Seit Tausenden von Jahren schwören viele Menschen in Indien, Nepal und Sri Lanka auf Ayurveda. Auch Dana Schwandt setzt sich seit Jahren mit der traditionellen Heilkunst auseinander und hat das Buch „Dein Neuanfang mit Ayurveda" geschrieben.
Frau Schwandt, wie sind Sie zu Ayurveda gekommen?
Ich komme ursprünglich aus der Yogawelt und habe 13 Jahre lang ein Yogastudio geleitet und Yogalehrer ausgebildet. Da Yoga und Ayurveda Geschwisterwissenschaften sind, kommt man als Yogi um das Ayurveda nicht herum. Allerdings wusste ich damals nicht, wie ich diese Ernährungs- und Lebensform in meinen Alltag integrieren kann. Das habe ich erst später durch die Kombination mit Gewohnheitstraining und Selbstfürsorge gelernt.
Was ist Ayurveda?
Frei übersetzt bedeutet Ayurveda so viel wie „die Wissenschaft eines glücklichen und gesunden Lebens". Für mich ist es die Möglichkeit zurückzufinden zu mir und meinem Körper, so wie es von Natur aus eigentlich gedacht ist. Und mir neben einem kraftvollen und gesunden Körper auch einen Alltag und somit ein Leben zu erschaffen, wie es meinem Potenzial entspricht. Und das alles ohne Druck und Stress, sondern in Muße und Verbundenheit.
Ayurveda soll mehr als nur eine Ernährungsform sein. Warum?
Ernährung ist nur ein Teil dieser Wissenschaft. Allerdings steht ein ganzes Medizinsystem dahinter. In Indien ist Ayurveda ein vollkommen anerkanntes sechsjähriges Studium. Und da für ein gesundes und glückliches Leben weit mehr als die Ernährung wichtig ist, werden im Ayurveda alle anderen Lebensbereiche und Faktoren mit einbezogen. Es beinhaltet Bewegung, Meditation, Tagesroutinen und sogar Vastu, was im Grunde das ayurvedische Feng-Shui ist.
Ist Ayurveda grundsätzlich für jeden geeignet?
Theoretisch definitiv. Es ist für jeden geeignet, der wirklich etwas in seinem Leben verändern will, der sich wohlfühlen möchte in einem gesunden Körper und in seinem Alltag, und der bereit ist, wirklich die Verantwortung dafür zu übernehmen. Denn ja, es ist anders als wenn du zum Arzt oder Heilpraktiker gehst, um ein Mittelchen verschrieben zu bekommen. du musst selbst tätig werden, alte Gewohnheiten aufbrechen, neue etablieren und eine neue mitfühlende, liebevolle Haltung dir selbst gegenüber trainieren. Für Menschen, die einfach weitermachen wollen wie bisher, ist Ayurveda nichts.
Muss man sich bei Ayurveda wie bei manch anderen Ernährungsformen kasteien?
Nein, auf keinen Fall. Im Ayurveda gibt es keine Verbote oder Regeln. Es geht vielmehr darum, herauszufinden wie mein System funktioniert und wie ich auf Zeiten, Rhythmen und äußere Umstände reagiere. Und mit diesem Wissen kann ich ausgleichen, Alternativen finden und Änderungen vornehmen, die mir ermöglichen immer wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Ich werde oft gefragt, ob ich mich denn immer ayurvedisch ernähre. Darauf antworte ich jedes Mal: „Ja". Denn für mich bedeutet das einerseits, mich mit frisch gekochtem, regionalem, Bio-Essen optimal für meine Konstitution zu ernähren, und gleichzeitig aber auch mal die Pizza am Abend, ein Glas Rotwein oder Schokolade zu genießen. Genussvolle Ausnahmen gehören im Ayurveda dazu, wissend, dass es ein Unterschied ist, ob ich ab und zu ein Glas Rotwein trinke oder mein tägliches Glas brauche, um abends runterzukommen nach einem stressigen Tag.
Was unterscheidet Ayurveda von anderen Ernährungsphilosophien?
