Große Stars sind in der Bundesliga Mangelware geworden. Das liegt vor allem am Geld. In England oder Spanien lässt sich einfach mehr verdienen.
Nicht immer ist Fußball einfach nur Fußball. Für Karl-Heinz Rummenigge etwa geht es beim Fußball zuweilen auch um Domino. Zumindest legt eine Aussage des Vorstandsvorsitzenden des FC Bayern München von Anfang Juli diesen Schluss nahe. „Es muss ein Dominostein fallen. Darauf warten alle", kommentierte der Bayern-Boss Anfang Juli das zähe Ringen seines Klubs auf dem Transfermarkt. Moment. Warten, bis die Konkurrenz am Zug war? Das passt doch sogar zu einem Club, dessen Mantra „Mia san mia" lautet.
Aber Rummenigge ist Realist. Er kennt die Hackordnung des europäischen Vereinsfußballs und weiß, dass der deutsche Rekordmeister das Heft des Handelns nicht in seinen Händen hält und sich auf der Suche nach geeigneten Spielern hinten anzustellen hat. Währenddessen muss der selbsternannte Stern des Südens tatenlos dabei zusehen, wie Juventus Turin und Atletico Madrid, der FC Barcelona und Real Madrid sowie etliche wohlhabende Klubs der englischen Premier League ihre Kader sündhaft teuer aufpumpen. Doch die Bayern haben das Problem nicht exklusiv. Die gesamte Bundesliga ist in ihrer internationalen Bedeutung spürbar geschrumpft. Sie mag zwar die Liga mit dem besten Zuschauerschnitt Europas sein, doch ihre sportliche Konkurrenzfähigkeit leidet seit Jahren.
Internationale Bedeutung spürbar geschrumpft
Besonders deutlich wurde der Abstand zur Spitze in der vergangenen Champions-League-Saison. Für Königsklassen-Neuling Hoffenheim war nach ebenso lebhaften wie naiven Auftritten bereits nach der Vorrunde Schluss, im Achtelfinale gesellten sich dann auch die drei weiteren Vertreter der Bundesliga zum Klub der Gescheiterten. Für die ohnehin kriselnden Schalker war Manchester City die erwartet unüberwindbare Höhe, doch wie wenig selbst die Bayern (gegen den späteren Sieger Liverpool) und Borussia Dortmund (gegen den späteren Finalisten Tottenham) zu melden hatten, stellte der Bundesliga kein allzu glänzendes Zeugnis aus. Darüber kann auch nicht der famose Ritt der Frankfurter Eintracht durch die Europa League hinwegtäuschen. Dieser führte die leidenschaftlichen Hessen bis ins Halbfinale.
Das jüngste Abschneiden der deutschen Klubs stellt mitnichten eine Ausnahme dar. Von den 40 seit 1999 vergebenen Europapokalen landeten nur zwei in Deutschland, 2001 und 2013 triumphierte der FC Bayern jeweils in der Champions League. Im gleichen Zeitraum holten spanische Klubs gleich 18 Titel, nach England wanderten acht Pokale und selbst der FC Porto war mit seinen drei Europapokalsiegen erfolgreicher als alle Vertreter der Bundesliga zusammen. Ein etwas weniger trauriges Bild zeichnet die Fünfjahres-Tabelle des europäischen Fußballverbandes Uefa. Diese sieht die Bundesliga als drittstärkste Liga Europas und gesteht ihr damit vier Startplätze in der Champions League zu. Und trotzdem wird sie zunehmend unattraktiv, findet José Holebas. Laut des in Aschaffenburg aufgewachsenen Griechen „will einfach keiner mehr nach Deutschland". Der mittlerweile 35-Jährige spielt mit dem Londoner Vorstadtclub FC Watford in der Premier League und machte gegenüber dem Onlineportal „Sportbuzzer" keinen Hehl aus deren größter Stärke: „In der Premier League hat jeder Verein Geld. Da geht ein gescheiter Spieler auch mal nicht gleich zu einem Top-Verein, um richtig Geld zu verdienen, wie dies vielleicht in Deutschland oder Spanien der Fall ist."
Sogleich setzte sich eine Diskussion in Gang, ob Holebas mit seinen drastischen Aussagen nicht etwas zu forsch war. Tatsache aber ist, dass die Bundesliga nur noch Zulieferer für die ganz großen (und wohlhabenden) Vereine geworden ist. Eintracht Frankfurt etwa wurde für seine famosen Leistungen in der Europa League umgehend „bestraft" und verlor seine Leistungsträger Luka Jovic (Real Madrid) und Sebastian Haller (West Ham United). Ein Umstand, den sich die Frankfurter zwar mit viel Geld entschädigen ließen, die Rolle der Bundesliga als Sprungbrett aber eindrucksvoll belegt. Das ist kein neuer Trend. Auch Kevin de Bruyne (einst beim VfL Wolfsburg), Shinji Kagawa oder Ousmane Dembélé (beide einst bei Borussia Dortmund) war die Bundesliga irgendwann zu klein beziehungsweise die Verlockungen der Premier League zu groß. Selbst deutschen Jungstars wie Leroy Sané, Thilo Kehrer oder Marc-André ter Stegen war die heimische Liga schnell nicht mehr gut genug, und sie verabschiedeten sich frühzeitig von ihr. Nicht unwahrscheinlich, dass vielversprechende Talente wie Kai Havertz von Bayer Leverkusen oder Dortmunds Jadon Sancho folgen werden.
50+1-Regel verhindert Investitionen
Letztlich ist es eine Frage des Geldes, und in dieser Frage ist vor allem England weit enteilt. Dort kommt selbst ein Absteiger auf höhere Einnahmen durch TV-Gelder als der FC Bayern hierzulande. Hinzu kommt eine komplette Offenheit gegenüber Investoren, die zusätzliches Geld in die Vereine pumpen. In Deutschland wird das weitgehend verhindert durch die sogenannte 50+1-Regel, die Investoren eine Stimmenmehrheit verwehrt. Vor allem aber haben viele englische Klubs mittlerweile gelernt, mit ihrem Geld gut umzugehen. Beim steinreichen Meister Manchester City hat man sich komplett der vielversprechenden Philosophie von Pep Guardiola unterworfen, der FC Liverpool setzt derweil auf Jürgen Klopp, Tottenham Hotspur seit geraumer Zeit auf Mauricio Pochettino. Viele Klubs geben Unsummen für Transfers und Gehälter aus, allerdings nicht mehr willkürlich mit der Gießkanne, sondern für Kicker, die ins Konzept passen. Der sportliche Gegenwert ist entsprechend hoch. Es war kein Zufall, dass alle vier Teilnehmer der jüngsten Europapokalfinals aus England kommen.
Zuvor waren es die spanischen Klubs, die den europäischen Fußball dominiert haben. Das hatten sie vor allem ihren Superstars zu verdanken. Doch Ronaldo hat Real schon im Vorjahr den Rücken gekehrt und eine bislang nicht geschlossene Lücke hinterlassen. Und auch Lionel Messi ist mittlerweile auf die Zielgerade seiner Karriere eingebogen, sein Abschied wird den FC Barcelona vor große Probleme stellen. Gut möglich also, dass die englische Vormachtstellung im Fußball noch ein Weilchen anhält. Zur Not auch im Domino.