Ob als bezaubernder Merlin, querköpfiger Bauer Grutz oder als berührender Novecento – Dieter Meier ist einer der gefragtesten Amateurschauspieler im Saarland. Aktuell probt der 61-Jährige den Tod in der dramatischen Komödie „Brandner Kaspar".
Das Interview mit Dieter Meier beginnt mit Kaffee und Kuchen. Eine kleine, feine Auswahl, liebevoll auf Teller drapiert, dazu ein Kaffee mit aufgeschäumter Milch. Das Ganze serviert unter dem Pavillon in dem Garten seines Hauses, in dem er mit seiner zweiten Frau Birgit lebt. Dieter Meier liebt Süßes und hat es gerne auch mal gemütlich. Doch Ruhe halten kann der 61-Jährige mit dem lausbubenhaften Lachen nicht lange, auch nicht beim Kuchen essen. „Ich mag keine Gleichförmigkeit", sagt er und grinst schelmisch. „Wenn drei Tage hintereinander die gleiche Zeitung käme, würde ich verrückt werden." Die Gleichförmigkeit hat Dieter Meier aber schon lange aus seinem Leben verbannt, Theater sei Dank. Eigentlich eine „einfache Geschichte", wie er sagt. Als Kind spielt der kleine Dieter mit seiner Freundin Karin leidenschaftlich gerne Kaufladen und Zirkus. Dann eröffnet er ein Kasperltheater in der Garage seiner Eltern. „Ich habe öfter Aufführungen für die Kinder aus der Nachbarschaft gemacht und damit ordentlich Geld verdient. Fünf Pfennig pro Nase." Sein „erster richtiger öffentlicher Auftritt", wie er sagt, findet in der Kirche statt. „Ich habe den Vorbeter gemacht, da hatte ich zum ersten Mal Kontakt zu Publikum und dieses Wohlgefühl, was entsteht, wenn man merkt, dass Leute wohlwollend zuschauen."
Das beeindruckt den Jungen. Doch das Leben hat erst mal andere Pläne. Sehr jung, mit 19 Jahren, heiratet Dieter Meier und wird Vater einer Tochter. Er studiert Architektur und schlägt eine Beamtenlaufbahn ein. Es ist die Sicherheit, die sich vor allem sein Vater immer für ihn gewünscht hat. Vom Künstlerischen, Schauspielerischen ist Dieter Meier weit entfernt. Doch dann kommt der entscheidende Anruf. Jene Karin aus Kindertagen meldet sich bei ihm, ob er nicht Lust hätte, in ihrem Theaterverein, dem Dudweiler Statt-Theater, in einem Stück mitzuspielen. Da ist Meier 31, seine Ehe ist mittlerweile in die Brüche gegangen, er lebt als alleinerziehender Vater mit seiner Tochter in Dudweiler. „Karin sagte, wenn du noch so verrückt bist wie damals als Kind dann brauchen wir dich." In seiner ersten Rolle gibt er einen Hausmeister in einem Kriminalstück. „Drei Sätze plus ein Slapstick." Nicht viel, aber es kommt an. Und da erfährt der junge Mann etwas, was ihn für den Rest seines Lebens leiten wird. „Zu spüren, dass die Leute lachen. Das ist einfach was Schönes, die Leute zu berühren. Das ist das Beste, was es gibt." Der Theatervirus hat ihn schlagartig infiziert. „Es hat mich komplett verändert, hat mir die richtige Richtung gegeben. Diese Art von Anerkennung, das kannte ich vorher nicht."
