Da der deutsche Spitzen-Schwimmsport derzeit schwierige Zeiten durchlebt, werden dem DSV-Team bei der Weltmeisterschaft im südkoreanischen Gwangju kaum Medaillenchancen eingeräumt.
Es ist längst Usus geworden, zu sportlichen Großveranstaltungen ein niedliches Maskottchen zu präsentieren. Da macht die im Südwesten Südkoreas gelegene, 1,4 Millionen Einwohner zählende Stadt Gwangju, wo zwischen dem 12. und 29. Juli die 18., vom internationalen Schwimmverband, der „Fina" (Fédération Internationale de Natation), ausgerichtete Schwimm-Weltmeisterschaft stattfindet, keine Ausnahme. Die Asiaten haben gleich zwei putzige Tierchen als Marketinginstrument entworfen, wobei es sich um zwei Otter handelt, die in der Region vom Aussterben bedroht waren, aber seit Kurzem wieder im Yeongsangang-Fluss rund um die WM-Stadt einen neuen Lebensraum gefunden haben. „Sie schwimmen frei im Wasser und stehen für die Leidenschaft der Schwimmer für Herausforderungen", so das südkoreanische WM-Organisationskomitee in der fraglos ziemlich weit hergeholten Begründung für die Motivauswahl. Damit nicht genug, sollen die friedliebenden Tiere auch noch den offiziellen Slogan der Schwimm-Weltmeisterschaft repräsentieren: „Dive into Peace", sinngemäß zu übersetzen als „Tauche ein in den Frieden".
Die Fina konnte schon im Vorfeld einen neuen Rekord vermelden. Denn erstmals hatten 190 Länder ihre Teilnahme avisiert und werden rund 4.500 Athleten und Offizielle in die 330 Kilometer von der Hauptstadt Seoul entfernt gelegene City und das von dieser fast zwei Eisenbahnstunden entfernt am Pazifik gelegene Yeosu, wo die Freiwasser-Kompetitionen stattfinden werden, entsenden. Auch wenn bei der WM in Gwangju Medaillen in den Disziplinen Wasserball, Wasserspringen, Synchronschwimmen, Klippenspringen und Freiwasserschwimmen verteilt werden, so wird sich das Interesse der breiten Öffentlichkeit doch wie immer bei internationalen Schwimm-Titelkämpfen im Wesentlichen auf die Becken-Wettbewerbe im 11.000 Zuschauer fassenden Nambu University Municipal Aquatic Centre konzentrieren. Wo allein 42 der insgesamt 76 Titel der Schwimm-Weltmeisterschaft vergeben werden, im Freiwasser werden sieben Champions gekürt werden.
Hausding kämpft mit Knieproblemen
Im 30-köpfigen Athletenteam des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) dürfte man sich kaum große Hoffnungen machen, einen der begehrten WM-Titel erkämpfen zu können. Zu ernüchternd war das Abschneiden deutscher Schwimmer bei sportlichen Mega-Events wie Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen in den vergangenen Jahren gewesen. Inzwischen scheint sogar bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten der Geduldsfaden gerissen zu sein. ARD und ZDF, die lange in Nibelungentreue die deutschen Fernsehzuschauer mit stundenlangen Übertragungen aus den Schwimmstadien dieser Welt und der voreiligen Ankündigung deutscher Medaillenhoffnungen bei gefühlt jedem zweiten Wettbewerb genervt hatten, hatten bei Redaktionsschluss noch keinerlei Vollzug in Sachen Übertragungsrechte-Erwerb für die Schwimm-WM vermeldet. Kein Wunder, gehen die meisten Endläufe im Becken doch um die hiesige Mittagszeit über die Bühne (Südkorea-Ortszeit ab 20 Uhr), was hierzulande wenig Publikum vor die Mattscheiben locken und daher nur maue Quoten versprechen dürfte. Zudem hat wohl auch der hartgesottenste hiesige Sportfan längst keine Lust mehr darauf, deutschen Schwimmern live bei Niederlagen oder beim Verpassen ambitionierter Ziele zuzuschauen.
Da wird der DSV in den nächsten Jahren viel Arbeit investieren müssen, um verlorenes Vertrauen in der deutschen Öffentlichkeit zurückgewinnen und neues Interesse an dem hierzulande zur Randsportart hin mutierenden Schwimmen wiedererwecken zu können. Kurzfristige Erfolge schon bei der aktuellen WM in Südkorea wird auch das neue DSV-Kompetenzteam rund um die beiden Bundestrainer Bernd Berkhahn und Hannes Vitense wohl kaum erwarten, da geht der Blick eher Richtung Olympische Spiele 2020. Zu verheerend war die DSV-Bilanz bei der letzten Weltmeisterschaft 2017 in Budapest, wo lediglich Franziska Hentke über ihre Paradestrecke 200 Meter Schmetterling für Deutschland eine Medaille, nämlich die Silberplakette, erringen konnte. Der ohnehin enttäuschende Platz 19 in der Medaillenwertung war letztlich nur den beiden Medaillen im Wasserspringen durch Patrick Hausding im Einzel (Silber vom Drei-Meter-Brett) und an der Seite von Sascha Klein im Synchron-Wettbewerb (Bronze vom Zehn-Meter-Turm) zu verdanken. Kaum zu erwarten, dass die Wasserspringer als ewige Edelmetall-Garanten auch in Gwangju wieder für den DSV die Kastanien aus dem Feuer holen können. Schließlich hat Sascha Klein seine Karriere beendet. Und Patrick Hausding wird zwar in Südkorea antreten, doch der deutsche Top-Athlet mit einer stolzen Sammlung von bislang 28 EM-, vier WM- und zwei Olympia-Medaillen hatte in jüngster Zeit häufig mit Knieproblemen zu kämpfen und wurde zusätzlich durch einen Trainingsunfall Anfang des Jahres in der Vorbereitung auf Gwangju etwas aus der Bahn geworfen. Hausding: „Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass ich in diesem Jahr eine WM-Medaille hole." Dennoch sind sich die Experten weitgehend darüber einig, dass ein Hausding immer für eine positive Überraschung gut sein kann.
