„Wenn ich groß bin, werde ich Tierarzt". Fragt man nach dem künftigen Berufswunsch, hört man diesen Satz bestimmt von jedem zweiten Kind. Ganz genau so war es bei Dr. Alexander Pack. Doch im Gegensatz zu vielen anderen blieb er tatsächlich dabei und stellt das Wohl von Haustieren an oberste Stelle.
Der Hund, die Katze, das Meerschweinchen – längst sind diese Tiere mehr als „nur" Haustiere. Sie sind Familienmitglieder geworden, werden bestens versorgt, gehegt und gepflegt. Wir sorgen uns um ihr Wohlergehen. Dementsprechend wichtig ist auch ihre medizinische Versorgung, die über die alljährliche Impfung hinausgeht. Wenn „mal was ist", wollen wir unsere Lieblinge in besten Händen wissen. Damit gewinnt auch der Beruf des Tierarztes mehr und mehr an Bedeutung. Wir blicken exemplarisch auf die Tierklinik Elversberg im Saarland, um den Beruf des Tierarztes genauer unter die Lupe zu nehmen. Und um zu verdeutlichen, was es heißt, wenn man sein Leben dem Wohl der Tiere widmet. Eine Klinik mit 24-Stunden-Notfallservice bringt in dem Job Vor- aber auch Nachteile und fordert vor allem eines: Leidenschaft für den Beruf.
Als 2003 alles begann – damals noch zu zweit – hätte sich niemand träumen lassen, welche Dimensionen die Tierklinik einmal annehmen würde. Dazu später mehr. Schon damals boten Dr. Alexander Pack und Dr. Karl Scherer in der kleinen Praxis einen 24-Stunden-Notdienst an. Denn auch nach „Feierabend" passieren Unfälle, zeigen Tiere Symptome, bei denen die Besitzer keine Nacht warten möchten. Das hieß für die beiden jungen Ärzte: nachts raus und rund um die Uhr verfügbar sein. „Das kannst du nur machen, wenn du mit Leib und Seele dabei bist", sagt Pack.
Kleine Heimtiere werden wichtiger
Der Notfalldienst wurde dankend angenommen, und so kam es, dass die Klinik heute 90 Mitarbeiter zählt und mit Dr. Sandra Kehr eine Teilhaberin mehr hat. „Wir dachten in unserer ersten Praxis: ‚Hier bleiben wir, bis wir 60 sind‘. Am ersten Tag, als uns noch niemand kannte, hatten wir bereits 30 Patienten. Das motiviert natürlich. Dass es aber solche Ausmaße annehmen würde hätten wir uns nicht träumen lassen", betont Pack. „Wir hatten eine Auszubildende und haben die ersten drei Monate selbst geputzt, nachdem die Praxis geschlossen war. Dann haben wir uns nach kurzer Zeit Unterstützung in der Praxisreinigung gesucht und außerdem eine Tiermedizinische Fachangestellte (TFA). Dann kam mit Sandra Kehr auch sehr zügig eine weitere Tierärztin hinzu", erinnert er sich. Schon 2005 wurden diese Räumlichkeiten zu klein. „Auf unserem jetzigen Grundstück stand eine alte Möbelschreinerei, die wir abgerissen haben und unser Gebäude darauf aufgebaut haben, das nun auch stetig mit weiteren Anbauten gewachsen ist. Dr. Kehr wurde 2010 Partnerin. 2012 kam der Diagnostik-Anbau. Und ab dann waren wir zu dritt. Von allen Tierärzten, die im Laufe der Jahre dazukamen, sind nur wenige gegangen, die meisten geblieben. Und so hat sich unser Team ebenfalls stetig vergrößert. Die Anzahl der TFA hat sich auch vermehrt, um die Schichten bewerkstelligen zu können. Heute macht nicht mehr jeder alles. Wir haben mittlerweile ein Chirurgen-Team, ein Internisten-Team, ein Team, das die Kardiologie betreut, ein Team in der Onkologie, die Dermatologie hat eine eigene Abteilung, und die Neurologie ist auch stark besetzt. Die kleinen Heimtiere wie etwa Kaninchen und Meerschweinchen werden in der Abteilung kleine Heimtiere von einer Spezialistin besonders betreut. Bei den Helfern ist das ähnlich – auch sie sind in Teams organisiert: Wir haben das Team OP, das Team Ambulanz, Team Anmeldung und das Stations-Team. Die Organisationsstruktur gewährleistet einen reibungslosen Ablauf. Die Lage und der Notdienst sind entscheidend für unser Wachstum."
