Die FDP gilt als Partei, die eigentlich für ein Grundeinkommen aufgeschlossen sein müsste: Es könnte die Chance sein, die Vielfalt der Sozialleistungen zu bündeln. Doch für FDP-Fraktionsvize im Deutschen Bundestag Michael Theurer ist diese Idee ein Irrweg.
Herr Theurer, würde ein bedingungsloses Grundeinkommen eine gerechtere Gesellschaft schaffen können, gerade für Bürger in Berufen, in denen ohnehin niedrige Löhne gezahlt werden?
Auf den ersten Blick erscheint das bedingungslose Grundeinkommen attraktiv: Die Freiheit, ohne Angst vor Armut zu leben und seinen Talenten zu folgen wird kombiniert mit dem Traum vom anstrengungslosen Wohlstand. Schaut man genauer hin, ergeben sich sowohl auf theoretischer als auch auf praktischer Ebene große Probleme. Ist es hoch genug, dass man davon auch im Ballungsraum anständig leben kann, ist es nicht finanzierbar und krass leistungsfeindlich, wodurch es die Schaffung des Wohlstands untergräbt, der mit ihm verteilt werden soll. Ist es in einer finanzierbaren Höhe, haben Bedürftige im Vergleich zur heutigen Situation möglicherweise keine Vorteile oder gar Nachteile, während auch Besserverdiener eine Auszahlung bekommen. Der langjährige Generalsekretär des Caritasverbandes Cremer weist darauf hin, dass durch ein bedingungsloses Grundeinkommen vielfältige Anreize zur Schwarzarbeit entstünden, was die Aufrechterhaltung zusätzlich erschweren würde. Ein Vorteil, den wir aber anerkennen müssen: Die Bürger müssten nicht mehr von Amt zu Amt laufen und gerade jene mit einem niedrigen Einkommen könnten von Zuverdiensten deutlich mehr behalten als bisher. Das wäre mit unserem Reformvorschlag, den wir „liberales Bürgergeld" nennen, möglich.
Aber mit dem bedingungslosen Grundeinkommen könnten viele Menschen vermehrt ehrenamtliche Tätigkeiten ausüben und würden so einen Dienst an der Gesellschaft leisten.
Hier geht es ja um den Übergang von der Arbeitsgesellschaft zur Tätigkeitsgesellschaft. Das Thema wird uns mit der fortschreitenden Digitalisierung wohl noch viel stärker begleiten als bisher. Mit dem Grundeinkommen hat das aber relativ wenig zu tun: Die Notwendigkeit, dass der zu verteilende Wohlstand von irgendwem erwirtschaftet werden muss, entfällt ja auch mit einem bedingungslosen Grundeinkommen nicht. Dass da auf einmal alle super viel Freizeit hätten, ist ein tragischer Fehlschluss – wenn dem so ist, kann sich das System zumindest bei den heutigen Rahmenbedingungen nicht aufrechterhalten. Tatsächlich erfährt aber das ehrenamtliche Engagement viel zu wenig Anerkennung und wird mit einer zunehmenden Verrechtlichung kaputtgemacht. Hier sollten wir ansetzen und umsteuern.
Was würden sie dann von einem bedingten Grundeinkommen halten, das zum Beispiel für alle Menschen in Deutschland gilt, die weniger als 1.300 Euro im Monat zur Verfügung haben?
Es gibt eine Reihe von Stellschrauben, die in einem Sozialsystem sinnvoll eingestellt werden müssen. Reiche Menschen mit geringem Einkommen sind auf diese Art der Solidarität nicht angewiesen, weshalb wir auf eine Bedürftigkeitsprüfung bestehen. Gleichzeitig sollen die Menschen nicht erst verarmen müssen, bevor sie Unterstützung bekommen. Dass Menschen mit einem geringen Einkommen und einem geringen Vermögen vom Staat etwas dazubekommen, ist ja schon heute so – die skandalisierten sogenannten Aufstocker. Wir Freie Demokraten wollen es generell attraktiver machen, überhaupt arbeiten zu gehen. Dabei gelten für uns ein paar zentrale Grundsätze: Solidarität ist keine Einbahnstraße, wir erwarten Mitwirkung – fördern und fordern. Der Hinzuverdienst muss viel attraktiver sein als heute, das heißt wir wollen, dass Aufstocker mehr behalten dürfen. Manchmal muss man auf komplexe Fragen eben auch komplexe Antworten geben.