Abgesehen davon, dass es eben keine Verbote und keine guten oder schlechten Nahrungsmittel gibt, wird in den meisten Ernährungsphilosophien vor allem darauf eingegangen was gegessen werden soll und was nicht. Im Ayurveda werden allerdings noch viele weitere Faktoren betrachtet. Denn wir alle funktionieren verschieden. Das was für den einen nahrhaft und ausgleichend ist, katapultiert den nächsten in Windeseile ins Ungleichgewicht. Außerdem werden die verschiedenen Arbeitsweisen unseres Körpers über den Tages- und Jahreszeitenverlauf mit in Betracht gezogen und viele weitere Faktoren, die es uns tatsächlich deutlich leichter machen uns optimal zu ernähren.
Sie schreiben in Ihrem Buch „Dein Neuanfang mit Ayurveda", dass der Stoffwechsel der Schlüssel für einen gesunden Körper ist. Warum?
Im Ayurveda beobachten wir, dass Krankheiten in sechs verschiedenen Stufen entstehen. Erst in der fünften Stufe sind sie so, dass wir zum Arzt gehen würden. Allerdings können wir, wenn wir in der Entstehung schon viel früher ansetzen, viele Krankheiten verhindern. Ayurveda sagt, dass Krankheiten deutlich leichter zu verhindern als zu heilen sind. Und legt deshalb einen starken Fokus auf die Prävention. Kleine Ungleichgewichtszustände im Stoffwechsel äußern sich durch einen Blähbauch, Durchfall, Sodbrennen oder zum Beispiel Völlegefühl. Reagieren wir nicht darauf, was uns unser Körper mit diesen Symptomen sagen will, weitet sich dieses Ungleichgewicht aus und wird in ein paar Jahren zum Beispiel zu einem schwachen Immunsystem, Migräne oder Beschwerden im Bewegungsapparat. Wenn wir dann den Ungleichgewichtszustand noch immer nicht an der Wurzel angehen, werden daraus in zehn, 20 oder 30 Jahren ernsthafte Krankheiten wie Alzheimer, Krebs oder ein Schlaganfall. Es ist alles tatsächlich sehr leicht und logisch nachvollziehbar, und noch einfacher ist es, am Ursprung anzufangen und dafür zu sorgen, kleine Ungleichgewichtszustände im Stoffwechsel auszugleichen.
Können Sie Tipps geben für eine einfache Umsetzung von Ayurveda?
Meine Lieblingsempfehlung zum Starten ist, das Snacken zu reduzieren. Unser Stoffwechsel arbeitet in Zyklen. Der Hunger sagt uns, dass unser Körper aufnahmebereit ist. Dann bekommt er eine Mahlzeit und ist dann erst mal drei bis fünf Stunden mit dem Verdauungsprozess beschäftigt. Grätschen wir ihm immer wieder dazwischen, dadurch, dass wir uns ein Stück Kuchen oder auch einen Apfel oder eine Handvoll Studentenfutter gönnen, kann er seine Arbeit nicht ordentlich machen. Wenn man nur das umsetzt, ist man schon weit gekommen, darin seinen Stoffwechsel in seiner Arbeit zu unterstützen.
Sie zählen in Ihrem Buch acht Faktoren auf, die beim Essen eine Rolle spielen. Welche sind das?
Die Faktoren sind:
• Zeit – Wann nehme ich das Essen zu mir?
• Essgewohnheiten – Wie nehme ich das Essen zu mir?
• Gefühle – Wie geht es mir beim Essen?
• Menge – Wieviel esse ich?
• Herkunft – Woher kommt mein Essen?
• Zubereitungsform – Wie bereite ich mein Essen zu?
• Kombination – Wie stelle ich die Nahrungsmittel zusammen?
• Konstitutionstypen – Wer isst was?
Das klingt für die meisten von uns erst mal kompliziert, weil es so viele Faktoren zu beachten gilt. Auf der anderen Seite, bei einer leichten und undogmatischen Herangehensweise, bergen all diese Faktoren die Möglichkeit, auszugleichen, anzupassen und flexibel ohne Verbote zu leben.
Können Sie ein paar allgemeine, kurze Empfehlungen für eine gesündere Ernährungsweise nach Ayurveda geben?