Der Anruf einer Freundin bringt ihn zum Theater
Der Schauspieler bleibt beim Dudweiler Statt-Theater, lässt sich irgendwann in den Vorstand wählen. In unzähligen Produktionen steht er auf der Bühne, mal in einem Schauspiel, mal in einem Musical. In Brechts „Dreigroschenoper" verkörpert er zum Beispiel Mackie Messer, in „Die Raubritter vor München" von Karl Valentin den Bene, in dem Musical „Linie 1" hat er gleich mehrere Rollen. Der Saarländer, der nie einen Schauspielkurs besucht hat, entwickelt sich zu einem der gefragtesten Amateurdarsteller im Saarland. Ende der 90er meldet sich der Schauspieler und Regisseur Jürgen Reitz und bietet ihm die Rolle in dem Ein-Personen-Stück „1xNeptun und zurück" an. „Das war wie ein Ritterschlag", erinnert sich Meier. „Es war eine Chance zu lernen." Geprobt wird im Theater Leidinger, die Sprechtrainerin Susanne Lechler ist mit von der Partie. „Sie hat mich auf dem Boden rumkriechen lassen, ich musste verschiedene Tiere nachmachen, bis ich meinen Ton gefunden hatte", erzählt er und lacht.
Die Rollen werden anspruchsvoller, die Themen dichter, Dieter Meier übernimmt auch seine ersten Regiearbeiten beim Dudweiler Statt-Theater. Und das nächste Solostück lässt nicht lange auf sich warten. 2001 spielt er in „Novecento" einen Jazzpianisten, der als Kind auf einem Schiff entdeckt wird, das Klavierspielen lernt, die Leute damit begeistert und es nie mehr schafft, von dem Schiff runterzukommen. Noch heute wird er gelegentlich auf das Stück angesprochen. Das Herz der Menschen bewegen, ist für den 61-Jährigen das Schönste, was ihm als Mensch passieren kann. „Wenn man feststellt, dass man eine Fähigkeit hat, die anderen Leuten gefällt, dann muss man die auch nutzen. Weil man damit etwas Richtiges tun kann. Man gibt eins und bekommt hundert zurück."
Doch nicht nur als Schauspieler brennt er fürs Theater. Er schaut auch leidenschaftlich gerne zu. „Ich sehe gerne Versionen", sagt er. „Täglich grüßt das Murmeltier. Mehrfach das Gleiche und immer anders. Genial." Und obwohl er schon in einer Minirolle beim saarländischen „Tatort" dabei war und regelmäßig als Darsteller für Lehrfilme gebucht wird – was alles eher „zufällig" gekommen sei – geht für ihn nichts über Theater. Weil hier jede Vorstellung des gleichen Stücks immer wieder anders ist. Besagte Versionen eben.
Die Arbeit mit Martin Leutgeb prägt ihn sehr
2003 probiert Dieter Meier wieder was Neues, geht zum Casting des neu gegründeten Musicalprojekts Neunkirchen und wird genommen. Schon in der zweiten Produktion besetzt Martin Leutgeb, zu der Zeit Publikumsliebling am Saarländischen Staatstheater, Regisseur und „Vater" des Musicalprojekts, mit ihm die Titelrolle. In „Merlin, wir können auch anders" gibt er den sagenumwobenen Zauberer. Eine Paraderolle für ihn, das Publikum ist hin und weg.
Die Arbeit mit Martin Leutgeb prägt ihn sehr, er wird zum großen Vorbild für ihn. „Ich kenne keinen, der sich mit ihm messen kann. Ich habe noch keinen Menschen getroffen, der so eine große Bandbreite an Möglichkeiten hat, um genial zu sein." Und Martin Leutgeb hält auch viel von Dieter Meier. Er beruft ihn in den Stab des Musicalprojektes, als eine Art Ansprechpartner im Projekt für Leutgeb, als dieser 2005 ans Schauspielhaus nach Stuttgart wechselt. „Das war eine große Ehre", sagt Meier. „Ich war allerdings ein bisschen überfordert. Ich kann ja Martin in keinster Weise ersetzen." Nach drei weiteren Produktionen, bei denen er auch als Autor und Co-Regisseur mitwirkt, verlässt Dieter Meier das Musicalprojekt, weil es sich ohne Leutgeb „zu sehr verändert hatte". Meier wendet sich wieder anderen Stücken und Regiearbeiten zu. Die Liste ist mittlerweile lang. Zum Beispiel brilliert er in der langen „Loriot-Nacht" im Dudweiler Statt-Theater in verschiedenen Rollen, bei den Stücken „Hotel zu den zwei Welten" und „Frau Müller muss weg" führt er Regie und steht auch auf der Bühne.
