Da ist er wieder, der Skandal. Als Rammstein im Frühjahr die Vorabsingle „Deutschland" des gleichnamigen Albums mit zugehörigem Video veröffentlichen, ist der Sechser aus Berlin sofort im Gespräch. Nach zehn Jahren Schaffenspause haben die Musiker die ziemlich gut durchdachte Provokation also nicht verlernt. Umso erstaunlicher jetzt das fertige Produkt. Teils klingt das siebte Studioalbum, als wäre man morgens um neun Uhr ins Studio gegangen und hätte abends um fünf Uhr die Tür wieder hinter sich zugemacht. Wo „Deutschland" nach der liebgewonnenen ebenso brachialen wie eingängigen neuen Härte zumindest noch klingt, ist der Song textlich bereits eher Mittelmaß. Eindeutige Distanzierung von rechts? Anbiederung nach links?
Das gilt im Grunde auch für den Rest des Albums. Die Riffs sitzen punktgenau, ohne zu überraschen. Das Schlagzeug hält den Takt und der Bass ist auch anwesend. Einzig Christian „Flake" Lorenz an den Tasten steuert die ein oder andere musikalische Idee bei. So profitiert die zweite Single „Radio" von Tönen, die an Kraftwerk erinnern. In „Sex" befingert Flake seine Tasten mit einem Quickie-Solo, und in „Ausländer" hämmert er eine Mallorca-DJ-Tonfolge raus, bei der man denkt, dass gleich David Guetta um die Ecke kommt. Bei einigen Songs zeigt sich aber auch eine bislang eher vernachlässigte Eigenschaft: das ironische Augenzwinkern auf Albumlänge. Man kann sich richtig das diebische Grinsen der sechs Musiker vorstellen, wenn bestimmte Konzertgänger, die beim Titelstück noch „Deutschland Deutschland über allen" gegrölt haben, dann plötzlich „Ich bin Ausländer" hinterherschicken.
Weit intensiver und ernster kommt „Puppe" daher. Die Geschichte eines kranken Mädchens und seiner Schwester, die sich als Prostituierte verdingt, nimmt im Refrain eine derbe Wendung. In „Zeig Dich" wiederum legen sie sich mit der angeblich höchsten aller Mächte an – und flehen geradezu: „Versteck Dich nicht / Wir verlieren das Licht". Dazu liefern sie Kritik an der Kirche gleich mit. Vor Sarkasmus triefend singt Till Lindemann: „Aus Versehen/Sich an Kindern vergehen".