Das 15-jährige Tennis-Ausnahmetalent Sarah Müller will schnellstmöglich zu den besten 100 Jugendspielerinnen der Welt gehören. Dafür will sie beim topbesetzten ITF-Turnier in Neunkirchen vom 8. bis zum 14. Juli Weltranglisten-Punkte sammeln.
Es klingt wie Routine, gar wie eine Mischung aus Pflichtgefühl und Langeweile: Tennis-Talent Sarah Müller vom TuS 1860 Neunkirchen hat ihre letzten sechs Endspiele um die Saarlandmeisterschaft allesamt gewonnen. Zuletzt die der Damen Anfang Juni in Winterbach – dabei ist sie Ende April erst 15 Jahre alt geworden. Der Sieg fiel glatt in zwei Sätzen aus: 6:0 und 6:0. Sarahs Augen funkeln trotzdem, wenn sie über den jüngsten ihrer unzähligen Saarlandmeister-Titel spricht. Jeder Sieg bereitet ihr Freude, jeder Titel steigert die Motivation für mehr. „Es ist ja nicht so, dass ich hier überhaupt keine Gegnerinnen mehr hätte – die spielen schon sehr gut. Aber meistens gewinne ich halt", sagt Sarah bescheiden und ergänzt: „Deshalb orientiere ich mich seit einiger Zeit international."
Konkret heißt das, sie nimmt an der ITF-Tour der unter 18-Jährigen teil. Bei den Turnieren dieser Serie können die internationalen Toptalente Punkte für die Weltrangliste der Juniorinnen sammeln. Weil sie sich der ITF-Tour gerade erst angeschlossen hat, rangiert Sarah Müller irgendwo um Platz 400. Das erste große Etappenziel auf dem Weg zum Tennisprofi ist aber schon gesteckt: „Wenn man zu den Top 100 gehört, darf man an den Jugend-Grand-Slams teilnehmen und spielt dann auf den gleichen Plätzen wie die Profis. In den nächsten Jahren will ich das auf jeden Fall schaffen", erklärt sie und ergänzt: „Sonst sieht man die Profis immer im Fernsehen und sieht das, wo man unbedingt hinwill. Mit den Großen auf einer Anlage zu spielen, ist Motivation genug." Um ihrem Ziel näherzukommen, nimmt sie während der Sommerferien an möglichst vielen Turnieren teil. Für eines muss sie gar nicht einmal so weit reisen: Zwischen dem 8. und 14. Juli richtet ihr Verein TuS 1860 Neunkirchen die „proWIN Saarland Junior Open" aus. „Das ist für mich schon eines der wichtigen Turniere. Einfach, weil es direkt vor unserer Haustür stattfindet, und auch, weil es so stark besetzt ist", sagt sie. Ihr erstes ITF des Jahres, die „Heiveld Junior Indoor Open" in Belgien hat sie prompt gewonnen – und zwar im Einzel wie auch im Doppel. Deshalb wagt sie sich so langsam an die höher dotierten Turniere heran. Dieses Jahr steht außerdem noch die Deutsche Meisterschaft auf dem Wettkampfplan, bei der sie zusammen mit dem älteren Jahrgang ihrer Altersklasse an den Start geht. „Das wird schon schwierig", weiß die U14-Hallenmeisterin von 2018 und sagt zu ihrer Zielsetzung: „Das Viertelfinale wäre okay, das Halbfinale wäre schön."
„Ich orientiere mich seit einiger Zeit international"
Vor und nach den Sommerferien teilt Sarah Müller das gleiche Schicksal wie andere Jugendliche auch: Sie muss zur Schule. Weil sie den Sportzweig des Rotenbühl-Gymnasiums in Saarbrücken besucht, wird sie zwar explizit gefördert und für wichtige Turniere freigestellt – der Schulstoff wird dadurch allerdings nicht weniger und muss zu Hause nachgeholt werden. „Es ist schon schwer, die Noten zu bekommen, die ich gerne hätte. Aber die Kombination klappt ganz gut", sagt sie. Nach der zehnten Klasse darf sie sich entscheiden, ob sie das Abitur in zwei (G8) oder drei Jahren absolvieren möchte.