Wellbrock und Hentke sind die Kandidaten
Darauf hoffen auch die deutschen Wasserballer unter Bundestrainer Hagen Stamm. Das zuletzt weder für die Olympischen Spiele 2016 noch für die WM 2017 qualifizierte Team möchte sich einen Platz unter den besten Acht erkämpfen, um sich dadurch Vorteile für das im Frühjahr 2020 anstehende Fina-Olympia-Qualifikationsturnier sichern zu können. Für den Einzug ins Viertelfinale muss die Gruppenphase mit dem Olympiadritten Italien, dem Olympiaachten Brasilien und dem aufstrebenden WM-Zehnten Japan überstanden werden. Für die Freiwasser-Wettbewerbe zwischen dem 13. und 19. Juli hat der DSV neun Athleten nominiert, vier Frauen und fünf Männer. Wobei Florian Wellbrock (über zehn Kilometer) und Sarah Köhler (25 Kilometer und Mixed-Staffel 4x1,25 Kilometer) Doppelstarter sind, also auch im Becken zum Einsatz kommen werden. Freiwasser-Bundestrainer Stefan Lurz traut Leonie Beck (fünf und zehn Kilometer) und Finnia Wunram (fünf und zehn Kilometer) bei den Frauen sowie Florian Wellbrock und Rob Muffels (zehn Kilometer) bei den Männern einen Platz unter den Top Ten zu. Andreas Waschburger von der SGG Saar Max Ritter schaffte quasi auf den letzten Drücker die Qualifikation für die 25 Kilometer.
Doch zurück zu den DSV-Problemkindern, nämlich den Beckenschwimmern. Das aus 13 Frauen und 17 Männern bestehende WM-Team wird angeführt von Vize-Weltmeisterin Franziska Hentke (die über 200 Meter Schmetterling an den Start gehen wird), Langstrecken-Spezialistin Sarah Köhler (800 und 1.500 Meter Freistil), dem amtierenden Europameister über 1.500 Meter Freistil Florian Wellbrock (gemeldet für 400, 800 und 1.500 Meter Freistil), Ex-Weltmeister Marco Koch, der auf seiner Paradestrecke 200 Meter Brust jüngst erstmals seit drei Jahren wieder mit einer bemerkenswerten Zeit unter der 2:08er-Grenze aufwarten konnte (er beschränkt sich denn auch in Gwangju auf diesen Wettbewerb), und Lagen-Ass Philip Heintz (200 und 400 Meter Lagen). Vor allem Wellbrock, dem über die langen Freistilstrecken inzwischen der Durchbruch in die Weltspitze gelungen ist, und natürlich auch Franziska Hentke, ist durchaus eine Medaille zuzutrauen. Aber die Konkurrenz ist stark, das wird sicherlich auch Marco Koch, Sarah Köhler und Philip Heintz bewusst sein.
Die Stars der WM dürften ohnehin wieder aus anderen Ländern kommen. Beispielsweise aus den USA, die mit 46 Athleten an den Start gehen werden, angeführt bei den Männern von Caeleeb Dressel, der bei der WM 2017 sieben Goldmedaillen gewonnen hatte, und bei den Frauen von Katie Ledecky und Simone Manuel, die 2017 jeweils fünf Titel einheimsen konnten. Die vierfache WM-2017-Goldmedaillengewinnerin Lily King nicht zu vergessen. Die Ungarin Katinka Hosszú, Titelverteidigerin über 200 und 400 Meter Lagen, könnte ebenso ein Aushängeschild der WM 2019 werden wie die wegen Dopingverdachts umstrittene Russin Julija Jefimowa (über alle Bruststrecken) oder der schwedische Superstar Sarah Sjöström (Titelverteidigerin über 50 und 100 Meter Schmetterling sowie 50 Meter Freistil). Bei den Männern zählen der Brite Adam Peaty (Titelverteidiger über 50 und 100 Meter Freistil), der US-Amerikaner Chaze Kalisz (Titelträger über 200 und 400 Meter Lagen) oder der Russe Anton Chupkov (Sieger 2017 über 200 Meter Freistil) zu den großen Favoriten.
Australien wird bei den Männern über die 100 Meter Freistil durch Kyle Chalmers (Weltjahresbestzeit) ein gehöriges Wort mitreden wollen. Frankreich scheint der WM keinen großen Stellenwert beizumessen und ist nur mit einem elfköpfigen Rumpfteam am Start.