Ab dem kommenden Jahr könnte die Frauen-Elite in Berlin aufschlagen und die Tennis-Tradition an der Hundekehle fortsetzen. Die Verhandlungen sind weit fortgeschritten.
Mit stolzen Worten empfängt der LTTC Rot-Weiß die Besucher seiner Internetseite. Man sei „einer der ältesten und traditionsreichsten Tennis-Clubs der Welt" und genieße „auch international eine hohe Reputation". Das Herzstück der Anlage im Grunewald, das nach dem deutschen Tennisstar benannte Steffi-Graf-Stadion, sei als „herausragende Anlage für hochklassige und international besetzte Tennisturniere bekannt", steht dort geschrieben.
Allerdings: Absolutes Top-Tennis bekamen die Fans an der Hundekehle zuletzt nicht mehr zu sehen, seit 2008 die German Open der Damen auf Sand nach 29 Jahren eingestellt wurden. Bis auf das Relegationsduell 2016 zwischen dem deutschen Davis-Cup-Team und Polen finden auf dem Centre Court nur noch die German Juniors statt. Großes Tennis gibt es woanders.
Doch nun dürfen sich die Berliner wieder auf Spitzensport mit dem Schläger freuen: Die Planungen, in der Hauptstadt ein WTA-Rasenturnier unmittelbar vor dem Grand Slam in Wimbledon auszutragen, sind weit fortgeschritten. Schon im Juni nächsten Jahres könnte es so weit sein.
WTA-Rasenturnier direkt vor Wimbledon
Eine Berliner Boulevardzeitung jubelte bereits über das „Mini-Wimbledon", und auch die Verantwortlichen sind frohen Mutes. „Grundsätzlich sieht es gut aus, dass Einigung erzielt wird", sagte Vizepräsident Dirk Hordorff vom Deutschen Tennisbund (DTB) der „Berliner Morgenpost". „Es kommt aber auch darauf an, welchen Beitrag die Stadt Berlin und der Club leisten können." Laut der „Bild"-Zeitung, die als erstes Medium über das internationale Comeback der Hundekehle berichtet hatte, belaufen sich alleine die Kosten für die Änderung des Belags von Sand auf Rasen auf rund 700.000 Euro. Diese Summe geistert in den Medien auch als mögliches Preisgeld für die Athletinnen herum. Das viele Geld soll hauptsächlich über Sponsoren eingeholt werden, auch der Berliner Senat müsste seine Unterstützung bewilligen. Die Mitglieder des Tennisclubs, die der Belag-Änderung von Sand auf Rasen erst noch zustimmen müssten, sollen dagegen nicht finanziell belastet werden.
Angeblich sind auch die Veranstalter in Wimbledon bereit, Geld beizusteuern. Ihnen ist sehr daran gelegen, dass zwei Wochen vor dem Startschuss des wohl wichtigsten Turniers des Jahres ein perfektes Vorbereitungsturnier stattfindet. Zurzeit hat diesen Platz das WTA-Event auf Mallorca inne, doch die Veranstaltungsagentur Emotion des Österreichers Edwin Weindorfer ist mit der Entwicklung nicht sonderlich zufrieden. Die Idee eines Umzugs nach Berlin hat für Weindorfer viel Charme. Berlin sei „ein absolut interessanter Kandidat", sagte Weindorfer. Sollte man die Lizenz von der Ferieninsel in die deutsche Hauptstadt transferieren können, „wäre das eine gute Lösung". Man sei diesbezüglich seit Monaten mit der WTA, Club-Vertretern und den Wimbledon-Organisatoren in Gesprächen. Der Österreicher ist in der Szene gut vernetzt, Weindorfer organisiert mit seiner Firma unter anderem auch das Rasenturnier der Herren in Stuttgart. Rot-Weiß-Sportdirektor Markus Zoecke traf sich bereits öfters mit Weindorfer, doch angesprochen auf die Erfolgschancen hielt er sich zuletzt noch bedeckt. Wohl auch, weil der Club nicht Teil einer Hauruck-Aktion sein will, sondern auf ein sehr langfristiges Konzept baut. „Wenn so etwas klappen soll", sagte Zoecke Ende Juni, „dann muss es ein Kracher für die nächsten 20, 30 Jahre werden."