Die Vielfältigkeit des Künstlers und seine Lust, Neues auszuprobieren, bringen ihn schließlich auch zu der beliebten Weihnachtsshow „Soulful Christmas". Meier liest in dem musikalischen Programm Weihnachtsgeschichten vor, die er so einzigartig komisch präsentiert, dass diese Einlagen schnell zum Publikumsrenner werden. „Das glaubt man lange nicht, wenn die Leute begeistert sind", sagt Meier und grinst. „Aber: misstraue der Idylle! Wie beim Gemüse schneiden. Man muss bei jedem Schnitt aufpassen, sonst schneidet man sich." An einem „Soulful"-Auftrittswochenende im Jahr 2015 stirbt Dieter Meiers Vater. „Sonntagsmittags ist er gestorben und abends hatten wir Vorstellung. Es war klar, dass mein Vater gesagt hätte: Ich bin jetzt gestorben, und du machst bitte deine Arbeit fertig! Ich habe so weitergelebt, wie er es mir vorgelebt hatte." Trotzdem bringt ihn der tragische Verlust dazu, eine Verschnaufpause einzulegen. Ein Rollenangebot von Martin Leutgeb für eine Volkstheater-Produktion in der Kettenfabrik in Saarbrücken lehnt er ab.
„Theater ist ein schöner lauter Spaß"
Leutgeb, der, obwohl er mittlerweile in Österreich lebt und arbeitet, seine Kontakte ins Saarland pflegt, bringt Anfang des Jahres 2019 ein weiteres Stück in der Kettenfabrik auf die Bühne. Diesmal ist Dieter Meier dabei, er spielt in dem Drama „Erde" den alten Bauern Grutz, einen Querkopf, der seinen Hof nicht an seinen Sohn abgeben will. „Ein bisschen stur wäre ich auch mal gerne", sagt er über die Figur und lacht. So geht er in jede Rolle rein, schaut, wie es sich anfühlt, die Person zu sein. Und genießt es, wieder mit Martin Leutgeb zu arbeiten. „Diese Begeisterung fürs Theater, der hat da so viel Holz nachgelegt, da brenne ich noch 20 Jahre daran." In zwei Jahren soll das nächste Stück in der Kettenfabrik laufen.
Und nun, ganz aktuell, kommt endlich ein lang gehegter Traum, ein „Herzensprojekt", wie Meier es nennt. Ende August spielt er in einer Produktion des Homburger Amateur-Theaters den Tod im „Brandner Kaspar", eine Erzählung aus dem 19. Jahrhundert. „Diese Komödie ist derart ernst und dramatisch, dass man sich kaputtlachen könnte." Der 61-Jährige freut sich auf die Rolle des Tods, der in dem Stück „dumm und unbedarft" ist und sich vom Brandner, den er eigentlich holen soll, mit Schnaps einlullen lässt und beim Kartenspielen betrogen wird. „Ich liebe dieses Stück, ich wollte auch den Brandner spielen. Und den Tod. Aber das geht ja so schlecht, vor allem gleichzeitig", sagt er und lacht laut. Das Stück habe „mit der Absurdität des Menschseins" zu tun, meint Dieter Meier. „Dass wir der Meinung sind, der Tod hätte etwas Abartiges. Wir werden alle sterben, fertig. Das einzige, was uns was bringen könnte, ist, wenn wir vorher ordentlich gelacht haben." Der Schauspieler wird es wohl auch dieses Mal schaffen, die Zuschauer zu berühren und zum Lachen zu bringen, dort oben auf dem Schlossberg in Homburg in den Ruinen der Hohenburg, wo das Stück aufgeführt wird. Und vielleicht empfinden es manche Besucher ähnlich wie er: „Theater ist ein schöner lauter Spaß!"
Doch eine der schönsten Rollen in seinem Leben hat ihm vor einem Jahr und sieben Monaten ein kleiner Mensch beschert. Da wurde Dieter Meier Großvater des kleinen Mads Friedrich, mit dem er gerne viel Zeit verbringt. „Er macht schon den Opa nach. Und hat schon ein Kasperletheater. Die Proben beginnen demnächst."