Der Biologe und Tierfilmer Wolfgang Lippert arbeitete bei Ex-Tierpark-Chef Heinrich Dathe und fuhr mit Heinz Sielmann im Trabi durch die DDR. Seinen Namensvetter aus der Showbranche kennt er persönlich.
Er heißt Wolfgang Lippert und wird von seinen Freunden „Lippi" gerufen. Allerdings singt er nicht „Erna kommt" und moderiert auch keine MDR-Nostalgie-Sendungen. Dafür kennt Wolfgang Lippert den Vogelgesang nahezu aller heimischen Arten. Wie sein Namensvetter „Lippi" gilt er in seinem Metier als Star. Der Diplom-Biologe, Tierfilmer und Fotograf ist ein bundesweit angesehener Zoologe und Vogelkundler. Unter dem legendären Heinrich Dathe arbeitete er im Tierpark Berlin-Friedrichsfelde, setzte für das Ost-Fernsehformat „Tierpark-Teletreff" seine tierischen Schützlinge in Szene und drehte für DEFA und DDR-Fernsehen Naturfilme. Mit dem westdeutschen Tierarzt und Verhaltensforscher Bernhard Grzimek fachsimpelte der gebürtige Nordrhein-Westfale über Zootiere, mit Heinz Sielmann fuhr er im Trabi durch die DDR. „Diese Kontakte waren für uns im Tierpark ganz normal", betont Wolfgang Lippert.
Er selbst sei übrigens viel früher in den Medien gewesen als „Schlager-Lippi", lacht der Wahlberliner. Zu seinem Namensvetter hat der 81-Jährige auch gleich eine Geschichte parat. „Vor rund 35 Jahren war ich der einzige Wolfgang Lippert, der im Ostberliner Telefonbuch stand. Fans dachten, es handelt sich um Schlager-Lippi und schrieben an meine Adresse", erinnert sich der rüstige Naturschützer. Der kannte die Privatadresse des Sängers von seiner Adlershofer Fernseharbeit. „Also habe ich die Poststapel an den Unterhaltungskünstler und Sänger Wolfgang Lippert weitergeleitet", amüsiert er sich.
Doch das ist für den agilen Senior, der in der Altmark bei Stendal aufwuchs und später an der Humboldt-Uni DDR-Dissident Robert Havemann kennenlernte, nur eine Randnotiz. Seine Metiers heißen Freilandbiologie, Umweltschutz und vor allem Ornithologie. Aus dem Stand berichtet Lippert über Kiebitze und Kraniche, über „kriminelle Elstern" und „rabiate Reiher". „Ich wusste immer, wo welche Vögel im Osten Deutschlands leben", sagt der Mann, der nach dem Kriegstod des Vaters bei seinem Opa an der Elbe aufwuchs.
Fans von Schlager-Lippi schrieben an seine Adresse
In diesem Jahr streift Wolfgang Lippert eigenen Angaben zufolge im 68. Jahr durch Flora und Fauna. Bei Führungen und in Vorträgen erklärt er Vogelstimmen und Balzverhalten von Großvögeln und Piepmätzen. Das alles klingt nach einem schönen Arbeitsleben in freier Natur. Doch einfach und locker ging es bei Lippert selten zu. Als er 1961 nach seinem Biologie-Studium in Halle an der Saale an die Humboldt-Universität Berlin kommt und dort später Sympathie für die Thesen von Regimekritiker Robert Havemann bekundet, ist seine offizielle Bildungslaufbahn von einem Tag auf den anderen beendet.
Doch Heinrich Dathe, der legendäre Tierparkdirektor, holt den Fachmann 1965 in sein Tierreich. „Ich wurde dort wissenschaftlicher Mitarbeiter, speziell Kurator für Säugetiere", blickt der Berliner aus dem grünen Stadtbezirk Treptow-Köpenick zurück. Da er gut fotografieren und filmen kann, steigt er bei Dathe binnen kurzer Zeit zum Verantwortlichen für Film- und Fernsehaufzeichnungen aus dem Tierbereich auf. „Über 14 Jahre arbeitete ich für die Sendung ‚Tierpark-Teletreff‘ des Ost-Fernsehens." Lippert schrieb Drehbücher und lieferte spektakuläre Kameraeinstellungen, ohne jemals eine Journalisten- oder Kameraausbildung absolviert zu haben.
Lippert, der ohne Punkt und Komma reden kann und locker von einem Thema zum nächsten springt, erinnert sich an die Fachsimpelei mit Tierfilmer Bernhard Grzimek über dessen Bücher und Dokus. „Heinz Sielmann wiederum saß nicht nur auf meiner Couch. Dieser Riesenklotz von Mensch zwängte sich auch in meinen Trabi und freute sich riesig, mal in einer echten Rennpappe zu sitzen." Mit dem Gefährt fuhren Lippert und Sielmann zur Großtrappen-Beobachtung ins brandenburgische Mittenwalde. Als sich beide aus dem Trabant schälten, trauten die Bauern einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft ihren Augen nicht. Wolfgang Lippert: „Das waren die erstauntesten Gesichter, die ich je sah. Sielmann live in ihrer Ackerlandschaft. Das war dort für alle einfach unfassbar." Dass sein Trabi in Zeiten des „Sozial-Beschissmus", wie er den DDR-Sozialismus nennt, häufig mit einem Stasi-Pieper (zur Pkw-Verfolgung) bestückt war, ist für den Ornithologen sicher.