Immerhin dauerte auch die Erfolgsära der German Open drei Jahrzehnte, ehe 2008 nach der Übernahme von katarischen Geschäftsleuten der Vorhang fiel. Sie hatten die Lizenz für das einst bedeutendste Turnier hierzulande still und heimlich an die WTA zurückgegeben, nachdem sie sie dem DTB vier Jahre zuvor abgekauft hatten. Die Bilanz wies jedoch von Jahr zu Jahr ein Minus auf. Dienstleister, die für das Turnier arbeiteten, mussten teilweise monatelang auf ihr Geld warten. Und irgendwann verloren die Veranstalter aus Katar die Geduld.
Ein unwürdiges Ende einer großen Tradition. Der Name Steffi Graf ist eng mit der Geschichte des Turniers und der Anlage an der Hundekehle verbunden, weshalb das 7.000 Zuschauer fassende Stadion seit 2004 auch ihren Namen trägt. Auf dem Centre Court hatte Graf 1986 als gerade einmal 16-Jährige in Martina Navratilova zum ersten Mal die damals beste Tennisspielerin der Welt geschlagen. Es war, wie sich später herausstellte, der Beginn einer Wachablösung. „Für mich war Berlin immer mein Lieblingsturnier. Hier habe ich mich stets vom ersten Tag an wohlgefühlt", sagte die heute 50-Jährige einmal. „Ich wurde von den Berlinern herzlich aufgenommen, und so konnte ich fast immer hier mein bestes Tennis spielen."
„Für mich war Berlin immer mein Lieblingsturnier"
Insgesamt neunmal gewann Graf das WTA-Turnier, sie allein lockte zahlreiche andere Topstars sowie Sponsoren und Fans an. „Das war ein großes gesellschaftliches Ereignis", erinnert sich der frühere ARD-Tennis-Kommentator Hans-Jürgen Pohmann. Damals wurde Tennis noch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen übertragen und lockte Millionen Fans vor die Bildschirme. Graf war aktives Mitglied beim LTTC, elf Jahre lang stand sie auch auf der Meldeliste des Clubs für die Regionalliga. Einmal spielte sie sogar ein Punktspiel in Trainingsjacke, da war sie bereits ein Superstar. Auf der Anlage konnte Graf zu jeder Tageszeit trainieren, hier fühlte sie sich fast wie zu Hause. Gut möglich, dass der nach Amerika ausgewanderte Weltstar dem Turnier einen Besuch abstattet, sollte die WTA tatsächlich im kommenden Jahr hier Halt machen.
Doch nicht nur Berlin bewirbt sich um ein Vorbereitungsturnier auf Wimbledon. Auch das hessische Bad Homburg lockt die Elite mit viel Geld und Geschichte: In Bad Homburg würde auf einem historischen Rasenplatz aus dem Jahr 1875 aufgeschlagen werden. „Für Deutschland wäre das eine Riesensache, auf einen Schlag zwei neue Frauenturniere zu bekommen. Es wäre aber auch eine Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass wir weiter erfolgreichen Nachwuchs ausbilden, denn die Projekte sind langfristig angelegt. Nur wenn wir stark sind, können wir gute Geschäfte machen. Also müssen wir unsere Substanz stärken", sagte Hordorff.
Eine Entscheidung über die Neuordnung der Rasensaison trifft das Executive Board der Frauentennis-Organisation WTA. Dort sitzen neben dem Geschäftsführer Steve Simon auch drei Turnierdirektoren, drei Spielervertreterinnen und zwei Abgeordnete des Weltverbands ITF.