Ohne Tiermedizinische Fachangestellte, kurz TFA, wären Tierärzte so aufgeschmissen wie Humanmediziner ohne ihre Mitarbeiter, die sie in den unterschiedlichsten Belangen unterstützen. Clara Conrad (35) und Jan Schildknecht (27) haben sich für diese Ausbildung entschieden und berichten aus ihrem Arbeitsalltag.
Seine Liebe zu Tieren, die schon immer da war, und mein Interesse an Medizin haben für mich den Ausschlag gegeben, diese berufliche Laufbahn einzuschlagen", erinnert sich Clara Conrad auf die Frage, wie sie zu ihrem Beruf kam. Nach dem Abitur wollte sie „mal reinschnuppern" und ist durch eine Bekannte, die als Tierärztin tätig war, in die Klinik in Elversberg gekommen. Aber auch durch die eigenen Tiere, mit denen man sowieso ab und an den Weg in die Klinik einschlagen musste.
Das Praktikum war auf einen Zeitraum von zwei Monaten angesetzt. „Nun ja, was soll ich sagen? Ich bin hier geblieben beziehungsweise hatte mich dann im Anschluss um eine Ausbildung beworben, weil mir die Arbeit so gut gefallen hat. Und ja, ich wurde genommen. Vorher hatte ich schon Erfahrung bei der Arbeit mit Pferden gesammelt", erinnert sich Conrad. Zwei Jahre lang dauerte die Ausbildung bei ihr, ein Jahr verkürzt aufgrund ihres Abiturs. Im Anschluss an die Ausbildung war eigentlich ein Medizinstudium geplant, aber da die TFA schon „mittendrin" war, wollte sie schließlich auch in der Praxis bleiben und nicht nur Tiere in der Theorie in Hörsälen studieren. In der Ausbildung ist man schon ganz nah am Tier dran. „Hier durchläuft man alle drei Monate eine andere Station. Erst einmal schnuppert man überall rein, und dann beginnt der Wechsel. Am Anfang ist man über mehrere Wochen an der Anmeldung, schaut sich an, wie das funktioniert. Dann geht man auf die Station und schaut sich an, wie die stationären Patienten versorgt werden. Lernt, worauf man achten muss. Dann ist man im Bereich der Behandlung, den man ja auch aus Besitzerperspektive kennt, also erste Untersuchung, Diagnose und so weiter. Und schließlich wechselt man in den OP." Ist die Ausbildung zu Ende, dürfen die TFA selbstverständlich mitentscheiden, welchem Schwerpunkt sie sich künftig nach der Übernahme widmen wollen. Aber auch diese Entscheidung ist nicht in Stein gemeißelt, und so kann jeder Mitarbeiter nach einer gewissen Zeit intern auch noch mal den Zuständigkeitsbereich wechseln. An den Wochenenden muss in der Regel jeder Mitarbeiter mal ran. Das ist unumgänglich, nachts erfolgt die Einteilung nach Absprache und Bereitschaft.
Unterstützen die Ärzte so gut es geht
Clara Conrad arbeitet vor allem in der Notfallambulanz, in der parallel zur Terminsprechstunde der anderen Kollegen die akuten Notfälle versorgt werden müssen. „Mit den Terminen, beispielsweise für Impfungen und ähnliches, habe ich nicht allzu viel zu tun. Wobei wir auf Notfälle häufig schon telefonisch vorbereitet werden. Die Anmeldung gibt uns dann durch, welche Art von Eingriff oder Verletzung zu erwarten ist. Dementsprechend bereiten wir dann schon mal alles vor, was benötigt wird, weil zum Teil auch sehr schwere Notfälle reinkommen, bei denen schnelles Handeln essenziell ist. Wir machen dann die Assistenz der Ärzte, versuchen sie so gut es geht zu unterstützten. Wir helfen bei der Behandlung, versorgen die Tiere und bringen sie nach der OP auf Station." Ultraschall, Röntgen, aber auch Blutentnahme stehen auf der Tagesordnung, wenn ein Notfall-Patient hier ankommt. Die ersten Schritte fallen immer in den Aufgabenbereich der TFA.
„Bei der Anmeldung hat man natürlich primär Kontakt mit den Menschen. Aber auch die Tiere werden bei uns beäugt. Wir sind für die Ersteinschätzung zuständig und schätzen ab, ob der Zustand eines Tieres kritisch ist – gerade, wenn sie ohne Termin in die Notfallsprechstunde kommen. Diese Aufgabe obliegt uns, ob wir sagen, der Patient kann noch warten oder muss direkt in den Behandlungsraum", verrät Jan Schildknecht aus seinem Arbeitsbereich.
