Eichen sollst Du weichen, Buchen sollst Du suchen? Gefährlicher Unsinn! Wie man sich bei einem Gewitter wirklich verhalten sollte.
Die „30-30-Regel" – davon haben Sie noch nie gehört? „Sie ist bei einem Gewitter für die eigene Sicherheit sehr wichtig", sagt der Rostocker Gewitterforscher und Rechtsmediziner Fred Zack. Der Professor analysiert seit Jahren an der Universität der Hansestadt, auf welche Art und Weise Blitze Menschen schädigen. Kaum einer kennt sich unter den Medizinern so gut aus wie er. Er sagt: „Zählt man weniger als 30 Sekunden zwischen Blitz und dazugehörigem Donner, sollte man Schutz suchen." Denn dann sei das Zentrum des Gewitters nur noch gut zehn Kilometer entfernt. „Dann kann der Blitz auch tödlich sein." Und: „Erst, wenn 30 Minuten lang kein Blitz mehr zu sehen ist, ist die Gefahr deutlich geringer." Jedes Jahr würden, so der Mediziner, „schätzungsweise mehrere hundert Menschen vom Blitz getroffen oder indirekt geschädigt." Möglich seien beispielsweise Verbrennungen, vorübergehende Muskel- und Nervenlähmungen, erhöhter Blutdruck, Schädigungen von Hirn und Herz. Einige sterben. Laut dem Statistischen Bundesamt sind das bundesweit im Jahr maximal zehn Personen. Man muss nicht von einem Blitz direkt getroffen werden, um in Gefahr sein. Zack erzählt von einem Mann, der nur in der Nähe einer Pappel stand, in die der Blitz einschlug: „Bei der Obduktion kam unter intakter Haut flächenhaft verkochte Brustmuskulatur ans Tageslicht, das Herz war ebenfalls schwer geschädigt."
Spätestens jetzt sollte sich jeder wappnen. Schon in den letzten Wochen sei es zu „vergleichsweise vielen und kräftigen Gewittern" gekommen, sagt der Meteorologe Dominik Jung von wetter.net. Nur: Wie verhalte ich mich richtig, wenn ein Gewitter im Anmarsch ist? Eine Anleitung für draußen – und drinnen.
Im Zelt beim Campen
Als im vergangenen Jahr ein Blitz auf einem Campingplatz im bayerischen Bruck einschlug, wurden 15 Menschen leicht verletzt. Sie klagten über ein Kribbeln am ganzen Körper. Sie sollen, so gaben die Sanitäter später an, die Zelte während des Sturms festgehalten haben. Zacks Rat: „Raus aus dem Zelt! Am besten ins Auto." Das Auto ist ein Faradayscher Käfig: Der Blitzstrom fließt über die metallene Außenhaut zur Erde ab und nicht nach innen. Geringeren Schutz bieten Fahrzeuge mit Glasfaser-Karosserie, wie Wohnmobile sowie Cabriolets ohne Dachgerüst oder Überrollbügel aus Metall. Wichtig: Die Fenster müssen geschlossen sein. Alternative: Ab ins Waschhaus auf dem Zeltplatz. Geht das nicht, suchen Sie sich eine Senke oder Kuhle, auf keinen Fall einen Hügel, und machen Sie sich klein. Legen Sie sich nicht flach hin, sondern gehen Sie in die Hocke, Füße eng zusammen. Stellt man sich breitbeinig hin oder läuft, kann sich zwischen den Füßen eine Schrittspannung aufbauen, die sich entlädt, indem der Strom durch den Körper fließt.
Im Wald oder Gebirge, beim Wandern oder auf dem Hochsitz
Der Blitz schlug in eine hohe Fichte ein, der 22-jährige Münchener Wanderer, der sich in unmittelbarer Nähe befand, wurde tödlich verletzt – so lautete eine Meldung im Mai 2018. Zack rät: „Wettervorhersage hören und gar nicht erst loslaufen, wenn Gewitter im Anmarsch sind." Und wenn man von einem Wetterumschwung überrascht wird? Der Spruch „Eichen sollst Du weichen, Buchen sollst Du suchen" sei Unsinn. Niemals solle man sich unter einen Baum stellen. Denn Blitze schlügen häufig in den höchsten Punkt ein – in Wipfel, Strommasten oder in Wolkenkratzer wie dem Empire State Building. Der VDE, der Verband der Elektrotechnik, Elektronik Informationstechnik hat einen Ausschuss für Blitzschutz und Blitzforschung. Dort heißt es: „Relativ sicher" sei man in Höhlen, unter Felsvorsprüngen und am Fuß von Felswänden. Aber: nicht anlehnen. Halten Sie einen Meter Abstand, besser drei, zu den Wänden. Und für Jäger gelte: Runter vom Hochsitz, sie seien „besonders gefährdet".
Auf dem Fußball- oder Golfplatz beim Training
Einen Fußballer haut nichts um? „Das sei eine übliche, aber genau die falsche Reaktion", sagt Zack. Er erinnert sich an mehrere Unfälle auf Fußballplätzen, darunter einen 1995 in Mecklenburg-Vorpommern mit 63 Verletzten und einem Verstorbenen. Ähnlich gefährlich sei es auf Golfplätzen mit einzeln stehenden Bäumen und Baumgruppen. In Hessen seien 2012 auf einer Anlage gleich vier Frauen bei einem Gewitter gestorben. Richtig sei, sofort abzubrechen und bei angesagtem Gewitter auch gar nicht zu beginnen. Am besten ziehe man sich in das Clubhaus zurück oder ins Auto. Allerdings solle man nicht losfahren: Der grelle Blitz und der laute Donner können Ursachen für Fahrfehler sein. Übrigens: Auch das Rad oder Motorrad soll man stehen lassen, absteigen und sich mindestens drei Meter entfernt aufhalten.
Auf oder im Wasser beim Rudern und Baden
Das sei schnell gesagt, meint Zack: „Auf keinen Fall angeln! Steuern Sie das Boot so schnell wie möglich zum Ufer! Gehen Sie vom Wasser weg!" – Lebensgefahr. „Sie selbst sind dort schnell die höchste Erhebung." Im Grunde gelte immer: Ein Auto bietet Schutz, im festen Gebäude ist es am sichersten, selbst dann noch, wenn es keinen Blitzableiter hat.
Zuhause beim Staubsaugen
„Hören Sie mit dem Staubsaugen auf", sagt Zack – „außer, Sie haben einen Akkustaubsauger." Die Gewitterregel: „Betreiben Sie keine elektrischen Geräte mit Kabel zur Steckdose." Was heißt das für den Computer? „Arbeiten Sie mit einer kabellosen Maus, sind Sie selbst außer Gefahr." Mit dem Handy zu telefonieren sei ebenfalls unproblematisch, nur ein Kabeltelefon solle man aus der Hand legen. Letzter Hinweis des Mediziners: „Am besten halten Sie sich in der Mitte des Raumes auf."