Bei der Behandlung von Schlaganfall-Patienten zählt jede Sekunde. Von der ersten Untersuchung zurück zu einem selbstbestimmten Leben ist es manchmal ein langer Weg.
Jeder Schlaganfall – unabhängig vom Alter der Betroffenen – ist ein Notfall – und womöglich lebensbedrohlich. Selbst, wenn nur der Verdacht auf einen Schlaganfall besteht, sollte sofort die Notrufnummer 112 gewählt werden. In jeder Minute, die verstreicht, können Hirnzellen absterben und wichtige Funktionen ausfallen. „In der Klinik wird zunächst eine Computertomografie oder eine Magnetresonanztomografie-Aufnahme vom Gehirn gemacht. Hier zeigt sich, ob der Verdacht begründet war und – falls ja – um welche Form eines Schlaganfalls es sich handelt", sagt Mario Leisle, Pressesprecher der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe. Dadurch können Ärzte schon zu Beginn unterscheiden, ob der Patient eine Hirnblutung oder einen Hirninfarkt erlitten hatte.
Laut der Stiftung liegt in rund 85 Prozent der Fälle ein Gefäßverschluss vor. Der Fachbegriff dafür lautet ischämischer Schlaganfall. In diesem Fall wird der Schlaganfall in aller Regel mit einer Thrombolyse, kurz Lyse, behandelt, heißt es. Dabei wird dem Schlaganfall-Patienten ein Medikament gespritzt, durch das sich das Blutgerinnsel lösen soll. „Das sollte so schnell wie möglich erfolgen, spätestens viereinhalb Stunden nach Auftreten der ersten Schlaganfall-Symptome", sagt Leisle. Außerdem gebe es Schlaganfall-Leidende, die ein größeres Gerinnsel im Gehirn haben und bei denen eine andere Methode zum Einsatz kommen könne. In diesem Fall spricht man von einer Thrombektomie, das heißt dem Patienten wird ein Katheter in die Leiste eingeführt. „Neurologen und Neuroradiologen entscheiden gemeinsam nach Lage und Größe des Verschlusses, ob ein solcher Eingriff sinnvoll und notwendig ist", erläutert Leisle. Sicher ist aber: Je früher der Therapiebeginn, desto besser sind die Behandlungserfolge.
Im Idealfall sollten Menschen, die einen Schlaganfall erlitten haben, in einer spezialisierten Klinik mit einer Stroke Unit für Schlaganfall-Patienten behandelt werden. Die Stiftung weist allerdings darauf hin, dass der Name Stroke Unit kein geschützter Begriff ist. Aktuell sind 329 Stroke Units von der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe und der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft zertifiziert worden. „Das Netz der zertifizierten Stroke Units sorgt dafür, dass Schlaganfall-Betroffene in aller Regel akut hervorragend versorgt werden", sagt Mario Leisle. Weiße Flecken auf der Landkarte der Schlaganfall-Versorgung gibt es demnach nur wenige. Soll heißen, dass die meisten Patienten innerhalb von 30 Minuten eine Stroke Unit erreichen. Ebenfalls ist der Schlaganfall-Hilfe zufolge Deutschland in der neurologischen Rehabilitation gut aufgestellt. Doch die Situation in der häuslichen Nachsorge könnte noch besser sein als sie zurzeit ist. Viele Patienten seien schlicht überfordert, wenn es darum geht, die weitere Behandlung eigenständig zu organisieren und im komplizierten Gesundheits- und Sozialwesen sich zurechtzufinden. Dazu Leisle: „Hier brauchen wir neue Versorgungsmodelle wie das der Schlaganfall-Lotsen, das die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe derzeit in einem großen Modellprojekt erprobt."
