messen die Reifen der Gravel-Rennräder mit bis zu 50 Millimetern nun das Doppelte. „Sie bieten genug Fahrkomfort und Fahrsicherheit sowie das fast schwerelose Vergnügen des Rennradfahrens auch auf Schotterstraßen oder Waldwegen, ohne dabei schlechter zu rollen."
Bischoff berichtet, der Trend käme aus den USA, wo sogenannte Gravel-Roads auf endlosen Meilen das Hinterland erschließen. In Deutschland spreche diese Form des Rennradfahrens vor allem Menschen an, die keine Lust haben, ihren Sport auf öffentlichen Straßen zwischen Abgasen und eng überholenden Pkw auszuüben. Es gibt diese Räder für verschiedene Zielgruppen. Das Velotraum SP-300 für ab 2.700 Euro eignet sich etwa für Radreisende. Das Cannondale Slate, das es ab 2.999 Euro zu kaufen gibt, ist eine sportlichere Variante.
Bei den Reifen ein Trend: Tubeless-Systeme, also Modelle ohne Schlauch, der somit auch nicht mehr platzen kann. Arne Bischoff berichtet, dass Tubeless-Reifen bei Vollblutsportlern bereits etabliert seien und sich der Trend nun auf die breite Masse ausweite. Die Vorteile sind so groß, dass auch Hobbyradsportler – stärker noch im MTB – als im Rennradbereich – mehr und mehr darauf setzen: „Weniger Pannen, bessere Traktion, höherer Komfort bei gleichem oder sogar besserem Rollwiderstand", betont Bischoff. Der Preis eines kompletten Tubeless-Systems sei etwa identisch mit der klassischen Schlauchvariante, erklärt Bischoff. Die Tubeless-Montage dauert allerdings etwas länger als beim klassischen Schlauch, man muss öfter nachpumpen und etwa jedes halbe Jahr die sogenannte Dichtmilch tauschen.
Präzises Schalten ohne Kabelsalat
David Eisenberger vom Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) kennt zwei weitere große Themen, die die Radsportszene bewegen: die Digitalisierung und die Elektrifizierung. Der Experte erklärt, dass es bei der digitalen Vernetzung verschiedene Systeme für verschiedene Zwecke gibt. Als Beispiel nennt er das sogenannte COBI.Bike-System, das es ab etwa 230 Euro zu kaufen gibt. Die Halterung wird am Lenkrad angebracht und verbindet das Fahrrad mit dem eigenen Smartphone, das mittels einer App quasi zum Bordcomputer wird. Über einen Daumen-Controller kann man diesen steuern. Während der Fahrt sind Geschwindigkeits-, Strecken-, Höhen-, Wetter-, Fitness-, oder Leistungsdaten abrufbar. Auch eine Navigationsfunktion ist enthalten.
Als zweites Beispiel nennt Eisenberger das Sigma Rox 12.0 Sport. Dabei handelt es sich um einen eigenständigen Bordcomputer, der ohne Smartphone funktioniert. Die Funktionen und Möglichkeiten sind ähnlich. Es ist ab circa 400 Euro erhältlich. „In beiden Fällen geben Sensoren, die bereits vom Hersteller etwa in den Pedalen oder der Federgabel des Fahrrads integriert wurden, die Daten an das Smartphone oder den Bordcomputer weiter", erklärt Eisenberger. Dieses Feedback zur Leistung werde von den Nutzern zur Trainingssteuerung und -optimierung verwendet.
Bei der Elektrifizierung spricht Eisenberger ebenfalls von einem Trend – sowohl bei den MTBs als auch bei den Rennrädern. Dem Zweiradexperten Arne Bischoff ist das ebenfalls aufgefallen: „Ab einem Preis von etwa 3.000 Euro ist das E-MTB auf dem besten Wege, seinen unmotorisierten Bruder in den Verkaufszahlen zu überflügeln." Beim Rennrad sei die Motorisierung noch nicht ganz so weit fortgeschritten. „Doch auch dort werden die Motoren wichtiger." Aber nicht nur mit den Motoren schreitet die Elektrifizierung voran. Der deutsch-amerikanische Komponenten-Spezialist Sram hat jetzt die erste elektronische Funkschaltung Eagle AXS ans Mountainbike gebracht, berichtet Arne Bischoff. Für das Rennrad hat dieser Hersteller bereits 2016 eine elektrische Funkschaltung entwickelt, die aber jüngst eine Überarbeitung hinsichtlich neuer Schaltmodi, feinerer Abstufung und Individualisierbarkeit erhalten hat und nun Red eTap AXS heißt. „Revolution am MTB also und Evolution am Rennrad", sagt Bischoff. Sram sei damit der einzige Hersteller, der elektronische Funkschaltungen für MTB und Rennrad anbietet. Alle anderen elektronischen Schaltungen übertragen das Schaltsignal per Kabel.
Bischoff kennt die Vorteile der Innovation: Mit dem Verzicht auf Kabel falle ein sehr defektanfälliges Bauteil weg. „Zudem ist die Montage kinderleicht, gerade bei modernen Sporträdern, bei denen oft Schaltzüge oder Hydraulikleitungen umständlich im Rahmen verlegt werden müssten." Die Feineinstellung der Schaltung werde wesentlich einfacher. Die Schaltvorgänge seien schneller und sauberer. „Der Radsportler kann sich die Schaltcharakteristik und -funktion ganz einfach per App auf seine Bedürfnisse anpassen." Der Nachteil: Mit Preisen von 2.000 Euro für die Eagle AXS sei die Funktechnik sicher zunächst vor allem etwas für ambitionierte Radsportler oder Technikfans.