Ich fange gerne mit den Dingen an, die simpel sind und einen großen Effekt haben in unserem Wohlbefinden. Neben dem Reduzieren des Snackens wie oben beschrieben ist es am effektivsten mit dem „Wann" des Essens, anstatt mit dem „Was" zu beginnen. Ayurveda empfiehlt für die meisten von uns in einem gesunden Zustand drei Mahlzeiten am Tag. Wobei der wichtigste Faktor ist, dass wir mittags die Hauptmahlzeit zu uns nehmen und abends eher leicht und früh das letzte Mal essen. Wenn wir dann noch die Pause zwischen der letzten Mahlzeit des Tages und der ersten am nächsten Tag ausdehnen auf mindestens 13 Stunden freut sich der Körper und wird uns schon bald mit einem körperlichen Wohlgefühl belohnen.
In Ihrem Buch schreiben Sie über Smart, Dead und Dumm Foods. Welche sind das? Und was tun Sie für Körper und Geist?
Smart Foods sind diejenigen Nahrungsmittel, die am dichtesten dran sind an der Art und Weise, wie sie die Natur produziert hat. Unbehandeltes Gemüse, Obst, Getreide und Hülsenfrüchte zählen zum Beispiel dazu. Unser Körper kann viele Nährstoffe und viel Energie aus ihnen ziehen. Dann gibt es Dead Foods. Das sind ehemalige Smart Foods, die stark verarbeitet oder haltbar gemacht worden sind durch Erhitzen, chemische oder physikalische Verfahren, die wenig von den Nährstoffen und der Energie der Lebensmittel übrig lassen. Sie schaden dem Körper nicht explizit, aber kosten viel Kraft, sie zu verstoffwechseln, und er bekommt nur wenig Wertvolles raus. Und dann sind da noch die Dumm Foods. Das sind Lebensmittel, die nicht nur stark verarbeitet wurden, sondern gentechnisch verändert wurden oder gar chemisch hergestellt sind und gar nicht aus der Natur kommen. Diese Lebensmittel sind streng genommen keine Lebensmittel für unsere Körper und bewirken Schaden und Verwirrung auf zellulärer Ebene. Es ist nicht nur wenig wertvoll für unseren Körper, sondern führt dazu, dass wir über kurz oder lang immer kränker werden.
Wie hat Ayurveda Ihr Leben verändert?
Ich bin viel gesünder als früher. Ich bin konstitutionell eher schlecht ausgestattet und habe einen verhältnismäßig instabilen Körper. Ich war ständig krank und gestresst. Ich hatte Mandelentzündungen, Magenschleimhautentzündungen und Erkältungen am laufenden Band. Heute bin ich kaum noch krank. Ich passe sehr gut auf mich auf. Sobald ich einen Ungleichgewichtszustand bemerke, tue ich das, was mich wieder ins Gleichgewicht bringt. Aber das ist im Grunde nur ein ganz kleiner Aspekt. Der wirklich große Wandel ist die Art und Weise, wie ich mit mir selbst, meinem Körper und dem Leben bin. Ich war mein Leben lang getrieben von dem Wunsch, schlanker, schöner, fitter und irgendwie anders zu sein. Mehr so wie die anderen. Heute liebe ich nicht nur meinen Körper, sondern alles an mir. Meine Ecken und Kanten, Stärken und auch Schwächen. Ich vertraue meiner Intuition auf körperlicher Ebene und auch bezogen auf Lebensentscheidungen. Ich habe aufgehört, einem Idealbild hinterherzulaufen und lebe aus meinem ganz individuellen Potenzial heraus mein Wunschleben. Das hätte ich früher niemals für möglich gehalten.
Was können Leser von Ihrem Buch „Dein Neuanfang mit Ayurveda" lernen?
Sie können die Unsicherheit und Fragen bezogen auf die „richtige" Ernährung ein für alle Mal ad acta legen und lernen, ihren Körper sprechen zu lassen. Sie können lernen die Informationen, die unser Körper uns liefert, zu verstehen und danach zu leben und sich selbst immer mehr lieben lernen. Das Buch soll wirklich einen Neuanfang mit dem Thema Ernährung und Selbstfürsorge ermöglichen. Viele Rückmeldungen von glücklichen Lesern geben uns recht, dass genau das passiert.