Alle Schlaganfall-Patienten profitieren von einer Reha-Maßnahme
Die Dauer der stationären Akutbehandlung ist erfahrungsgemäß abhängig vom Gesundheitszustand jedes einzelnen Patienten. Zumeist verlassen diese nach wenigen Tagen die Stroke Unit einer Klinik. Nachdem sie daraufhin noch einige Tage auf einer Regelstation behandelt wurden, wechseln sie von dort direkt in eine neurologische Rehabilitation. Da die Patienten oft unter einer Halbseitenlähmung leiden, brauchen sie dementsprechend Gangtraining oder Hand-Arm-Training. In der Regel übernehmen Physio- oder Ergotherapeuten dieses Aufbautraining. Je nach Ausstattung der Praxis und Schädigungsbild der Patienten trainieren diese auch an Geräten oder Maschinen. Logopäden und klinische Linguisten behandeln die unterschiedlichen Formen von Sprachstörungen, die häufig als Symptom nach einem Schlaganfall auftreten können. Darüber hinaus gibt es verschiedene Übungen und Therapien für die unterschiedlichsten neuropsychologischen Störungen. „Ein Problem sehen wir allerdings darin, dass es viel zu wenig Neuropsychologen hierzulande gibt", betont Leisle.
Abgesehen von diesen gängigen Rehabilitationsmethoden gibt es laut der Deutschen Schlaganfall-Hilfe eine Fülle alternativer Therapien, deren Wirksamkeit oft aber nicht durch wissenschaftliche Untersuchungen nachgewiesen ist. Dementsprechend schwierig sei es für Patienten, eine Kostenübernahme von ihrer Krankenkasse zu erhalten, gibt Leisle zu bedenken. „Manche Therapeuten integrieren aber auch alternative Methoden in den Therapiealltag. Ein Beispiel hierfür ist die tiergestützte Therapie", berichtet er. Ein eigens ausgebildeter Therapiebegleithund absolviere dann mit den Patienten die Übungen. „Bei Patienten, die Hunde lieben, kann das dazu führen, dass sie eine höhere Trainingsfrequenz erreichen, weil sie viel mehr Spaß an den Übungen haben", sagt Mario Leisle.
Grundsätzlich gilt: Alle Schlaganfall-Patienten profitieren von einer Reha-Maßnahme. Im Einzelfall treffen die behandelnden Klinikärzte in Rücksprache mit dem Patienten und seinen Angehörigen die Entscheidung, welche Maßnahme am besten ist. „Vor allem in der ersten Zeit nach dem Schlaganfall ist die Chance am größten, durch intensive Therapie eine Verbesserung der Funktionen zu erzielen", so Leisle.
Die Deutsche Schlaganfall-Hilfe beklagt aber, dass Schlaganfälle häufig – auch von den Betroffenen selbst – fälschlicherweise als leicht eingestuft werden, wenn äußerlich keine oder kaum sichtbare Folgen zurückbleiben. Nach Auskunft der Stiftung leiden rund 80 Prozent der Patienten unter sogenannten neuropsychologischen Funktionsstörungen. Beispielsweise können sie sich demnach schwer konzentrieren und sind kaum belastbar. „Häufig fällt das erst auf, wenn sie wieder den Belastungen des Alltags ausgesetzt sind. Nicht wenige dieser Patienten müssen dann nachträglich in die neurologische Rehabilitation", sagt Leisle.
Im Großen und Ganzen ist die neurologische Rehabilitation nach Angaben der Stiftung sehr wirksam. „Das sehen wir täglich an den großen Fortschritten, die die Patienten machen", sagte Leisle. Dazu gibt es jedoch nur wenig Zahlenmaterial, teilte der Stiftungssprecher mit. Denn: Das Rehabilitationsergebnis von Schlaganfall-Patienten werde nicht systematisch erfasst. Immerhin wisse man, dass die neurologische Rehabilitation „in den vergangenen Jahren deutlich an Qualität gewonnen hat", so Mario Leisle. Inzwischen gebe es eine Fülle von Studien über die Wirksamkeit einzelner Methoden ebenso in Physio- und Ergotherapie sowie auch in Logopädie. Die Ergebnisse würden dann in Behandlungsleitlinien einfließen, erklärte der Schlaganfall-Experte. „Moderne Technik, insbesondere robotikgestützte Geräte sorgen für zunehmend bessere Ergebnisse in der Rehabilitation", sagt Leisle. Zudem werde immer öfter, so der Experte, stimulationsunterstützte Therapie in der Reha von Schlaganfall-Betroffenen eingesetzt. Das Gehirn werde dabei durch schwachen Strom angeregt.