Vier Jahre lang coachte Felix Thönnessen für die Show „Die Höhle der Löwen" die hoffnungsvollen Gründer. Außerdem berät der Mentor für Start-ups, der seinen Gesprächspartnern branchentypisch gleich das Du anbietet, seit über zwölf Jahren Jungunternehmen dabei, sich auf dem deutschen Gründermarkt zu platzieren.
Felix, Du bist selbst mehrfacher Gründer. Was hast Du aus dieser Zeit mitgenommen?
Erst mal, dass man gar keine Ahnung hat, wie Gründung funktioniert und dass man diese Tatsache, dass man eben nichts weiß, relativ schnell akzeptieren muss. Deswegen muss man auch versuchen mit Leuten zu sprechen, die solche Erfahrungen gesammelt haben und diesen Weg schon mal gegangen sind. Die können einem dann am Anfang der Gründung sehr viel weiterhelfen. Natürlich kam ich mir dabei auch ein bisschen blöd vor, weil ich mir zu diesem Zeitpunkt eingestehen musste: „Oh Gott, ich muss mir erst einmal eine ganze Menge Wissen aneignen." Aber das ist eben der Weg zu einer erfolgreichen Gründung.
Welche Fehler hast Du damals begangen?
Als ich beispielsweise darüber nachgedachte habe, wie ich am besten Werbung machen kann. Ich habe mein Auto beklebt oder T-Shirts drucken lassen mit meinem Firmennamen auf der Rückseite. Anschließend habe ich dann meine Freunde gezwungen, diese T-Shirts beim Joggen zu tragen und damit Werbung für mich zu machen. Nach kurzer Zeit musste ich mir allerdings eingestehen, dass diese Strategie nicht richtig funktioniert. Es wurde mir bewusst, dass ich eine Zielgruppenanalyse machen sollte und mir doch genau anschauen sollte, welches Produkt ich anbiete. Das war auch die Quintessenz meiner ersten Gründung: Ganz so einfach und simpel, wie man es sich das alles am Anfang so vorstellt, ist die Gründung dann doch nicht.
Was ist also der erste richtige Schritt, den man bei der Gründung gehen sollte?
Ich würde allen Gründern erstmals empfehlen – wenn sie eine Idee haben – mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Was halten sie von dieser Idee? Was fällt ihnen daran auf? Was ist gut an der Idee? Was ist weniger gut? Also, sich erst mal Feedback einholen. Und dann, wenn man mit seinem Produkt vielleicht schon zwei, drei Schritte weiter ist, auch darüber nachzudenken, die Idee im Markt zu testen. Vielleicht schon mal eine ganz kleine Version des Produkts abkoppeln und sie einer Testgruppe vorstellen, um anschließend erneut Feedback zu bekommen. Und so immer weiter, um das eigentliche Produkt letztendlich besser zu machen. Das ist meiner Meinung nach der allererste Schritt, den man machen sollte. Vielleicht auch schon, bevor man etwas anmeldet oder sich den Firmennamen überlegt. Erst mal mit Leuten darüber sprechen, mit so vielen wie möglich, und sich Feedback einholen.
Und was macht ein Start-up noch erfolgreich? Kannst Du es an drei Punkten aufzeigen?
Wenn man den eigenen Markt und die eigene Zielgruppe ganz genau kennt. Dass ich genau weiß: Was sind meine Kundenbedürfnisse? Wie sieht die Zielgruppe genau aus? Wo treffe ich die Zielgruppe? Das ist ein wichtiger Faktor. Der zweite wichtige Faktor: Verkaufen und Vertrieb zu können. Also wirklich zu wissen, wie man sein Produkt an den Mann bringt. Was sind die wichtigen Werbekanäle und wie gehe ich da vor? Der dritte Punkt ist die Entwicklung. Für einen erfolgreichen Gründer ist es sehr wichtig, sich immer weiter entwickeln zu können. Gerade am Anfang eines Start-ups wirst du deine Ideen permanent über den Haufen werfen. Du wirst Sachen anders machen, neue Sachen machen. Und deswegen musst du einfach agil sein und die Bereitschaft haben, Dinge zu ändern.
Und die drei Stolpersteine einer Gründung?
Wenn Gründer und Start-up zu wenig Kapital zur Verfügung haben. Einfach kein Geld haben, um die Ideen wirklich in den Markt zu bringen. Viele Ideen kann ich leider nur mit Geld realisieren. Das ist zum Beispiel ein großer Stolperstein. Eine weitere Falle ist das Vorurteil, es zwangsläufig immer alleine machen zu müssen. Nur wenn ich alleine gründe, bedeutet das im Umkehrschluss aber nicht, dass ich das auch alleine machen muss. Ich könnte mir zum Beispiel einen Kooperationspartner suchen und mit anderen zusammenarbeiten. Der dritte Punkt – logischerweise – ist die Idee selbst. Also, wenn es keine gute Idee ist und die niemand braucht. Vielleicht finde ich sie selbst gut, aber der Markt nicht. Dann muss man loslassen und sich nach was anderem umschauen.
Viele Gründer klagen über die vielen bürokratischen Hürden. Wo liegen Deiner Meinung nach die Probleme im Gründerland Deutschland?
