Geburtsort der legendären „Titanic", Schauplatz des Nordirlandkonflikts und Heimat offener und hilfsbereiter Menschen: Ein Besuch in Belfast.
Auf den ersten Blick wirkt Belfast wie ein Versuchsfeld miteinander konkurrierender Architekten. Supermodern und avantgardistisch, aber auch historisch, alt und renovierungsbedürftig. Diese Symbiose ist kontrastreich, aber nicht immer gelungen. Das Rathaus, die Ulster Hall, St. Anns Cathedral und das Customs House gehören neben dem Bummeln auf der Great Victoria Street sowie der Royal Avenue zu den Höhepunkten einer fußläufigen Besichtigungstour. Einen Zwischenaufenthalt in einem der vielen kleinen Pubs ist obligatorisch, um fröhliche, offene und hilfsbereite Menschen bei einem Gespräch kennenzulernen.
Die alles überragenden Kräne der Werft von Harland + Wolff (H+W) weisen dem Besucher den Weg zu einer einzigartigen Attraktion – genannt Titanic Belfast. Das ehemalige Hafengebiet, das in den 70er-Jahren durch die Wirtschaftskrise seine Bedeutung verlor, ist zu einer gelungenen Mischung aus Wohnhäusern, Bürogebäuden, Hotels und Museen geworden. Die Hauptattraktion ist ein 2012 eröffnetes Gebäude, das die gleiche Form wie der Bug der Titanic hat. Die Inneneinrichtung ist dem Design des Luxusdampfers nachempfunden, inklusive der berühmten Ballsaaltreppe. Kate Winslet und Leonardo DiCaprio waren leider bei unserem Besuch nicht anwesend. Da das Wrack der Titanic nicht gehoben werden konnte, kann der Besucher die „SS Nomadic", das letzte Schiff der legendären White Star Line, besichtigen.
Um die Geschichte der oft krisengeschüttelten Stadt zu verstehen, lohnt sich abschließend eine Tour durch die republikanischen Stadtteile. Hier liegt der katholische Bevölkerungsanteil bei bis zu 95 Prozent. Es gibt sogenannte Black Taxi-Touren, eine Reminiszenz an unruhige Zeiten, als der Busverkehr vollständig eingestellt werden musste.
Eine Mauer um die komplette Altstadt
Mit der britischen Kolonisierung war Londonderry die offizielle Bezeichnung. Die mehrheitlich katholischen Bewohner der Stadt bestehen auf Derry. Dies ist auf vielen Straßenschildern zu sehen, wo eifrige Sprayer den Wortteil London unkenntlich gemacht haben. Die Stadt wirkt heute freundlich und friedlich, der Tourismus hat neue Arbeitsplätze entstehen lassen. Die sehenswerte Altstadt ist von einer vollständig erhaltenen Mauer umgeben, einzigartig in Irland. Der zentrale Platz heißt Diamond, von hier führen alle Straßen zu einem der sieben Stadttore.
Außerhalb der Stadtmauern befindet sich Bogside, der Arbeiterbezirk mit zahlreichen Wandmalereien, die auf die leidvolle Vergangenheit der heutigen Grenzstadt hinweisen. Bogside wurde für die überwiegend katholischen Arbeiter der Baumwoll- und Leinenindustrie gebaut. So entstand sehr früh eine Zweiklassengesellschaft mit katastrophalen Folgen. 1969 errichteten Bewohner des Viertels Barrikaden, und nannten es „Freies Derry". Ein Denkmal erinnert an de 31. Januar 1972, den „Bloody Sunday", an dem britische Soldaten das Feuer auf Demonstranten eröffneten. Es gab viele Tote und Verletzte.
Revolutionär ist die Bogside geblieben. Davon zeugen zahlreiche politische Aussagen zu Gaza oder Südafrika an den Wänden. Und die rote Fahne der untergegangenen Sowjetunion flattert im Wind.
„Die britischen Truppen kamen ursprünglich nur für eine kurze Zeit, es wurden Jahrzehnte daraus. Wahrscheinlich wegen unserer Gastfreundschaft", bemerkte ein älterer Herr voller Ironie.
Seit 1998 wurden die Konflikte ständig weniger. Es wäre so wichtig, dass politische Vernunft im fernen London das mühsam aufgebaute, gegenseitige Vertrauen nicht wieder zerstört.
Nur 20 Meilen beträgt die Entfernung zwischen Portrush und Ballycastle an der Nordküste. Aber diese 32 Kilometer bieten alles, was Besucher sich erträumen. Herrliche Sandstrände, verträumte Kleinstädte, die Bushmill-Whisky-Brennerei mit Besucherstopp, Burgruinen direkt am Atlantik und zwei einmalige Sehenswürdigkeiten mit Alleinstellungsmerkmal.
Ausgeschilderte Wanderrouten
„Der Giants Causeway – von der Fantasie geformt", betitelt die deutschsprachige Broschüre dieses geologische Wunder. Mehr als 40.000 ineinandergreifende Basaltsäulen erlauben einen Einblick in die Urzeit unserer Erde. Lavaströme vor 60 Millionen Jahren kühlten hier ab und verkleinerten sich. Ein Audiogerät erklärt humorvoll alles Wissenswerte aber auch die Legenden und Mythen.
Vier Wandertouren sind ausgeschildert, von leicht bis anspruchsvoll. Der Lohn sind atemberaubende Ausblicke auf Klippen und Buchten. Die Carrick-a-Rede-Bridge ist der zweite Höhepunkt. Eine gewisse Fitness ist empfehlenswert, um den Fußweg, der zur Hängebrücke führt, zu nutzen. Leicht schwankend erreicht man dann eine kleine Insel, die nur von Seevögeln bewohnt ist. Für Fans und Kenner der Kultserie „Games of Thrones" bietet sich in dieser Region die einmalige Gelegenheit, sechs Originaldrehorte kennenzulernen. Die Fahrt ist ein Genuss, immer wieder gibt es neue Ausblicke auf den Atlantik, auf vorgelagerte Inseln, unzählige Schafherden und eine Landschaft von herber Schönheit.
Wer das Fahren im Linksverkehr meiden will, kann sich bequem und ökonomisch dem ÖPNV anvertrauen. Ein umfassendes Bus- und Bahnnetz verbindet Belfast mit allen Teilen des Landes. Ein Tagesticket, gültig auf dem gesamten Streckennetz kostet circa 20 Euro und ist eine gute Alternative zum Mietwagen.
Zum Abschied wünscht der freundliche Fahrer des Flughafenbusses jedem Fahrgast eine sichere Reise. Es bleibt zu hoffen, dass die Sicherheit in diesem außergewöhnlichen Teil Großbritanniens nie wieder ein Thema für negative Schlagzeilen ist.