Wertvolle Sammlungen möglichst vielen unterschiedlichen Menschen zugänglich machen – daran arbeiten bundesweit Pädagogen, Wissenschaftler und Künstler. Neue Vermittlungsansätze sollen Brücken schlagen und Barrieren abbauen.
Etwas finden, das man erwartet/nicht erwartet" oder „Warum gehst Du ins Museum?": Plakative Sätze und Fragen sind auf den Tafeln zu lesen, die Birgit Kunz mitgebracht hat. Die Studentin der Visuellen Kommunikation hat sie gemeinsam mit anderen Teilnehmern eines Seminars für das Brücke-Museum Berlin entworfen. „Damit möchte ich Museumsbesucher anregen, Ausstellungen und den Museumsraum selbst zu hinterfragen", sagt Birgit. Ein Semester lang lief das Projekt – das Ergebnis: künstlerische Arbeiten mit neuen Lese- und Betrachtungsweisen für Museumsbesucher.
Man wolle eine aktive Schnittstelle zwischen Kunst und Kunstvermittlung herstellen, erklärt Daniela Bystron. Seit etwa einem Jahr leitet sie die neu eingerichtete Stelle „Bildung und Outreach" im Brücke-Museum. „Wir wollen unseren Besuchern in Zeiten der sozialen und politischen Veränderung Kunst mit neuen Methoden näherbringen. Aber dabei stehen wir erst am Anfang", betont sie. Aber was genau verbirgt sich hinter dem Begriff „Outreach"? Zu übersetzen wäre der vielleicht mit „Reichweite". Gemeint ist, dass hierbei Personen an Informationen herankommen, die ihnen bisher aus unterschiedlichsten Gründen nicht zugänglich waren. Im Stadtmuseum beispielsweise arbeitet man daran seit dem vergangenen Jahr. Gruppen und Communitys werden gezielt in Kulturangebote eingebunden, die sie bisher nicht eigeninitiativ wahrnehmen konnten. Darunter zum Beispiel blinde und sehbehinderte Menschen. Im Museum Nikolaikirche, einem Teil des Stadtmuseums Berlin, vermitteln jetzt fünf 3-D-Architekturmodelle zum Anfassen die Architektur des Bauwerks.
Einbindung in Kulturangebote
Neue, nachhaltige Ideen sind notwendig, um Schwellen- und Berührungsängste gegenüber Museen abzubauen, um die Institution Museum für das breite Publikum zugänglicher und attraktiver zu machen.
Vor diesem Hintergrund hat die Kulturstiftung des Bundes 2016 gemeinsam mit den Staatlichen Museen zu Berlin das Modellprojekt „lab.Bode – Initiative zur Stärkung der Vermittlungsarbeit in Museen" initiiert – mit einem Budget von 5,6 Millionen Euro.
Das Konzept des Programms basiert darauf, dass sich die verschiedenen Akteure im Museum ständig austauschen – wissenschaftliche Mitarbeiter mit Kuratoren, Künstler mit Vertretern von Schulen. Dabei soll auch konsequent hinterfragt werden, wie gut die im Museum vermittelten Themen beim Publikum überhaupt ankommen" Dazu gibt es regelmäßig Workshops mit Experten.
Neben der Zusammenarbeit mit verschiedenen Schulen stellt ein bundesweites Volontärsprogramm einen weiteren Schwerpunkt im „lab.Bode"-Programm dar. Darüber werden wissenschaftliche Volontariate im Bereich Bildung und Vermittlung an 23 Partnermuseen deutschlandweit finanziert, unter anderem an der Kunsthalle Mannheim, dem Museum Folkwang Essen und dem Brücke-Museum Berlin. Ausgewählt wurden die Häuser in einem deutschlandweiten Bewerbungsverfahren. Ein wichtiges Kriterium dabei war, dass es in den betreffenden Museen bislang kein wissenschaftliches Volontariat im Bereich Vermittlung gab. „23 neue Volontariatsstellen im Bereich Bildung und Vermittlung – das bedeutet eine enorme Stärkung für unseren Fachbereich." Das sagt Katharina Bühler, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Volontärsprogramm. Und sie fügt hinzu, dass der Austausch zwischen den Volontären an den verschiedenen Häusern in deren Arbeitsalltag enorm wichtig sei, so die Rückmeldungen der jungen Wissenschaftler.
Auf die Beine gestellt wurden im Rahmen des Programms schon reichlich spannende Projekte. „Nachts im Museum" beispielsweise lautete der Titel eines Programms, in dessen Rahmen Schüler der Gustav-Langenscheidt-Schule, einer Sekundarschule in Berlin-Schöneberg, einen Kurzfilm drehten. Für dieses Projekt wie für alle anderen gilt: Sie werden dokumentiert, aufbereitet und quasi im Baukastenprinzip für andere Häuser ebenfalls nutzbar gemacht. Beziehungsweise können sie an die jeweiligen Themen und Schwerpunkte eines anderen Museums angepasst werden.
Nora Hogrefe, Volontärin im Brücke-Museum und Teilnehmerin des „lab.Bode"-Volontariatsprogramms, macht sich genau das zur Aufgabe. Angelehnt an die Sammlung des Brücke-Museums entwickelt sie gemeinsam mit Lehrern und Schülern Themen für Schulklassen. Dabei nähert man sich der Kunst der klassischen Moderne unter aktuellen Fragestellungen.
Junior-Kuratoren im Museum
Häuser, die nicht in das Programm involviert sind, entwickeln entsprechend ihres Profils eigene Vermittlungsprogramme. Im Stadtmuseum Berlin, mit seinem überwiegend regionalgeschichtlichen Sammlungsschwerpunkt, nutzten im vergangenen Jahr 7.600 Schulkinder und weit über 3.000 Jugendliche in Schülergruppen die betreuten Vermittlungsangebote. „Im Stadtmuseum formulieren inzwischen Junior-Kuratoren eigene Themen und Wünsche für das Museum und gestalten so erfolgreich Ausstellungen und das Stadtmuseum Berlin der Zukunft mit", so Julia Lüpke, Mitarbeiterin im Fachteam „Outreach und Vermittlung". Das Museum hat auch spezifische Angebote zur jüngeren Stadt- und Alltagsgeschichte. Dazu gehört beispielsweise, dass Berliner dem Museum eigene Objekte zur Verfügung stellen können. So werden sie und ihre Geschichte Teil des Museums.
Das Museum der Zukunft müsse grundsätzlich alle Menschen ansprechen, nicht nur die „kulturbeflissenen zehn Prozent der Bevölkerung". So wünscht es sich auch Carla Schliephack, die Bildhauerei an der Weißensee-Kunsthochschule studiert hat, nach ihrem Kunstprojekt „Eingebildet" im Brücke-Museum. Schritt für Schritt wird das gerade Realität.