Weltweit leiden Millionen Menschen an Demenz. Alzheimer ist nicht nur die bekannteste, sondern auch die häufigste Form. Der richtige Lebensstil kann das Auftreten einer Demenzerkrankung eventuell verhindern.
Es sind Zahlen, die einem vor Augen führen wie häufig und weit verbreitet Demenzerkrankungen sind: Fast 1,6 Millionen Demenzkranke lebten laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft (DAlzG) 2016 in Deutschland. Zwei Drittel von ihnen leiden an der Alzheimer-Krankheit. Jedes Jahr erkranken etwa weitere 300.000 an Demenz. Deutschland liegt, vergleicht man die Zahl der Erkrankungsfälle, im weltweiten Vergleich auf Platz fünf – gleichauf mit Brasilien. Nur in China, Indien und Japan lebten 2015 mehr Demenzpatienten. Im selben Jahr waren Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation und Alzheimer’s Disease International zufolge 46,8 Millionen an einer Demenz erkrankt.
Wer an einer Demenz erkrankt ist, leidet unter einer erworbenen, also nicht von Kindheit an bestehenden Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit, die Gedächtnis, Sprache, Orientierung und Urteilsvermögen einschränkt und zwar so gravierend, dass die Betroffenen nicht in der Lage sind, ihr Leben selbstständig zu führen. „Eine Demenz kommt in der Regel nicht von einen auf den anderen Tag", sagt Prof. Dr. Alexander Kurz, Mitglied im Vorstand der DAlzG. Im Falle der Alzheimer-Krankheit treten nach Auskunft des Neurowissenschaftlers die Symptome schleichend zutage und nehmen im Verlauf von mehreren Jahren allmählich zu. „Die Schwelle zu einer Demenz ist erreicht, wenn die kognitiven Veränderungen eine Person in ihren Alltagstätigkeiten wie einzukaufen, einen Urlaub zu planen und Verkehrsmittel zu benutzen einschränken", sagt der Demenzforscher. Wenn durch Tests feststellbar sei, dass der Betroffene an kognitiven Veränderungen geringeren Grades leide, die sich noch nicht auf den Alltag auswirkten, so spreche man von einer „leichten kognitiven Störung" (englisch Mild Cognitive Impairment, kurz MCI), so Alexander Kurz.
Wie die DAlzG erläutert, kann der Zustand der Demenz durch eine Vielzahl von Krankheiten hervorgerufen werden, wobei einige nur das Gehirn, andere den ganzen Organismus betreffen. Gemeinsames Merkmal dieser Ursachen: Durch sie werden große Teile oder mehrere Funktionsareale des Gehirns in Mitleidenschaft gezogen. Rund zwei Drittel aller Fälle von Demenz werden durch die nicht-erbliche Alzheimer-Krankheit ausgelöst. „Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Demenz steigt mit dem Alter an. Der durchschnittliche Beginn der Alzheimer-Krankheit liegt im Alter von 70 Jahren. Ebenfalls spät liegt der Beginn der Parkinson-Demenz und der Demenz mit Lewy-Körpern", erklärt Kurz. Das eigentlich Tückische an der Alzheimer-Krankheit: Sie führt dazu, dass Nervenzellen und Nervenzellkontakte vor allem im Schläfen- und Scheitellappen des Gehirns zugrunde gehen. Die Betroffenen leiden unter typischen Symptomen wie Störungen des Gedächtnisses und der Orientierungsfähigkeit.
Kurz erklärt, dass bei der Alzheimer-Krankheit, den frontotemporalen Degenerationen, der Parkinson-Krankheit und einigen seltenen Formen der zerebrovaskulären Krankheiten, zu denen Schlaganfälle und sonstige Erkrankungen der Blutgefäße des Gehirns zählen, ursächliche Mutationen bekannt seien. Als Ursachen für die erbliche Form der Alzheimer-Krankheit gelten Mutationen auf den Genen für das Amyloid-Vorläufer-Protein sowie für Präsenilin 1 und Präsenilin 2. „Wenn ein Mensch eine solche Genmutation in sich trägt, hat er ein fast hundertprozentiges Risiko, an Alzheimer zu erkranken und eine Demenz zu bekommen", hebt Kurz hervor. Genetische Risikofaktoren wie bestimmte Varianten des Gens für den Cholesterin-Transporter Apolipoprotein E hingegen verursachten nicht die Krankheit, aber sie erhöhten die Wahrscheinlichkeit, im Alter an einer Demenz zu erkranken, sagt Kurz.
Regelmäßige körperliche Aktivität kann das Demenzrisiko senken
Für zehn bis 20 Prozent der Demenzformen ist laut Kurz eine fortschreitende Verengung der kleinen Blutgefäße verantwortlich, welche die tief liegenden Hirnregionen versorgen. Die schwerwiegende Folge dieser Durchblutungsstörungen: Nach und nach funktionierten die Faserverbindungen zwischen den verschiedenen Abschnitten der Hirnrinde nicht mehr. Diese Demenzpatienten sind häufig in ihrer Aufmerksamkeit eingeschränkt, verlangsamt in ihren Denkabläufen und leiden häufig unter Stimmungsschwankungen. Alle übrigen Demenzursachen machen einen Anteil von etwa 20 Prozent an den gesamten Erkrankungsfällen aus. Dazu zählen die frontotemporalen Degenerationen und die Lewy-Körper-Krankheit.