Wenn man sich die Gründungszahlen in Deutschland anschaut, muss man so ehrlich sein und einsehen, dass sie seit vielen Jahren rückläufig sind. Das liegt natürlich auch daran, dass wir sehr wenige Arbeitslose haben. Viele Gründungen erfolgen aus der Arbeitslosigkeit und wenn wenige Leute arbeitslos sind, gibt es auch wenige Selbstständige. Zudem geht es auch viel zu langsam voran. Wenn man eine Steuernummer beantragt, dauert es bei manchen Finanzämtern teilweise über drei Monate, bis man die Zuteilung bekommt und diese Steuernummer hat. Man muss dieses Wirrwarr von Rechtsformen in Deutschland durchblicken. Wenn du dann gegründet hast, kommen erst mal Tausend Verbände und andere Institutionen auf dich zu, bei denen du dich an- oder abmelden solltest und Nummern und Zuteilungen bekommst. Das sind natürlich keine Sachen, die dazu führen, dass man jemanden motiviert, sich was Eigenes aufzubauen. Da muss man definitiv daran arbeiten, um diese Hürden abzubauen.
Gibt es eigentlich einen bestimmten Gründungstyp, der sich auf die Selbständigkeit einlässt?
Zehn Prozent der Gründer sind über 60. Das wissen viele Leute zum Beispiel gar nicht. Es gibt auch ganz, ganz viele junge Gründer. Das Durchschnittsalter bei Gründern wird wahrscheinlich zwischen 25 und 45 liegen, da sind viele, die in diesem Alter gründen. Wir haben auch einen höheren Männeranteil als einen Frauenanteil. Letztendlich ist es eine sehr heterogene Gruppe. Es gibt Leute, die sich mit Dienstleistungen selbstständig machen oder mit Handel. Manche arbeiten mit Franchisesystemen, übernehmen bestehende oder beteiligen sich bei anderen Firmen. Es gibt sehr, sehr viele unterschiedliche Gründungsformen, wie man vorgehen könnte, und sie sprechen auch ganz unterschiedliche Altersgruppen an.
Welche Branchen sind gerade angesagt?
Dienstleistung ist sicherlich ein Beispiel für solche Art Trend-Branchen, so wie auch das Handwerk. In diesen Bereichen wird viel gegründet. Auch Handel ist eine Branche, in der viel gegründet wird. Das sind die klassischen Beispiele. Darüber hinaus gibt es natürlich auch sehr viele spezifische Sachen. Eine Zeit lang gab es sehr viele Gründungen in der Food-Branche. Aktuelle gibt es viele Gründungen mit digitalem Hintergrund. Eine Zeit lang war es sogar ein richtiger Run, jeder Dritte hat eine App entwickelt. Jetzt arbeitet jeder Dritte an einer Webseite oder einem Portal. Es gibt tatsächlich immer wieder Trend-Themen, die aufpoppen und sich schnell wieder ändern. Ich empfehle den Menschen allerdings, erst mal zu schauen, ob es Themen sind, die auch zu ihnen passen. Sollte man sich einem Thema widmen, das gerade im Trend liegt? Oder liegt der richtige Weg vielleicht darin, sich diesen Themen eben nicht zu widmen, sondern auf sich zu hören und sich anzuschauen, was man selber machen will?
Start-up und etabliertes Unternehmen – wo siehst Du die Grenze, die Unterschiede?
Als Start-up kann ich wesentlich agiler reagieren. Alleine, weil es ganz häufig auch ein relativ überschaubares Team ist und ich einen sehr großen Durchfluss von potenziellen Ideen habe. Ich kann schnell auf Trends reagieren, kann auch mal wilde Sachen machen, ohne mir gleich viele Gedanken um mein Image machen zu müssen. Auf der anderen Seite habe ich natürlich wesentlich weniger Erfahrung. Ich habe wesentlich weniger Manpower und eine wesentlich schlechtere Finanzierung. Somit haben beide Seiten ihre Vor- und Nachteile. Das Bestmögliche ist natürlich, wenn man versucht eine gewisse Kooperation daraus zu generieren. In irgendeiner Form zusammenzuarbeiten und von beiden Seiten zu profitieren. Wenn beide Seiten eine gewisse Offenheit haben, dann können dabei richtig gute Sachen entstehen.
Welchen Satz würdest Du den Gründern mit auf den Weg geben?
Meinen begleitenden Lieblingssatz, den ich auch in meinen Vorträgen verwende: „Was kann im schlimmsten Fall passieren?" Also sich darüber Gedanken machen, was denn passieren kann, wenn man sich selbstständig macht. Wird man immer noch ein Dach über den Kopf haben? Geld für Essen? Hat man dann noch seine Familie und seine Freunde? Wenn man sich alle diese Fragen mit einem „Ja" beantworten kann, wäre der „schlimmste Fall" vielleicht gar nicht mal so schlimm. Somit: Versucht es, seid mutig! Baut euch etwas auf. Dann muss man es später auch nicht bereuen und sich im hohen Alter auf der Terrasse fragen, wie es denn so gewesen wäre, wenn man es doch nur versucht hätte.