Diese Entwicklung ist untypisch für die Tiermedizin. Wie in vielen Berufsfeldern gibt es auch hier Nachwuchsprobleme. Zudem setzen auch die nachkommenden Tiermediziner auf einen höheren Freizeitaspekt. Die Work-Life-Balance wird den Ärzten wichtiger, und somit schwindet die Bereitschaft zur ständigen Verfügbarkeit. „Wir müssen vielmehr darauf achten, dass genug Ausgleich für die Nachtdienste gewährt wird."
Bei Pack hat sich der Berufswunsch, wie schon erwähnt, in der Kindheit herauskristallisiert. Vielleicht verstärkt dadurch, dass man eigene Tiere hatte. „Den Wunsch äußern viele, aber ich konnte mir wirklich nichts anderes vorstellen. Für mich war auch immer klar, dass zu dem Beruf nicht nur das berühmte ‚Meerschweinchen streicheln’ gehört, sondern dass da auch dazugehört, für kranke Tiere beziehungsweise Patienten da zu sein, auch am Wochenende und in der Nacht arbeiten zu müssen. Das gehört für uns einfach zu einer Komplettversorgung dazu. Das war mir schon während des Studiums klar."
Ständige Weiterbildung erforderlich
Anfang 2003 waren die beiden Kollegen jede zweite Nacht und jedes zweite Wochenende dran. „Ich kannte das schon so von den Kliniken, in denen ich zuvor gearbeitet hatte." So viel Einsatz ist nicht selbstverständlich. Und als Klinikleiter darf man seine Leute auch nicht verheizen, wenn sie den Beruf 30 Jahre oder länger ausüben sollen. „Wir sind schon seit vielen Jahren dabei, die Schichtpläne und damit die Arbeitszeiten zu optimieren. Das Ganze muss aber eben auch bezahlt werden. Unsererseits an das Personal, aber auch seitens der Tierbesitzer."
Im Nachtdienstzimmer, in dem sich die Angestellten ausruhen könnten, kommt keiner wirklich zum Schlafen, weil es rund um die Uhr etwas zu tun gibt. „Wir sind nachts im Bereich Behandlung auf der Station mit einem Arzt aufgestellt. Wirtschaftlich ist es nicht lukrativ, und obwohl es schwer zu stemmen ist, sehen wir es als unsere Aufgabe, ja Pflicht, diese Präsenz zu erfüllen. Wir dürfen aber im Gegensatz zur Humanmedizin keine 24-Stunden-Dienste leisten. Wir müssen in Schichten arbeiten, was einen unheimlich hohen Personalaufwand erfordert."
Unter den 90 Mitarbeitern, die allesamt unentbehrlich sind, sind 26 Tierärzte. Das hört sich erst mal nach sehr vielen an, doch Pack räumt ein: „Anfang des Jahres haben uns beispielsweise innerhalb von sechs Wochen aus diversen Gründen, etwa Schwangerschaften, sechs Ärzte verlassen. Dann steht man erst mal da und schaut doof aus der Wäsche. Da wir mit infektiösen Gegenständen und Patienten arbeiten, müssen Schwangere nämlich sofort aufhören, am Patienten zu arbeiten, sobald sie von ihrer Schwangerschaft wissen. Da hat man keinen Spielraum, Ersatz zu suchen. Es ist ohnehin schwer, Personal zu bekommen. Jährlich werden in Deutschland 900 Tierärzte ausgebildet, davon gehen ganz viele auf Ämter oder in die Industrie. Viele arbeiten aber auch nie in diesem Beruf. Eine unserer Tierärztinnen liebt die Nachtschicht, aber auf Dauer ginge nur Nachtdienst natürlich an die Substanz, weswegen es wichtig ist, einen Ausgleich zu schaffen."
Was die Klinik außerdem auszeichnet und von kleineren Praxen unterscheidet, sind die Großgeräte für die Computertomografie (CT) und die Kernspintomografie (MRT). „So können wir das komplette Spektrum der Bildgebung darstellen. Wir sind besonders gut ausgebildet, was Methoden im Bereich der Knie- und Wirbelsäulenchirurgie angeht. Diese Operationen bietet der Haustierarzt nur selten an, und deswegen werden die Tiere hierher überwiesen", erklärt Pack. Im Bereich Medizin – sei es bei Menschen oder Tieren – ist es wichtig, auf dem aktuellen Stand zu sein, sich weiterzubilden, neue Methoden und Behandlungsmaßnahmen zu erlernen beziehungsweise kennenzulernen, um am Ball zu bleiben und bestmögliche Genesung zu gewährleisten.
