Mit einer CO²-Steuer will Umweltministerin Svenja Schulze das Klima retten. Die Begeisterung dafür hält sich selbst bei ihren Kollegen im „Klimakabinett" in Grenzen.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze ist sichtlich gut gelaunt, als sie in ihr Ministerium zu letzten Besprechungen für das nächste Klimakabinett eilt. Schulze ist etwas gelungen, was einem Gutteil ihren Kabinettskollegen schon lang nicht mehr gelingt. Die Umweltministerin ist thematisch nicht mehr in der Defensive und von Misserfolgen geplagt. Die 50-jährige SPD-Frau hat die Initiative für die Rettung des Weltklimas an sich gerissen. Zumindest in dem überschaubaren Kosmos des Berliner Regierungsviertels an der Spree. Das Zauberwort: Klimaprämie.
Nach der Einführung der CO2-Steuer sollen alle Bürger ein Umweltgeld zwischen 60 und 100 Euro erhalten. Wer weniger CO2 verursacht, behält am Ende sogar noch was über. Die Klimaprämie eben. Klingt toll, zumindest für die Rückeroberung der Lufthoheit im „Klimakabinett". Das hatte die völlig unter die Räder von „Fridays for Future" geratene ehemalige „Klimakanzlerin" in ihrer Not Mitte März diesen Jahres ausgerufen. Auch eine Reaktion darauf, dass Deutschland, Stand Anfang 2019, die selbstgesetzten Klimaziele verfehlen wird.
Viele Gutachten, aber noch kein Ergebnis
Neben der Kanzlerin und Umweltministerin sind als weitere ständige Mitglieder dabei: Innenminister Seehofer (CSU), Wirtschaftsminister Altmaier (CDU), Landwirtschaftsministerin Klöckner (CDU), Verkehrsminister Scheuer (CSU) und Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU). Auf der letzten Sitzung im Mai gab es keine greifbaren Ergebnisse, denn die Ressorts sondieren noch die Lage. Allerdings hat man sich dazu durchgerungen, verschiedene Studien und Gutachten in Auftrag zu geben. Da lässt man diese und jene Idee prüfen. Regierungsalltag, wenn man keine substantielle Grundlage für Entscheidungen hat. Doch das hat sich jetzt mit einem Schlag geändert. Die parlamentarische Sommerfrische, in der sich die Mitglieder des Klimakabinetts schon wähnten, ist mit einem Schlag vorbei. Umweltministerin Schulze hat überraschend Inhalte vorgelegt. Seither wird um eine CO2-Steuer heftig gestritten.
Ab dem ersten Januar kommenden Jahres soll pro Tonne CO2 bei Benzin, Diesel, Heizöl und Gas 35 Euro bezahlt werden. Dieser Preis pro Tonne erhöht sich dann in den nächsten zehn Jahren um 14,50 Euro pro Jahr. 2030 kostet dann die emittierte Tonne CO2 180 Euro. Die deutschen Verbraucher sollen für diesen „CO2-Preis", wie ihn Umweltminister Schulze beharrlich nennt, pro Jahr ein CO2-Guthaben zwischen 60 und 100 Euro erhalten. „Wer zum Beispiel wenig Benzin verbraucht und obendrein eine moderne Heizung in seinem Haus hat, wird am Ende des Jahres sogar noch was übrigbehalten", frohlockt die Umweltministerin im FORUM-Gespräch. Das wäre dann die anfangs vorgestellte „Umweltprämie". Allerdings setzt dies voraus, dass man zentral in der Stadt wohnt, um die Ecke arbeitet und seine Behausung über eine Niedrigenergieheizung verfügt.
Doch die Millionen Pendler vor den Toren der Stadt wären die Gekniffenen. Denn bereits bei der Einführung der CO2-Steuer zum 1. Januar würde der Liter Sprit um mindestens zehn Cent teurer. Dasselbe würde für Heizöl gelten. Am Ende der Planung (2030) wären es mindestens 54 Cent pro Liter Brennbares.
Für CDU/CSU sind diese Vorschläge absolutes Gift. Weder Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) noch Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) wollen da mitmachen. Auch im Kanzleramt findet man die Vorschläge wenig praktikabel, schon aufgrund des hohen Verwaltungsaufwandes. Öffentlich halten sich alle drei aber sehr zurück. Denn weder von der CDU, noch von der CSU gibt es ein konkretes Papier zur Eingrenzung des CO2-Ausstoßes.
Zahlen – und weitermachen wie bisher
Kritik kommt auch von den Umweltverbänden. Vor allem ein Punkt bringt Nabu, BUND oder Umwelthilfe auf die Palme. Warum findet sich in den Vorschlägen aus dem Bundesumweltministerium kein Wort zur CO2-Besteuerung von Kerosin, fragen sich die Umweltlobbyisten. „Das ist sicherlich ein Gebiet, wo eine Gesamtbetrachtung nötig ist, diese Frage kann nicht Deutschland allein, sondern die kann man nur europaweit beantworten", meint die ertappte Svenja Schulze. Bei einer Sonderbesteuerung von Flugbenzin hört für alle politisch Beteiligten schon seit Längerem der Spaß auf. Auch bei den Oberumweltaktivisten, den Grünen. „Ganz dünnes Eis, man darf nicht vergessen, die Deutschen sind Reiseweltmeister", gab Bundesgeschäftsführer Michael Kellner schon im FORUM-Interview im Februar zu bedenken. Die Urforderung der Grünen nach einem Verbot von innerdeutschen Flügen ist dementsprechend auch schon lange vom Parteitag kassiert. Und auch die SPD-Umweltministerin Svenja Schulze hat offenbar keine Lust, sich mit den reisefreudigen Deutschen anzulegen. Von einem Ende der Billigfliegerei will also im Berliner Regierungsviertel niemand etwas hören, schon gar nicht im Klimakabinett, da geht’s schließlich auch um Arbeitsplätze. Umweltverbände vermuten schon lange, Deutschland wolle sich von seinen CO2-Emissionen am liebsten freikaufen. Nach dem Motto: Alles läuft so weiter wie bisher, wir fahren SUV, fliegen zum Shoppen nach New York und Weihnachten gibt es frische Erdbeeren. Dafür zahlen wir eine CO2-Steuer und die Wirtschaft kauft entsprechende Emissionszertifikate. Um den Rest sollen sich bitte die anderen auf dieser Welt kümmern. Bislang zumindest hat das Klimakabinett nichts hervorgebracht, das diesen Eindruck widerlegen würde.