Auch er hat die Ausbildung des Tiermedizinischen Fachangestellten durchlaufen und ist erster Ansprechpartner für Mensch und Tier, vereinbart Termine, koordiniert die Eingriffe und Untersuchungen. Und auch die so wichtige erste Einschätzung, wie oben erläutert, muss erlernt werden. „Bis man ein Gespür dafür hat und sicher sagen kann, wie die Lage ist, bedarf es natürlich Erfahrung und Übung. Nach einer gewissen Zeit wird man immer routinierter." In den ersten ein, zwei Jahren bekommt aber jeder Neuling Unterstützung von einer erfahreneren Kraft im Team.
Ein funktionierendes Zusammenspiel der Mitarbeiter ist das A und O. „Ich habe nach meiner Ausbildung im OP angefangen, war dort drei Jahre und habe mich dann noch einmal umentschieden und bin an die Anmeldung gewechselt." Der Grund für seinen Wechsel ist ganz profan – eine Kollegin wurde schwanger, war für zwei Jahre weg. In der Zeit des „Aushelfens" lernte Schildknecht diesen Aufgabenbereich schätzen und bewies ein besonderes Händchen im Umgang mit den Patienten beziehungsweise deren Herrchen und Frauchen. Und so blieb er. „Im OP ist die Aufgabe ganz anders. Da steht der Kontakt mit den Tieren und den Ärzten im Vordergrund. Man bereitet die Patienten auf den Eingriff vor, richtet die Bestecke, assistiert während der Operation dem Chirurgen und kümmert sich um die Nachsorge am Tier."
Auch die emotionale Betroffenheit verändert sich im Laufe der Jahre als Tiermedizinischer Fachangestellter. „Am Anfang fehlt noch das Gefühl, mit Notfällen umzugehen oder Tieren, die unsere Klinik nicht lebend verlassen. Das kann unter Umständen sehr schwierig und emotional belastend sein. Die Tierbesitzer tragen natürlich einen ganz großen Teil dazu bei und überschütten uns quasi mit ihren Emotionen, ihrer Trauer, Angst, Betroffenheit", weiß Schildknecht. Ihm gelingt es sehr gut, die Besitzer zu beruhigen, zu erklären, was mit dem Tier passiert – auch wenn die Situation belastend ist.
„Neben Notfällen kommen auch echt kuriose Fälle"
Die TFA hier sind selbst alle Tierbesitzer und können deswegen auch genau nachvollziehen, wie sich die Besitzer gerade fühlen. Jan Schildknecht selbst hat beinahe einen kleinen Bauernhof mit Hunden, Katzen und Pferden zu Hause. „Viele traurige und schlimme Fälle, die wir haben, nehmen uns natürlich auch mit, keine Frage", sagt Clara Conrad. „Ja, auch wenn Einschläferungen im Prinzip auf der Tagesordnung stehen – man muss doch auch immer wieder schlucken, selbst nach zehn Jahren im Team", sind sich die beiden einig.
Empathie ist dabei gefragt. Die kann man zwar nicht lernen, aber die „richtigen" Worte finden sich mit der Zeit leichter. „Manche brauchen Zuspruch, manche ihre Ruhe – im Laufe der Zeit wächst man da rein, das Gespür entwickelt sich. Ich kann emotional auch ein Stück weit mitgehen", sagt Conrad. Die Unterstützung der Besitzer steht immer im Vordergrund.
An Notfällen kommt tagtäglich alles Vorstellbare: Autounfälle, bei denen Tiere angefahren oder überfahren werden, Kaiserschnitte, Erkrankungen, beispielsweise bislang unentdeckte Tumoren, die aufgehen, platzen und Tiere deswegen innerlich zu verbluten drohen, verschiedene Herzerkrankungen, die gerade im Sommer unter Einfluss großer Hitze tödlich enden können, wenn nicht umgehend behandelt wird, Überhitzungen, Vergiftungen – das sind die schlimmsten und häufigsten Notfälle. Oft droht auch Erstickungstod durch Fremdkörper in der Luftröhre, gerade bei Hunden. Genauso wie Stockstichverletzungen. Außerdem sind aktuell Zeckenbisse auf der Tagesordnung. Man erlebt schon einiges in einem Job, in dem die Emotionen aus Angst ums eigene Tier hochkochen.
Aber auch kuriose Fälle. Schildknecht berichtet von einem Fall, als eine Familie mit einer weißen Katze kam, die behandelt werden sollte. Da er aber ein gutes Gedächtnis hat, konnte er sich an das Tier erinnern. Es war nämlich eines, das an anderer Stelle vermisst wurde. Ermittlungsarbeit und Kriminologie können mitunter als TFA inklusive sein.
Der verrückteste Fall, der in die Notaufnahme kam, war tatsächlich eine Hummel. In Sorge um das Tier standen die Finder mit dem Insekt – in einer kleinen Schachtel verstaut – da und baten um Hilfe, schließlich sei die Hummel nicht mehr geflogen und habe sich auch sonst kaum noch geregt. „Wir konnten leider nichts für sie tun, die Tierliebhaber mussten die Klinik ohne die Hummel wieder verlassen", erinnert sich Clara Conrad.