Viele Tierbesitzer stellen sich die Frage: Was passiert, wenn das Tier an Krebs erkrankt? Von Heilungschancen kann man in der Tiermedizin im Unterschied zur Humanmedizin nur in Ausnahmefällen sprechen, betont Pack: „Wir schauen, ob der Patient von einer Behandlung profitiert oder nicht. Wir sind weit davon entfernt, die onkologische Betreuung mit der in der Humanmedizin vergleichen zu können. Da braucht man sich nichts vorzumachen. Darum kann man meist nicht von Heilung sprechen, sondern lebensverlängernden und -verbessernden Möglichkeiten. Onkologie ist zudem einfach unendlich teuer. Schon in der Humanmedizin. Wir können nur anbieten, was auch für den Tierhalter in irgendeiner Weise bezahlbar ist. Wir beraten im Einzelfall, was sinnvoll ist und was nicht. Einige Tumorarten kann man super medikamentös behandeln und andere nicht. Ziel ist es, dem Tier noch die bestmögliche Zeit zu ermöglichen und das schmerzfrei, Lebensverlängerung und Lebensverbesserung", erklärt er. Ist das mit einer Behandlung nicht zu erreichen, brechen wir ab. Wir behandeln nicht um der Behandlung willen. Aber man kann vieles tun, am besten von Anfang an. Ist die Anfangsbehandlung fehlerhaft, kann es das Leben verkürzen."
„Bei Besitzern sind immer viele Emotionen im Spiel"
Pack resümiert: „Der tierärztliche Bereich, die Arbeit am Tier, ist das Schönste an diesem Job. Die Diagnose, Behandlung, wenn man sieht, dass wir einem Tier helfen konnten und es wieder Freude am Leben hat. Der mitunter anstrengende Teil des Jobs ist die Auseinandersetzung mit den Besitzern. Wenn es um die Gesundheit des Tieres geht, beziehungsweise wenn diese gefährdet ist, sind natürlich immer viele Emotionen im Spiel, die Sorge um das Familienmitglied. Darauf sind wir vorbereitet und können auch gut damit leben, haben Verständnis", erklärt er. „Dann gibt es aber auch viele, die einen sprachlos machen. Aber die schwarzen Schafe sind glücklicherweise die eindeutige Minderheit. Man geht zum Tierarzt, vertraut ihm, und der macht das Tier gesund. Das ist der Regelfall. In einer ‚gewöhnlichen’ Praxis sind die Tiere im Regelfall auch gesünder als in einer Klinik, in der viel operiert wird, oft die schwierigeren Fälle behandelt werden und in der viele Notfälle ankommen. Und das ist ja auch schön für den Tierarzt und die Tierhalter. Wenn die Tiere geimpft werden, mal eine Wurmkur verpasst wird oder die Krallen gekürzt werden, ist die Stimmung auch bei Herrchen und Frauchen gut. In eine Klinik kommen im Prinzip nur kranke Tiere. Das schlägt den Menschen aufs Gemüt. Auch gegenüber den Mitarbeiten."
Wann man als Besitzer den Notdienst konsultieren sollte, ist schwer zu raten. „Wir werden häufig von Bagatellfällen überlaufen. Dazu muss man aber auch sagen, dass der Tierhalter die Lage bei einem Tier, das nun mal nicht verbal kommunizieren kann, nur schwer einschätzen kann." Bei einer Lahmheit ist es sicherlich kein Problem, mal noch das Wochenende abzuwarten. Wenn das Tier Fieber hat, keine Nahrung mehr aufnimmt und apathisch ist, bietet es sich an, den Notdienst aufzusuchen. So natürlich auch bei Lähmungen und Blutungen. Es ist aber wie in der Humanmedizin – lieber kommt man einmal zu oft als einmal zu wenig. In jedem Fall sollte man ruhig bleiben, einen kühlen Kopf bewahren und versuchen abzuschätzen, wie bedrohlich die Lage wirklich ist.
In welchen Fällen muss Dr. Pack das Abendessen im Restaurant stehen und liegen lassen? Sein Hintergrund ist der chirurgische, er muss also ran, wenn ein Fall besonders schlimm ist, etwa ein Bandscheibenvorfall. „Als Leiter wird man aber auch bei einem Stromausfall zurate gezogen", erzählt er und lacht.