CBD erfreut sich seit einiger Zeit großer Beliebtheit. Das Cannabidiol wird aus der Hanfpflanze gewonnen und hat einige erstaunliche Wirkungen – keine davon ist psychoaktiv.
„Auf jeden Fall", sagt Tolga Güneysel auf die Frage, ob CBD derzeit einen Hype erfährt. Der Geschäftsführer der Hanf Med GmbH in Trier hat auch handfeste Zahlen, um das zu untermauern: Um die Jahreswende 2017/18 hatte er in seinem Onlineshop regelmäßig etwa 6.000 bis 7.000 Suchanfragen. Bis April 2018 steigerte sich dies auf rund 30.000 Anfragen pro Monat – aktuell sind es sogar rund 60.000. CBD – Cannabidiol – wird, wie es der Name bereits vermuten lässt, unter anderem aus Cannabis gewonnen. In der Natur gibt es viele Pflanzen, die Cannabinoide produzieren, die bekannteste ist sicherlich die Hanfpflanze mit weiblichen Blüten.
Dabei ist es erwiesen, dass CBD keine psychoaktive Wirkung hat – es macht also nicht high, salopp formuliert. Vielmehr ist es so, dass es entkrampfend, angstlösend und gegen Übelkeit wirkt. Und – das ist vielleicht am wichtigsten: CBD ist entzündungshemmend und hilft deswegen manchmal gegen Schmerzen. Diese Eigenschaft sei auch der hauptsächliche Grund, weswegen die Kunden in seinem Shop stöbern. Dort gibt es beispielsweise Öl-Tropfen, Kapseln, e-Liquids und auch Extrakte, sogar Kapseln für Hunde. „Viele Hunde haben Rückenschmerzen", erklärt Tolga Güneysel den Kauf. Andere Shops haben ein umfangreicheres Sortiment, bieten Tees, verschiedene Kaffeesorten, Kaugummis und vieles mehr an.
Die Kapseln und Öle gehen bei ihm am meisten über die Theke. Die Öle sind in kleinen Fläschchen erhältlich, deren Inhalt per Pipette unter die Zunge geträufelt wird. Das schmecke nicht besonders gut, sei aber sehr hilfreich, unter anderem auch bei Kunden, die unter Autoimmunkrankheiten wie Morbus Crohn oder Arthritis leiden. „Die sind mit den CBD-Ölen super zufrieden", gibt er seine Erfahrung weiter. Welche Menge man nimmt, darüber müsse sich jeder selbst informieren. Auf jeden Fall sei alles, was er zum Verkauf anbietet, legal.
Noch immer haftet Produkten aus Hanf nämlich etwas Anrüchiges an. Die großen Drogeriemarktketten DM und Rossmann beispielsweise hatten 2018 CBD-Öl der Marken „Limucan" und „Nutree" ins Sortiment aufgenommen, im April 2019 entfernt – und ab Juli doch wieder angeboten. Rossmann löste das Problem dadurch, dass man in der Packungsbeilage den Hinweis entfernte, wie man das Öl einnehmen soll. Nun gibt man die Empfehlung ab, das Öl auf ein Kissen zu träufeln – Cannabidiol-Produkte mit Heilsversprechen zu verkaufen, ist gesetzlich verboten.
In der Gesetzgebung herrsche ein stetes Hin und Her, vor allem auf EU-Ebene, das Tolga Güneysel erheblich stört. „Ich steige da selbst nicht ganz durch", gibt er unumwunden zu. Problematisch ist beispielsweise die „Novel Food"-Verordnung. Verallgemeinert lässt sich sagen, dass Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel nicht als „neues Nahrungsmittel" gelten, wenn sie vor 1997 in nennenswertem Umfang in der EU verbreitet waren.
Gegen Schmerzen soll CBD bei den meisten Patienten helfen
Die EU-Verordnung zu neuartigen Lebensmitteln trat im Januar 2018 in Kraft, jedoch hat sich die deutsche Regierung nicht konkret zu Hanf und CBD geäußert. Hanf war ja bereits vorher verbreitet, weswegen Produkte daraus, wie Kekse oder Hanfsamen, nicht als neue Lebensmittel gelten. Wird CBD extrahiert und nachträglich Lebensmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln oder Kosmetika hinzugefügt, muss das Produkt als „Novel Food" zugelassen werden. Den Herstellern wird es also erschwert, solche Produkte als Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt zu bringen.
Neben Widrigkeiten bei der Gesetzgebung ist da natürlich noch das große Missverständnis: die Verwechslung mit THC. „Das ist ein großer Unterschied", erklärt Dr. med. Franjo Grotenhermen. Der Allgemeinmediziner hat eine Praxis in Steinheim bei Paderborn und ist Gründungsmitglied und langjähriger Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM). Seit der Neuwahl vor wenigen Wochen ist er zweiter Vorsitzender und hat die Geschäftsführung inne. Die ACM macht sich für die medizinische Verwendung von Cannabis und Dronabinol stark und klärt über Einsatzgebiete, praktische Hinweise zur Anwendung, Nebenwirkungen, rechtliche Lage und Verschreibungsmöglichkeiten auf.
Tetrahydrocannabinol (THC) ist die Substanz, durch die der Hanf vor allem seine Popularität bezieht und weswegen die Pflanze berüchtigt ist. Kurz: THC ist psychoaktiv und macht high. Es handelt sich um ein Cannabinoid, dessen bekannteste natürliche Quelle das Harz der Cannabispflanze ist. Bei der medizinischen Anwendung von THC sei es ebenso wie beim CBD so, dass die meisten Patienten die Substanz gegen die Schmerzen einnehmen würden. „Es sind zwei Moleküle mit unterschiedlichen pharmakologischen Eigenschaften", erklärt Franjo Grotenhermen den Unterschied in Kürze.
