Sie ist steinerner Zeuge des vergangenen Preußentums und verzückt nicht nur kunstinteressierte Menschen auf der ganzen Welt: die Museumsinsel. Das Ensemble mitten in Berlins historischer Mitte ist längst Weltkulturerbe.
Dicht gepackt stehen sie neben- und hintereinander, überall Säulen, Giebel, erhabene Treppen. Hoch aufragende, monumentale Tempel der Kunst. Einschüchtern können sie einen schon, die fünf großen Museen auf der Insel in der Spree, Weltkulturerbe, Ergebnis der Arbeit großer Architekten, Ausdruck staatlicher Macht und nicht zuletzt steinerne Zeugen des vergangenen Preußentums.
Dabei sind sie noch gar nicht so alt, das Pergamonmuseum wurde erst 1930 fertig. Und was sie an Schätzen beherbergen, was sie so sorgfältig korrekt und wie unverrückbar präsentieren, war über die Jahrzehnte so manchen Wechselfällen ausgesetzt. Die berühmte Büste der Nofretete kehrte erst 2009 wieder auf die Museumsinsel zurück – 1941 war sie in den Flakbunker am Zoo ausgelagert worden, wurde dann in einem Thüringer Salzbergwerk versteckt, anschließend im Frankfurter Depot der Amerikaner (von wo sie beinahe in die USA verschickt wurde), bis 1956 in Wiesbaden und dann im Ägyptischen Museum in Berlin-Charlottenburg zu sehen. Schliemanns Troja-Sammlung befindet sich bis heute zu großen Teilen in Moskau, die Sowjetunion hat den Schatz des Priamos 1945 beschlagnahmt und nur einen Teil zurückgegeben.
Alles begann mit dem Königlichen, später Alten Museum, das König Friedrich Wilhelm III. 1825 bis 1830 von Friedrich Schinkel im Stile einer griechischen Akropolis bauen ließ. Es sollte der Bildung und Erziehung des Volkes dienen, so der aufgeklärte Monarch. Aus Sicht des Bürgertums war es ein Akt der Emanzipation, nicht nur die Adligen, Reichen und Mächtigen sollten sich an Geschichte und Kunst erfreuen, sondern alle.
„Aus der fürstlichen Sammlung wurde … im Zeitalter der Revolution das öffentliche Museum", schreibt Jürgen Osterhammel („Die Verwandlung der Welt"). Was sich da an Münzen, allen Arten von Instrumenten, Vasen, Gemälden, Porzellan, Fundstücken und allerlei Raritäten angesammelt hatte, sollte nicht mehr dem Monarch alleine zur Verfügung stehen, sondern dem Staat. Noch Friedrich der Große hatte immer mal wieder in sein Münzkabinett gegriffen, wenn ihm das Geld für seine Feldzüge ausgegangen war, und die besten Stücke zu Barem machen lassen.
Schinkel stellte das Museum genau gegenüber dem Stadtschloss der Hohenzollern, Symbol der weltlichen Macht. Rechts das Zeughaus verkörpert die militärische, links der Dom die geistliche Macht. Das Museum stand für das aufgeklärte Bürgertum. Aber schon damals wollte man weitergehen und die Spreeinsel hinter dem Museum „zu einer Freistätte für Kunst und Wissenschaft" umgestalten.
Kunstvielfalt auf der Spree
Folgerichtig kam 1855 das Neue Museum dazu, ein schlichter klassizistischer Bau von August Stüler, der vorwiegend als Erweiterungsbau für die im Alten Museum nicht mehr unterzubringenden Sammlungen diente. Das waren die Fundstücke aus Ägypten, die Ur- und Frühgeschichtliche Sammlung, die Ethnografische Sammlung (die später nach Dahlem wanderte) und das Kupferstichkabinett. Ursprünglich waren die beiden Museen durch einen Bogengang miteinander verbunden. Der Bau musste auf zahlreiche Holzpfähle gestellt werden, weil der unmittelbare Untergrund aus weichem, schwammigen war.