Die Lewy-Körper-Demenz ähnelt in ihren Symptomen der Alzheimer-Krankheit. Die Betroffenen können leichte Parkinsonsymptome wie Zittern der Hände und Steifigkeit der Bewegungen zeigen. Außerdem kann die geistige Leistungsfähigkeit und Aufmerksamkeit der Patienten stark schwanken und sie können zeitweise unter optischen Halluzinationen leiden. Sogenannte Lewy-Körper sind bei dieser Demenzform definiert als eine innerhalb von Nervenzellen liegende Ansammlung des Proteins Alpha-Synuklein. „Sie sind die typischen feingeweblichen Merkmale der Parkinson-Krankheit und der Lewy-Körper-Krankheit", sagt Kurz. Die frontotemporale Demenz, eine eher seltene Form der Demenz, die durch einen Nervenzelluntergang in den Stirn- und Schläfenlappen des Gehirn verursacht wird, beginnt meist um das 60. Lebensjahr aufzutreten, sagt Kurz. „Im mittleren Erwachsenenalter setzen auch die Symptome der seltenen erblichen Alzheimer-Krankheit ein", sagt der Demenzursachen-Forscher. Kurz interessiert unter anderem, wie seltene Ursachen der Demenz wie frontotemporale Degenerationen oder die Lewy-Körper-Krankheit die Gehirnleistung in störender Weise beeinflussen können.
Andere neurodegenerative Krankheiten, wie Parkinson- und Huntington-Krankheit, können ebenfalls zu einer Demenz führen, sagt Kurz. Das klinische Krankheitsbild sei durch Bewegungsstörungen gekennzeichnet. „Gefäßkrankheiten zerstören dabei Nervenzellen und Faserverbindungen, zum einen aufgrund mangelhafter Versorgung oder durch Blutungen", sagt Kurz. Seltene Ursachen dieser Gefäßkrankheiten sind ihm zufolge Eiweißeinlagerungen in die Gefäßwände und große Blutergüsse zwischen Gehirn und Hirnhaut. Auch könnten Demenzzustände durch Infektionen wie Creutzfeld-Jakob-Krankheit und Syphilis ausgelöst werden, so Kurz. Es gebe aber auch Stoffwechselerkrankungen (zum Beispiel metachromatische Leukodystrophie und Niemann-Pick-Krankheit Typ C), die das Gehirn angreifen, indem sie Faserverbindungen zwischen den Nervenzellen schädigen oder gar zerstören. Ferner unterscheidet Kurz die sehr seltenen Demenzursachen, wie etwa Blutungen innerhalb des Gehirns, Schädelhirnverletzungen (die sogenannte Boxer-Demenz, hervorgerufen durch oft wiederholte Gehirnprellungen), schwere Vitamin- und Hormonmangelzustände (beispielsweise Schilddrüsenunterfunktion) und Abflussstörungen der Hirnrückenmarksflüssigkeit.
Die Demenzforschung nimmt in einer zunehmend älter werdenden Gesellschaft einen immer größeren Stellenwert ein. Unter anderem legen die Wissenschaftler einen Fokus auf Risiken und Prävention von Demenzerkrankungen. Aus Beobachtungsstudien wisse man, so Kurz, dass bestimmte Ernährungsgewohnheiten, wie eine mediterrane Diät, mit einem geringeren Risiko für die Entwicklung einer leichtgradigen kognitiven Störung und einer Demenz verbunden sind. Allerdings lasse sich aus solchen Verknüpfungen nicht ohne Weiteres eine ursächliche Bedeutung ableiten. Zum Beispiel sei so die Frage, ob Ernährungsgewohnheiten mit dem Bildungsniveau zusammenhängen, das wiederum das Risiko an Demenz zu erkranken beeinflusst, nicht wissenschaftlich fundiert zu beantworten. „Um eine ursächliche Wirkung nachzuweisen, ist eine vorausschauende Studienanordnung mit einer zufälligen Verteilung der zu prüfenden Intervention – beispielsweise des Ernährungsstils oder der körperlichen Aktivität – und des üblichen Verhaltens auf die Teilnehmer erforderlich", stellt Kurz klar. Die nach seinem Kenntnisstand beste Arbeit haben 2013 Präventionsmediziner aus Spanien vorgelegt. „Sie zeigt, dass eine mediterrane Kost in Verbindung mit reichlich Olivenöl und Nüssen die Wahrscheinlichkeit das Auftreten von einer leichtgradigen kognitiven Störung vermindert", resümiert Kurz das Ergebnis. Trotzdem gebe es bisher keinen Beleg dafür, dass man durch eine besondere Ernährung einer Demenz vorbeugen könne. „Im Hinblick auf Risiken, die das Herz und die Herzkranzgefäße betreffen, ist eine vernünftige Ernährung natürlich sinnvoll", sagt Kurz abschließend.
Dass regelmäßige Bewegung im Alltag davor bewahrt an Demenz zu erkranken, ist ebenfalls nicht sicher wissenschaftlich belegt. Zwar wisse man aus Studien, dass regelmäßige körperliche Aktivität mit einer geringeren Häufigkeit des Auftretens von Demenz oder Alzheimer verbunden ist, erklärt Kurz, der Zusammenhang sei aber abhängig von der Dauer und Intensität des Trainings. „Wie bei den Ernährungsgewohnheiten darf man aus dem Zusammenhang nicht auf Kausalität schließen, aber der Dosisbezug spricht dafür, dass regelmäßige körperliche Aktivität das Demenzrisiko tatsächlich senkt", sagt Kurz.