Welche Probleme die Klimadebatte in der praktischen Umsetzung bereitet
"Fridays for future" ist eine Jugendbewegung, die viele Politiker offenbar auf dem falschen Fuß erwischt hat. Die Reaktionen waren genauso unterschiedlich wie die vertretenen Positionen. Die einen reagierten mit sicherem politischen Instinkt und umarmten die Streikenden und ihre Ikone, Greta Thunberg. Die anderen, von weniger gutem Instinkt geleitet, schossen sich auf eine 16-jährige Schwedin ein, als hätten sie eine neue politische Hauptfeindin gefunden, und lassen dabei oft jede politische Kultur vermissen.
Wiederum andere entdeckten ihre Lust an der Provokation erneut und leugneten den Klimawandel gleich im Ganzen. Zwischen all der politischen Ranwanzerei und der hysterischen Warnung vor naiv-idealisierten jugendlichen Spinnern waren jene Stimmen, die eine rationale und politisch durchsetzbare Konzeption verlangten, bisher leider nicht die lautesten.
Das größte Problem all jener, die jetzt – aufgrund der Probleme ja keinesfalls zu Unrecht – radikale Reformen fordern, ist die Tatsache, dass sie sich leider keine Gedanken zur politischen Durchsetzbarkeit machen. Dabei ist der kurzfristige Blick auf Umfragen nicht ausreichend. Natürlich kann es sein, dass im Zuge der aktuellen, dazu noch aufgeheizten Debatte ein Zeitfenster existiert, mit dem man auch harte Entscheidungen politisch durchsetzen könnte. Abschaffung aller Inlandsflüge. Autofreie Innenstädte. Einschneidende Maßnahmen zur Reduzierung des Fleischkonsums – die Liste ist lang, und sie wird stetig länger.
Was die Vertreter dieser Vorgehensweise dabei aber übersehen, ist die langfristige Tragfähigkeit solcher Einschnitte – genau das, was sie selbst gern, und zu Recht, als Nachhaltigkeit einfordern. Auch Politikwechsel bedürfen der Nachhaltigkeit, damit sie nicht zum aktionistischen Strohfeuer verkommen.
Das lässt sich etwa im Bereich der Verkehrspolitik sehr schön illustrieren. Auf eine einfache Formel gebracht: Wer fordert, dass die Menschen auf andere Verkehrsmittel umsteigen, muss auch welche bereithalten, in die man einsteigen kann. Wer jetzt den innerdeutschen Flugverkehr einschränken will, muss beantworten, worin die Alternativen bestehen. In der Deutschen Bahn im derzeitigen Zustand doch wohl nicht.
Wer Urlaubsflüge innerhalb Europas verteuern möchte, soll erklären, wie auch sozial schwächere Familien noch Auslandsreisen organisieren sollen – und zu welchem Preis? Wer die Innenstädte dem automobilen Individualverkehr entreißen will, muss sehr praktisch erklären, wie die Leute Tag und Nacht verlässlich von A nach B kommen sollen, die keine Lust haben, auf einem Fahrrad zu schwitzen. Es nützt nichts, etwas mit der einen Hand zu nehmen und die Alternative als vertröstende Vision einer fernen Zukunft in Aussicht zu stellen, ihre Verwirklichung nur als vages Versprechen im Raum stehen zu lassen. Beides muss zeitlich und unmittelbar Hand in Hand gehen, damit Menschen eine echte Alternative haben. Und zwar sofort.
Was passiert, wenn man das nicht tut? Es führt dazu, dass vier Jahre später bei der Wahl jene in die Parlamente einziehen, die von der ganzen Klimapolitik nichts halten, Reformen rückgängig machen, verwässern oder neue nicht beginnen. Weil sie von jenen dazu ermächtigt wurden, denen keine Alternativen geboten wurden, die funktionieren. Und wenn das geschieht, wurde die Klimapolitik zum Strohfeuer – und der Zug ist möglicherweise endgültig abgefahren.