Worin bestand das Neue am Konzept des Hauses? Es war kein Universalmuseum mehr, sondern ein Spezialmuseum. Zum ersten Mal wurden Gegenstände in einer Dreigliederung der Frühgeschichte als Stein-, Bronze- und Eisenzeit gezeigt. Im Laufe der Zeit verschwanden die vielen Gipsabgüsse, sie wurden von der Universität übernommen, das neue Kunstgewerbemuseum bekam 7.000 Ausstellungsobjekte, die Sammlung ägyptischer Stücke und Papyri breitete sich aus.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Neue Museum so schwer beschädigt, dass die DDR-Führung zeitweise den Abriss in Betracht zog – man wollte ein Gebäude im Stil der späteren Volkskammer errichten. Von 1999 bis 2009 baute David Chipperfield das Gebäude für 295 Millionen Euro wieder auf. Das heißt, er sicherte, reparierte und ergänzte fehlende Bauteile und Schäden, aber so, dass diese weiterhin zu sehen waren. Ein umstrittenes Konzept, genau wie der erste Entwurf der Eingangshalle, gegen den sich sogar eine Bürgerinitiative formierte. Heute ist der Streit vergessen, die Besucher haben den Umbau des Museums wie auch den Neubau der Eingangshalle mit seinen vielen Säulen angenommen.
Kein König, sondern ein Bürger gab den Anstoß zur Gründung der Alten Nationalgalerie. Der Berliner Bankier Joachim Heinrich Wagener stiftete seine Sammlung von über 260 Gemälden dem preußischen König, unter der Bedingung, dass sie zum Grundstock einer Nationalgalerie werden. Wagener hatte über 40 Jahre hinweg alles zusammengetragen, was an zeitgenössischer und internationaler Malerei zu haben war: Peter Cornelius und Wilhelm von Schadow mit der Düsseldorfer Malerschule, belgische Historienmaler, auch Caspar David Friedrich und Karl Friedrich Schinkel. 1876 wurde das auf einem hohen Sockel mit Freitreppe stehende tempelartige Gebäude eröffnet, und die Sammlung zog ein. Von Beginn an also lag der Schwerpunkt auf zeitgenössischer Kunst.
Hugo von Tschudi, der das Museum 1896 als Direktor übernahm, gab dem bei Hofe hoch geschätzten Adolph Menzel viel Raum. 1905 zeigte er zum Beispiel eine umfangreiche Menzel-Gedächtnisausstellung. Gleichzeitig aber legte sich von Tschudi auch mit dem Kaiser an, als er nämlich begann, immer mehr impressionistische Gemälde vorwiegend aus Frankreich auszustellen, was die Hohenzollern als „undeutsch" bezeichneten.
Doch den Museumsdirektor kümmerte das nicht. Mit der berühmten Jahrhundertausstellung zur Kunst der deutschsprachigen Länder von 1775 bis 1875 im Jahre 1906 war die Nationalgalerie in der Moderne angekommen. Tschudi öffnete den Blick für ein ganz anderes Kunstverständnis. Die von ihm zusammengestellten mehr als 2.000 Skulpturen, Zeichnungen und Gemälde thematisierten nicht mehr historisch wichtige Ereignisse, sondern Natur und Alltag. Auch folgten sie keinen akademischen Regeln. Malerische Werte, ästhetische Gesichtspunkte, Farbgebung, Licht und Schatten – bereits die Aufzählung der beteiligten Künstler zeigt, worauf es den Ausstellungmachern ankam: Caspar David Friedrich, Anselm Feuerbach, Hans Thoma.
Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, nutzten sie die Museumsinsel vor allem zu repräsentativen Zwecken. Die Gebäude gaben eine hervorragende Kulisse ab für Paraden, Fackelzüge und Aufmärsche. Der Lustgarten selbst wurde zu einem Exerzierfeld. In den Museen wurden jüdische und politisch missliebige Mitarbeiter verdrängt, alle Hinweise auf jüdische Mäzene entfernt und Gemälde jüdischer Maler nicht mehr ausgestellt. Während der Aktion „Entartete Kunst" wurden 1937 allein in der Nationalgalerie 500 Gemälde der Klassischen Moderne entfernt, um sie zu verkaufen oder zu vernichten. Nicht alle sind wieder aufgetaucht.
Klassizistisch wünschte sich Kaiser Wilhelm II. das Museum an der Spitze der Insel. Neobarock sollte es sein, und am Ende hat der Architekt Ernst von Ihne noch das Beste daraus gemacht: Wie ein Wasserschloss ragt das Kaiser-Friedrich- (später Bode-) Museum aus der Spree. 1904 eröffnete das Haus mit Skulpturen aus der italienischen Renaissance und einer Gemäldesammlung, dem Byzantinischen Museum und dem Münzkabinett. Dazu gehörte auch die 100 Kilogramm schwere Goldmünze Big Maple Leaf, die 2017 gestohlen und wahrscheinlich eingeschmolzen wurde.