Der erinnert sich aber auch an „Pionierleistungen" des Tierparks Friedrichsfelde, wie die Infrarot-Beobachtung von Tieren, etwa bei Geburten von Bären und Mähnenwölfen. „Diese erste spezielle Anlage stammte aus dem Werk für Fernsehelektronik Berlin." Der Tierpark sei damit zu jener Zeit Vorreiter gewesen. „Heute ist das in Zoos überall gängige Praxis." Das alles sei Prof. Dr. Dr. Heinrich Dathe zu verdanken, einem international geschätzten Mann, wie Wolfgang Lippert hervorhebt. Mit dem Tierpark-Direktor kam er gut klar, wie er sagt. „Wenn allerdings etwas nicht wie abgesprochen lief oder Ungenauigkeiten auftraten, konnte der Chef auch richtig fuchsig werden", sagt der Diplom-Biologe, der nach eigenen Angaben im Osten nicht promovieren durfte.
1979 wechselte Wolfgang Lippert vom Tierpark zum DDR-Fernsehen in die Redaktion für Agrarpolitik. Hier wirkte er an der Produktion von 18 Tier- und Naturschutzfilmen mit. „1984 ging ich als Fachredakteur zum Deutschen Bauernverlag, zur Zeitschrift „Garten und Kleintierzucht‘."
Als sich die DDR bereits in der Auflösung befand, wurde der Vogelkundler und Tierexperte noch im April 1990 als wissenschaftlicher Mitarbeiter ins DDR-Ministerium für Umwelt und Naturschutz geholt. Kurze Zeit arbeitete Wolfgang Lippert auch in der Magistratsverwaltung Umwelt und Naturschutz Berlin (Ost) als Mitarbeiter für Artenschutz. Nach der Wende ist er im Berliner Senat für Stadtentwicklung und Umweltschutz tätig, Mitte der 90er-Jahre war er aber auch mal kurz arbeitslos.
„Lobbyisten und Bürokraten verhindern bio"
Seiner früheren Heimat, der Altmark, blieb der Tausendsassa in all den Jahren treu. Bis heute findet man den Ornithologen als Gutachter bei Naturschutzaktivitäten und Vogelzählungen. Für den Nabu Deutschland habe er mal 100 Kilometer rechts und links der Elbe Flächen kartiert, ein Aufwand, den heute kaum noch einer betreibt. Dabei ging es um die Erfassung von Vogelbeständen im Uferbereich.
Auch als Rentner bleibt der Berlin-Köpenicker der Freilandbiologie verbunden – mit Fotogerät, Stativ und Fernglas. Als Buchautor machte sich Wolfgang Lippert mit seinem Buch „Warum der Fuchs die Altmark mag" einen Namen. Mit viel Lokalpatriotismus und in bezaubernden Bildern beschreibt der Autor den schönen Landstrich in Sachsen-Anhalt. Das Band „Die wilde Elbe – Lebensader und Naturlandschaft" sorgte zuletzt ebenso für Aufsehen. An der Elbe sei wenig verbaut oder kanalisiert worden, schwärmt Lippert. „Der Fluss ist bekannt für seine weitläufigen Auenwälder sowie für die Vielfalt von teilweise nur hier anzutreffenden Pflanzen und Tieren." Es handele sich um eines der herrlichsten und zugleich fragilsten Ökosysteme Deutschlands.
Gerade arbeitet der umtriebige Berliner für einen Bio-Landwirtschaftsbetrieb in Neu Zittau östlich der Hauptstadt. Hier geht es um Bodenbrüter wie Kiebitz, Wachtelkönig, Wiesenpieper und Lerche, die im Einklang mit Rinderbeweidung leben. Das sei eine „tolle Sache", die aber mit Intensivbeweidung beziehungsweise Massentierhaltung nicht funktioniere, seufzt Wolfgang Lippert.
Aufregen kann sich der Nestor der ostdeutschen Freilandbiologie auch im 82. Lebensjahr, beispielsweise über Lobbyisten und Bürokraten, die eine Umstellung der Landwirtschaft auf „bio" seiner Ansicht nach verhindern. „Unsere Agrarbehörden sind unfähig, Bio-Landwirtschaft zuzulassen, damit Biodiversität, also eine biologische Vielfalt, gelingt", moniert Lippert. Die Politik könne oder wolle nicht begreifen, dass man mit Naturschutz kein Geld verdienen kann. Gewinnmaximierung sei heute anscheinend das einzige Ziel. Wolfgang Lippert mahnt: „Ich mache mir große Sorgen, denn unsere Kinder und Kindeskinder müssen von der Politik angerichtete Schäden ausbaden. Wenn der Mensch nicht umdenkt, schafft er sich selbst ab!"