Stimmt es eigentlich, dass der Mensch von Natur aus gierig und egoistisch ist? Dieser im Kapitalismus verbreiteten Annahme geht Autor Andreas von Westphalen nach und positioniert sich deutlich gegen dieses Menschenbild. Wie kam es dazu, dass Gesellschaften im Kapitalismus –
er meint damit die Wirtschaftsform, die sich in den westlichen Industriestaaten entwickelt hat – der Mär vom egoistischen, gierigen Homo Sapiens auf den Leim gegangen sind? Von Westphalen folgert, es sei der Kapitalismus, der den Menschen erst zum Egoisten deformiert hat, denn Egoismus entspricht nicht der menschlichen Natur.
Rückblickend wurde nicht nur der Ökonom Adam Smith falsch verstanden, sondern auch Charles Darwin. Adam Smith war zwar überzeugt, dass Eigenliebe oder Eigennutz zum kollektiven Wohlstand führen können, seine Interpreten lagen aber falsch, wenn sie diesen Gedanken für den Kern von Smiths Menschenbild hielten.
Auch Darwin wurde missverstanden. Seine Evolutionslehre gilt als eine Grundlage für die Überzeugung, dass das kapitalistische Menschenbild zutreffend sei. Im Überlebenskampf der Arten überlebt eben nicht der Stärkere, sondern der, der sich optimal an die Umwelt anpasst. Auch der Vater der Psychoanalyse, Sigmund Freud, hat fundamental zu unserem negativen Menschenbild beigetragen. Er war nicht nur davon überzeugt, dass der Mensch von seinen Egoismen gesteuert ist, sondern sogar, dass dies so sein muss. All dieser und ähnlicher Thesen zum Egoismus des Menschen zum Trotz, sieht von Westphalen den Menschen als ein zutiefst soziales Wesen. Er sucht und findet dafür Beweise in der Hirn- und in der Verhaltensforschung. Das menschliche Gehirn ist von Natur aus nicht für ein Leben als Einzelkämpfer programmiert.
Viele Ideen und Funde, die von Westphalen präsentiert, sind nicht neu. Aber es ist ihm gut lesbar und durch detailreiche Belege gelungen, die Mechanismen bloßzustellen, die in einem zunehmend ungezügelten kapitalistischen System auf uns wirken.