Nach turbulenten Monaten blickt Dirk Lottner voller Zuversicht in die neue Regionalliga-Saison. Dass der 1. FC Saarbrücken wieder zu den Top-Favoriten gehört, stört ihn nicht.
Dirk Lottner wirkt entspannt. Braun gebrannt, in sich ruhend und voller Tatendrang sitzt er auf den Stufen des FC-Sportfelds. Die vergangene Saison ist verarbeitet, der zehntägige Urlaub auf Mallorca mit der Familie hat gutgetan. „Die Sonne tut ihr übriges", sagt Lottner und lacht: „Es gibt schlimmere Schicksale. Welcher Arbeitnehmer hat schon drei Wochen Urlaub am Stück?" Vermutlich sind es diese Ansichten, die Lottner zum beliebtesten Trainer der vergangenen FCS-Jahre machen. Und vermutlich ist es diese Art, die dafür gesorgt hat, dass der 47-Jährige auch als Coach der Blau-Schwarzen in die neue Saison gehen darf. „Wir werden alle am Erfolg gemessen", sagt er, „aber ich möchte doch festhalten, dass wir mehr richtig als falsch gemacht haben. Ich bin drei Jahre hier und wir haben in jedem Jahr einen Titel geholt", sagt Lottner, fügt aber gleich hinzu: „Dass wir das übergeordnete Ziel verpasst haben, aus dieser Liga rauszukommen, das steht doch außer Frage." Und so geht der Kölner zum vierten Mal hintereinander in eine neue Regionalliga-Saison. Dass diese Liga Fans und auch Journalisten bisweilen zum Hals raushängt, kann er nachvollziehen: „Ich wäre auch froh, es wäre anders." Doch Lottner ist Realist. Der Aufstieg war kein Selbstläufer und wird in der kommenden Saison auch keiner sein. „Für die Liga ist es gut, dass Mannheim mal raus ist. Ein dicker Brocken weniger in den Füßen, das ist schon mal nicht schlecht. Aber wir werden sicherlich wie immer fünf, sechs Konkurrenten haben", sagt Lottner und nennt zuerst den SSV Ulm, „die sich ganz beachtlich verstärkt haben. Ansonsten sind es die üblichen Verdächtigen wie Homburg, Elversberg, Offenbach und Steinbach, wobei ich auch den FSV Frankfurt im Auge habe."
„Ulm hat sich beachtlich verstärkt"
Aber allzu sehr beschäftigen möchte sich Lottner mit der Konkurrenz erst mal nicht. „Wir müssen sehen, dass wir unsere Hausaufgaben machen." Die Zusammenarbeit mit Sportchef Marcus Mann bezeichnet er als „so eng wie nie zuvor. Wir haben während des Urlaubs jeden Tag telefoniert, jeden Neuzugang abgestimmt." Die Turbulenzen des Frühjahrs hat Lottner verarbeitet, für sich Konsequenzen gezogen. Dass ein Traditionsverein wie der FCS an Erfolgen gemessen wird, dass das Umfeld nach dem Aufstieg dürstet, das alles weiß er. „Aber wir müssen intern geschlossen sein, auch wenn die sportliche Lage mal schwierig ist. Wenn wir das schaffen, können wir Großes erreichen." Um endlich aus der Regionalliga rauszukommen, haben Lottner und Mann den Kader einer Frischzellenkur unterzogen. „Er ist vielleicht auf zwei, drei Positionen kleiner als im Vorjahr, aber in der Breite doch sehr variabel. Wir haben Wert auf Typen gelegt, die ihre Meinung sagen, die auch mal in der Lage sind, Dinge in der Kabine selbst zu regeln." Und auch Lottner hat einige Dinge intern anders aufgestellt. Erstmals in seiner Amtszeit wird er gegen Ende der Vorbereitung Kapitän und Mannschaftsrat wählen lassen. Dass FCS-Ikone Manuel Zeitz die Binde verlieren könnte, ist ein Gedanke, den der Trainer dabei berücksichtigen muss. „Es geht mir darum, die Mannschaft miteinzubeziehen. Sie soll ihre Vertreter bestimmen. Wenn es nicht Manuel sein sollte, ist das für mich kein Thema. Seine Fähigkeiten und seinen Stellenwert als Spieler berühren das nicht", stellt der Trainer klar.
Wer sich mit Lottner über die schnelllebige Welt des Fußballs unterhält, stellt fest, dass der Familienvater zuerst als Mensch wahrgenommen werden will. „Ich bin niemandem böse, der sachliche Kritik an mir übt. Das gehört in diesem Job einfach dazu. Aber in persönlichen Dingen möchte ich fair behandelt werden."
Ist Lottner bald FCS-Rekordtrainer?
Auch deshalb bescheinigen Spieler, der Trainer habe sich „bis zur Selbstverleugnung" vor Problemfall Gillian Jurcher gestellt. Erst als es gar nicht mehr anders ging, strich Lottner ihn aus dem Kader für das Saarlandpokalfinale. Nun ist Jurcher wieder da, trainiert normal mit und trat auch die Reise ins Trainingslager nach Bad Kissingen mit an. „Er wird hierbleiben, ihm stehen alle Türen offen. Es liegt aber auch an ihm, sich sein Leistungsniveau zu erarbeiten", sagt der Trainer und erklärt: „Natürlich kann ich nicht jedes Fehlverhalten durchgehen lassen. Aber wenn ein junger Mann von 21 Jahren, der vor eineinhalb Jahren arbeitslos war, Anfragen aus der Zweiten Liga hat und dann für ein paar Wochen den Kopf verliert, dann muss ich das ein Stück weit nachvollziehen können. Wir haben es mit Menschen und nicht mit Maschinen zu tun. Er muss aber jetzt zeigen, dass er sich mit dieser Aufgabe hier identifiziert."
So ist Jurcher fest eingeplant in der Offensive, bei deren Besetzung sich Lottner und Mann offenhalten, ob sie die Lücke, die durch den Wechsel von Marcel Carl zum FC Homburg entstanden ist, noch schließen werden. „Wir erhalten uns diese Option", sagt Lottner, der in seiner Bilanz darauf verweist, dass in den vergangenen Monaten die Anzahl an muskulären Verletzungen stark zurückgegangen ist. „Wir hinterfragen uns immer, was wir verbessern können und haben versucht, den Hebel anzusetzen", erklärt der 47-Jährige und lobt in diesem Zusammenhang Athletiktrainer Christoph Fuhr: „Was er leistet, ist überragend." Dennoch umtreibt den Trainer von Zeit zu Zeit die Sorge, dass Qualitätsspieler wie Steven Zellner und Sebastian Jacob von Verletzungen heimgesucht werden könnten: „Das ist das Risiko, das wir gehen müssen. Hätten sie ihre Historie nicht, wären sie nicht in dieser Liga." Und so wird Lottner die verbleibenden Tage bis zum Saisonstart nutzen, um seine Startelf zu finden. „Erbhöfe gibt es nicht", sagt er, räumt er aber ein, „dass sich Daniel Batz in den vergangenen Jahren als Torwart etabliert hat." Während sich die Mannschaft im Hochsommer fit macht, blickt der Trainer schon mal in den Spätsommer. Ist er am 7. September noch Coach des FCS, dann hätte er Jürgen Luginger als Rekordhalter abgelöst. „Ganz ehrlich, ich wäre unheimlich stolz."