Pergamon: Drei Museen in einem
Wilhelm von Bode war Generaldirektor der Königlichen Museen zu Berlin. Er hatte international Erfahrungen gesammelt und verfügte über ausgezeichnete Beziehungen zu Künstlern und Sammlern sowie zur Kaiserfamilie. Von Bode war auch beteiligt am Ausbau der Antikensammlung und des Vorderasiatischen Museums, die gemeinsam mit dem heutigen Museum für Islamische Kunst im Pergamonmuseum untergebracht sind. Typisch für ihn war das Konzept, jeden Raum mit Gemälden, Skulpturen, Möbeln, originalen Architekturfragmenten einer Epoche auszustatten und damit die Trennung der Kunstgattungen aufzuheben.
Bode war einer der ersten Museumsmanager, der Sammler, Antiquitätenhändler, Galeristen und Mäzene um sich versammelte und mit ihnen Geschäfte machte. Geschickt benutzte er den Kaiser bei Kaffeekranz-Treffen mit den Mäzenen, sodass die Berliner den Spruch prägten „Wer mit S.M. (Seiner Majestät) Kaffee trinkt, muss mit seinen Bildern abgerechnet haben." So konnte er etwa die Gemäldegalerie ständig um Werke italienischer, spanischer, französischer, englischer und deutscher Meister erweitern, darunter so bedeutende wie Rembrandt, Dürer und Rubens.
Das jüngste, 1930 eröffnete Museum beheimatet die ältesten Exponate: Das Pergamonmuseum besteht eigentlich aus drei Museen: Antikensammlung, das Vorderasiatische Museum und das Museum für Islamische Kunst. Weltberühmt sind das wieder aufgebaute Markttor von Milet, das Ischtar-Tor mit der Prozessionsstraße von Babylon, die Mschatta-Fassade und natürlich der vollständig aufgebaute Pergamonaltar selbst. Doch bis 2023 ist das Herzstück des Museums wegen umfangreicher Renovierungsarbeiten nicht zu besichtigen.
Ein erstes Pergamonmuseum, 1897 gebaut, erwies sich als zu klein für den gigantischen Altar und wurde 1909 wieder abgerissen. Das neue Gebäude wurde quasi um den Altar herum gebaut. Die Ausführung des dreiflügeligen neoklassizistischen Baus dauerte über 20 Jahre – der Erste Weltkrieg und die Revolutionswirren verzögerten die Fertigstellung. In der gleichen Zeit war Friedrich Sarre, Leiter der Islamischen Abteilung im Bode-Museum in Syrien und dem heutigen Irak zu Ausgrabungen unterwegs. Sarre war Mäzen, Sammler und ein Pionier der islamischen Kunstgeschichte. Sein väterliches Erbe ermöglichte es ihm, ehrenamtlich für das Pergamon-Museum die islamische Abteilung zu komplettieren.
Walter Andrae, ein Architekt, und ab 1928 Direktor der Vorderasiatischen Abteilung, leitete ab 1903 die Ausgrabungen in Babylon und Aššur (Irak). Er sorgte für so spektakuläre Ausstellungsobjekte wie das Ischtar-Tor. James Simon, einer reichsten Männer Berlins, preußischer Patriot und größter Mäzen der Kaiserzeit, finanzierte diverse Grabungskampagnen in Mesopotamien und Ägypten, darunter eben auch die in Tell al-Amarna, wo die Nofretete gefunden wurde.
Diskussion um importierte Kunst
Ob der Transfer all dieser antiken Kunstschätze immer mit rechten Dingen zuging, bleibt im Dunkeln. Das Kaiserreich hatte direkte wirtschaftliche Interessen im Orient, man hoffte auf Rohstoffe und finanzierte die Bagdad-Bahn. Das bankrotte Osmanische Reich war dabei sich aufzulösen, lokale Herrscher stritten um finanzielle Vorteile, wirtschaftlich ging nichts voran. Da waren lukrative Abkommen über die Ausfuhr von Fundstücken willkommen. Der ehemalige ägyptische Minister für Altertumsgüter, Zahi Hawass forderte wiederholt die Rückgabe der Nofretete, zumindest als Leihgabe für die Eröffnung eines neuen großen Museums. Was ein Sprecher des damaligen Kulturstaatsministers Neumann aus konservatorischen Gründen für völlig ausgeschlossen erklärte. Auch wenn mittlerweile klar ist, dass die alte Dame Nofretete eine Reise wohl kaum wohlbehalten überstehen würde, ist die Diskussion um im Kaiserreich erworbene und während der Kolonialzeit „importierte" Kunstschätze in vollem Gange. So auch in Hinblick auf das Humboldt-Forum und die dort künftig präsentierten Sammlungen unter anderem mit Kunstschätzen aus Afrika und Ozeanien.