Normalerweise trainiert Sarah pro Woche achtmal. Hinzu kommen mehrere Einheiten im Rahmen des Schultrainings und Sonderschichten am Abend wie Konditionstraining. Probleme mit Verletzungen hatte sie trotz der großen Belastung noch nie. „Vielleicht, weil ich früher lange geturnt habe", mutmaßt sie und setzt alles daran, dass sie verletzungsfrei bleibt. Zeitintensives Training gehört einfach dazu – und das stört sie auch nicht. Im Gegenteil: „Ein Leben ohne Tennis ist für mich unvorstellbar", stellt sie klar. „Eine normale Schülerin zu sein wäre nichts für mich. Ich brauche immer Action, daher gefällt mir das schon so, wie es jetzt ist." Unter „Action" versteht sie durchaus auch das Praktizieren ihres einzigen Hobbys neben Tennis: Shopping.
Das große Talent von Sarah Müller blieb auch dem Deutschen Tennisbund nicht verborgen. Seit einiger Zeit wird Sarah im Porsche Junior Team des DTB gefördert. Eine ihrer Trainerinnen dort ist die frühere Weltklasse-Spielerin Barbara Rittner. In den Wintermonaten finden Lehrgänge statt, im Sommer werden die Schützlinge von den Trainern des Teams bei Turnieren unterstützt. Obwohl die Talente eigentlich Konkurrentinnen sind, hat sich ein gewisser Teamgeist entwickelt. „Wenn wir gemeinsam unterwegs sind, verstehen wir uns wie richtige Freundinnen", berichtet Sarah, nicht ohne lachend zu ergänzen: „Auf dem Platz ist das natürlich was anderes. Wenn wir gegeneinander spielen, ruht die Freundschaft für ein paar Stunden."
„Sie ist auch Linkshänderin und hat ein gutes Konterspiel"
Hin und wieder kommt es bei den Lehrgängen mit dem Team auch zu Aufeinandertreffen mit den deutschen Stars. Beim Fed Cup im Februar dieses Jahres in Braunschweig, wo das deutsche Team gegen Weißrussland unterlag, durften die Nachwuchshoffnungen ganz nah dabei sein. „Wir durften bei den Spielen in der Box sitzen und das Team kennenlernen. Das war schon ganz cool", berichtet Sarah Müller, die ihrem großen Vorbild auch schon mal begegnete: Wimbledon-Siegerin Angelique Kerber. „Wenn ich sie treffe, ist das schon etwas Besonderes und eine große Motivation für mich", sagt sie, und die Augen funkeln wieder, als erzählte sie von einem Sieg. „Wie weit sie es schon geschafft hat, das ist echt beeindruckend. Sie hat schon drei Grand Slams gewonnen, und das ist etwas, was ich auch gerne erreichen würde. Aber da liegt noch ein langer Weg vor mir." Parallelen zum Idol gibt es schon mal – das hat kein Geringerer als Altmeister Boris Becker als Ehrengast eines Lehrgangs schon einmal festgestellt. „Das sehe ich schon als Kompliment", sagt sie und erklärt: „Sie ist auch Linkshänderin und hat ein gutes Konterspiel. So spiele ich auch gerne, deshalb orientiere ich mich schon etwas an ihrer Spielweise."
Solche Komplimente schmeicheln Sarah Müller, darüber hinaus lassen sie Vergleiche mit den Weltstars kalt. Schon gar nicht lässt sie sich davon unter Druck setzen: „Wenn Barbara Rittner oder Boris Becker so was sagen, ist das okay", sagt sie. „Solange man nicht, wie in anderen Ländern, die Schule abbricht, um sich nur noch auf Tennis zu konzentrieren, ist das in Ordnung", weiß Sarah, die sich des Rückhalts und der Obhut ihrer Familie sicher sein kann. Trotz allem Ehrgeiz und ihres jungen Altes schützt sie sich auch schon selbst. Mit beachtlicher Vernunft: „Ich will mein Abi machen und dann, wenn es mit dem Tennis nicht klappt, kann ich immer noch studieren", sagt sie. Plan B steht also – wobei es derzeit nicht danach aussieht, dass Plan A nicht funktioniert.