An Neuzugänge zu Beginn jeder Saison in der Fußball-Bundesliga hat man sich gewöhnt. Diesmal wird es aber ungewöhnlich viele neue Gesichter bei den Trainern geben. Viele von ihnen sind Persönlichkeiten mit spannenden Lebensgeschichten.
Dass vor der Saison viele Trainer gewechselt werden, daran hat man sich fast schon gewöhnt. Doch haben die betroffenen Vereine bei der Wahl der neuen Fußball-Lehrer diesmal nicht auf die üblichen Verdächtigen gesetzt. Im Gegenteil: Von den Trainern, die einen Bundesligisten neu übernehmen, hat nur der direkt von Hoffenheim nach Leipzig wechselnde Julian Nagelsmann schon als Cheftrainer in der Ersten Liga gearbeitet. Drei der acht weiteren Neulinge sind gar noch nie in irgendeiner Funktion in der Bundesliga aufgetaucht. Zwei von ihnen sind sehr von Jürgen Klopp geprägt, einer gibt seinen Beamtenstatus auf, und einer hat bereits eine lebensgefährliche Notoperation überstanden. FORUM stellt die acht Bundesliga-Debütanten vor.
Marco Rose (42 / von RB Salzburg zu Borussia Mönchengladbach): Als Profi war der gebürtige Leipziger ein solider Linksverteidiger, der es immerhin auf 65 Erstliga-Einsätze für Mainz 05 brachte. Sein damaliger Trainer Jürgen Klopp prophezeite ihm damals eine Trainer-Karriere. Kürzlich stellte Klopp fest, Rose sei „der Gehypteste von allen". Denn außer Gladbach, das sich dafür extra vom keineswegs unerfolgreichen Dieter Hecking trennte, warben auch Wolfsburg, Schalke und Hoffenheim intensiv um Rose. „Ich weiß nicht, ob Jürgen Klopp mir damit einen Gefallen getan hat", sagt Rose. „Da möchte ich mal auf die Bremse treten." Klopp habe ihn aber natürlich geprägt, sagt der 42-Jährige, der Salzburg bis ins Europa-League-Halbfinale geführt hatte. „Aber ich habe auch meinen eigenen Weg gefunden." Wenn er sagt: „Meine Spielidee basiert auf Emotionalität, auf Gier, auf Aktivität", dann klingt das aber schon sehr nach Jürgen Klopp.
Oliver Glasner (44 / von LASK Linz zum VfL Wolfsburg): Glasner wurde mit Linz zwar „nur" Vizemeister in Österreichs erster Liga hinter Roses Salzburgern. Doch während der nationale Titel für RB irgendwie selbstverständlich ist, ist Platz zwei für die Linzer ein großer Erfolg. Seinen größten Sieg hat Glasner aber schon Jahre zuvor errungen: Bei einem Kopfballduell im Liga-Spiel mit Ried gegen Rapid Wien 2011 hatte Glasner zunächst eine Platzwunde über dem Auge erlitten. Er flog mit seinem Team sogar zum Europacup-Spiel bei Bröndby Kopenhagen. Als er über Unwohlsein und Übelkeit klagte, stellten die Ärzte ein Blutgerinnsel im Kopf fest und leiteten eine Notoperation ein, die Glasner wohlbehalten überstand. Dennoch musste er danach seine Karriere beenden. Er wurde zunächst Co-Trainer von Roger Schmidt in Salzburg, ging dann aber nicht mit diesem nach Leverkusen, sondern wollte selbst Chef sein. Nun schafft er das, was ihm als Spieler versagt blieb: den Sprung in die deutsche Bundesliga.
Alfred Schreuder (46 / von Ajax Amsterdam zu 1899 Hoffenheim): Dass Hoffenheim unter Nagelsmann so erfolgreich war, lag auch an ihm. Denn der Niederländer war 2015 als Assistent von Huub Stevens nach Hoffenheim gekommen und stand dann auch dem jungen Nagelsmann zur Seite, als dieser wegen der gesundheitlichen Probleme von Stevens früher als geplant einsteigen musste. Im vergangenen Jahr stürmte er als Co-Trainer von Erik ten Hag mit Ajax Amsterdam bis ins Halbfinale der Champions League. Nagelsmann sagt über seinen Nachfolger: „Er ist der Beste von allen, denen ich bislang über den Weg gelaufen bin." Spannend ist nur die Frage, wie sich Schreuder als Cheftrainer macht. Das war er bisher nur für ein Jahr in Enschede.
„In jungen Jahren ein Hallodri"
Ante Covic (43 / von der U23 zu den Profis von Hertha BSC): Als Spieler war Covic zunächst ein Wandervogel: In Stuttgart, Nürnberg, Bochum und Saarbrücken war er nur je ein Jahr. Laut „Berliner Morgenpost" war er „in jungen Jahren ein Hallodri". Vier Jahre hatte der in Berlin geborene Kroate dazwischen schon für Hertha BSC gespielt, 2003 wurde er dort heimisch: Nach 16 Jahren als Spieler der Zweiten Mannschaft und Nachwuchstrainer wird er nun wie sein Vorgänger Pal Dardai von der U23 zu den Profis befördert. Zahlreichen Eigengewächsen hatte er zuvor den Weg nach oben gewiesen, er selbst lehnte Angebote aus der Zweiten Liga ab, weil er den Beruf „von der Pike auf lernen" wollte. Nun fühlt er sich bereit für den großen Sprung, und Hertha traut es ihm zu. Die U23 spielte unter ihm guten Offensiv-Fußball. Danach sehnt sich Berlin nach soliden, aber manchmal biederen Jahren unter Dardai auch bei den Profis.