Die medizinischen Hanfblüten könnten bei einigen schwereren Erkrankungen Schmerzen jedoch besser lindern als CBD. Dazu zählen beispielsweise neurologische oder psychiatrische wie ADHS und chronisch-entzündliche wie Rheuma. Zudem kann THC Appetitlosigkeit und Übelkeit verringern, erklärt Franjo Grotenhermen. In Deutschland seien bereits zwei Medikamente auf Cannabisbasis zugelassen: Der Cannabisextrakt Sativex kommt bei Behandlung von Spastik bei Erwachsenen mit Multipler Sklerose zum Einsatz. Das Nabilon-Präparat Canemes bei der Behandlung von Übelkeit und Erbrechen aufgrund einer Krebschemotherapie. Nabilon ist ein synthetischer THC-Abkömmling mit einer ähnlichen Wirkung wie THC.
Er sieht aber keine Gefahr, dass nach dem Verkaufserfolg der CBD-Öle in absehbarer Zeit pures Cannabis frei verkauft werden könnte. Ärzte dürfen seit 2017 zwar THC-haltige Cannabisblüten und Extrakte verordnen, dies jedoch nur auf einem Betäubungsmittelrezept, wie Grotenhermen erläutert. Dann jedoch würden sich einige Krankenkassen sogar dazu bereit erklären, unter bestimmten Voraussetzungen die Kosten für die Behandlung zu übernehmen: Es muss eine schwerwiegende Erkrankung vorliegen, der Patient muss austherapiert und es muss detailliert begründet werden, weswegen Cannabis helfen kann. Eine Verschreibung auf einem Privatrezept ist jedoch unter Einhaltung der Vorgaben durch das Betäubungsmittelgesetz jederzeit möglich.
Franjo Grotenhermen kam erstmals 1993 mit dem Thema Cannabis als Medizin in Berührung. Obwohl man bereits in den 70er-Jahren in den USA in der Krebstherapie mit Cannabis forschte, war das Thema THC/CBD größtenteils noch Neuland. Ein Buch von Lester Grinspoon inspirierte ihn, sich schon früh mit der Thematik auseinanderzusetzen. Grinspoon arbeitete unter anderem 40 Jahre lang als Psychiater im Massachusetts Mental Health Center. In einem Interview mit einer „Showtime"-Sendung erzählte er Anfang der 2000er-Jahre davon, wie Marihuana bei seinem Sohn, der an Leukämie erkrankt war, Übelkeit und Erbrechen nach jeder Chemotherapie im Zaum hielt. Die letzten anderthalb Jahre seines Lebens seien somit erträglicher gewesen.
Pures Cannabis darf in Deutschland immer noch nicht frei verkauft werden
Mitte der 90er-Jahre erschienen sporadisch erste Artikel. 1995 war eine Kleine Anfrage der Partei PDS (ab 2005 Die Linke) an die Bundesregierung die Grundlage für ein Gutachten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte. In dem Gutachten heißt es: „So entbehrt sowohl eine unkritische Euphorie hinsichtlich der therapeutischen Möglichkeiten von Cannabis beziehungsweise THC der Grundlage wie andererseits eine auf entgegengesetzten Positionen resultierende generelle Ablehnung mit der Behauptung, es gebe ‚auf jedem Gebiet bessere therapeutische Alternativen‘."
Grotenhermen selbst engagierte sich, wie bereits erwähnt, ab 1997 im Verein Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin. Seit 1990 ist er arbeitsunfähig erkrankt und seit 1992 berentet. Die Erkrankung führte dazu, dass er überwiegend bettlägerig ist. Seit 2012 betreibt er dennoch wieder eine Arztpraxis, die einige Besonderheiten aufweist. Insbesondere führt er keine körperlichen Untersuchungen durch und stellt keine abschließenden Diagnosen. „Ich spreche vor allem mit meinen Patienten", beschreibt er es selbst. Mehr als 2.100 Patienten hat er bislang Cannabis verschrieben, der Großteil wird dann von Hausärzten und Kollegen weiterbehandelt. Er selbst nimmt keine Cannabisprodukte ein.
Den Gedanken der Information und Beratung setzen er und die ACM neben Artikeln und Newslettern unter anderem mit einem Patiententelefon bundesweit um. Unter der kostenlosen Nummer 0800-0226622 kann man sich jeden Freitag von 11 bis 13 Uhr und von 14 bis 16 Uhr über alle Fragen rund um THC und CBD informieren. „Unsere Mitarbeiter können jedoch keine Beratung durch einen Arzt oder Anwalt ersetzen", hält Franjo Grotenhermen fest. Vielmehr gehe es darum, den Anrufenden eine erste Orientierung bei unterschiedlichen Problemen und Fragen zu geben.
Man hilft bei der Arztsuche, der Kostenübernahme oder beim Führerschein. Ziel sei es, einerseits Probleme zu lösen, die zwischen Patienten und einer für sie passenden Therapie mit Cannabis stehen. Andererseits sollen Ärzte entlastet werden, indem Patienten vor dem Praxisbesuch informiert sind und gut vorbereitet mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin sprechen können. „Die Fragen sind vielfältig", erklärt der Fachmann. Die Nachfrage sei erheblich, sodass man eine deutliche Ausweitung der Beratungszeiten anstrebe.