David Wagner (47 / zuletzt Huddersfield Town, jetzt Schalke 04): Zuerst wollten ihn Leverkusen, Frankfurt und Darmstadt. Nun fiel sein Name in Wolfsburg, Hoffenheim, Berlin, Köln – und eben auf Schalke. Schon bevor die Entscheidung gefallen war, sagte Jürgen Klopp: „Wenn er irgendwo hingeht: Herzlichen Glückwunsch an den Verein." Nun gut, könnte man sagen, Wagner ist schließlich Klopps Trauzeuge, der dafür der Patenonkel von Wagners Tochter. Doch Wagner kann auch auf einen echten Sensationserfolg verweisen. „Mit Huddersfield aufzusteigen und dann noch in der Liga zu bleiben, das ist, als würde Remscheid aus der jetzigen Situation hochgehen. Genauso und nichts anderes", sagte Klopp bei Sky. Die Schalker Fans sind sich noch nicht ganz sicher, ob sie ihn als „einen von uns" aufnehmen sollen. Zwar gehörte Wagner 1997 zum Kader der „Eurofighter", die den Uefa-Cup gewannen. Andererseits trainierte er vier Jahre die U23 von Erzrivale Borussia Dortmund. Cheftrainer damals: Jürgen Klopp.
Achim Beierlorzer (51 / von Jahn Regensburg zum 1. FC Köln): Sein Bruder Bertram Beierlorzer schaffte es als Profi in die Bundesliga. Achim nicht. Auch als Trainer hatte er keinen Karriere-Plan. Hätte er den gehabt, so sagt er glaubwürdig, wäre er wohl kaum sechs Jahre beim SV Kleinsendelbach geblieben. Über die U17 von Fürth kam er zu RB Leipzig, wo er vier Monate Interimscoach der Profis war und dann als Co-Trainer von Ralf Rangnick in die Bundesliga aufstieg. Mit Außenseiter Jahn Regensburg bot er in den vergangenen zwei Jahren begeisternden Offensiv-Fußball, der mit Platz fünf und acht in der Zweiten Liga belohnt wurde. Mit 51 schafft er nun den Sprung in die Bundesliga, dafür gibt der Oberstudienrat sogar seinen Beamtenstatus auf. „Ich verliere ihn zum 1. August", sagte er dem „Kicker". „Aber als angestellter Lehrer kann ich jederzeit wieder zurück. Ja, ich hab’s mir gut überlegt."
„Ja, ich hab’s mir gut überlegt"
Steffen Baumgart (47 / SC Paderborn): Die Familie Baumgart ist gleich doppelt aus der Zweiten Bundesliga aufgestiegen. Baumgarts Ehefrau Katja leitet die Fanhäuser bei Union Berlin, wo ihr Mann selbst einst Kapitän war. In Paderborn schrieb er derweil eines der schönsten Fußballmärchen der jüngeren Vergangenheit. Er kam im April 2017 als nahezu unbeschriebenes Trainer-Blatt und blieb auch nach dem nicht zu vermeidenden Abstieg in die Regionalliga. Dank des Lizenzentzuges von 1860 blieb Paderborn drin – und stieg dann zweimal sensationell auf. Dass Baumgart im Gegensatz zum überall gehandelten und letztlich in Leipzig gelandeten Sportchef Markus Krösche kaum umworben wurde, wundert deshalb viele. Spannend wird, ob seine gnadenlos offensive Ausrichtung dem großen Außenseiter im Oberhaus guttut. „Ich glaube, dass es in der kommenden Saison durchaus das eine oder andere schwierige Ergebnis für uns geben könnte", sagt Baumgart, der es auf 225 Bundesliga-Spiele als Profi brachte. „Aber wir wollen es trotzdem durchziehen."
Urs Fischer (53 / Union Berlin): Der 53-Jährige ist der älteste der neuen Trainer. Doch er hat wie Baumgart den Sprung dahin alleine geschafft. Einige Jahre bereits hatte Union Berlin das Ziel Bundesliga – im ersten Jahr unter Fischer hat man es geschafft. Der Schweizer ist leidenschaftlicher Angler und auch sonst eher ein nüchterner Typ. „Als bieder bezeichnet ihn und seinen Fußball, wer es weniger gut meint", schrieb der „Kicker". „Bodenständig, sachlich, direkt – das ist die wohlwollende Beschreibung." In Basel wurde ihm das zum Verhängnis. Trotz zwei Meisterschaften in zwei Jahren galt er als zu nüchtern. Bei Union, bei diesem gleichzeitig leidenschaftlichen wie bodenständigen Verein, lieben sie ihn genau dafür. Seine Tochter Riana ist übrigens auch Fußballerin – sie wurde mit dem FC Zürich gerade Schweizer Meisterin.