An diesem Freitag, 6. September, startet die National Football League in ihre 100. Saison. Der Titelverteidiger greift erneut nach der Meisterschaft, aber auch die New Orleans Saints haben große Ziele. Zum Auftakt stehen allerdings erst einmal andere Clubs im Rampenlicht, von denen einer noch älter ist als die Liga selbst.
Besondere Umstände erfordern mitunter besondere Maßnahmen. Die 100. Saison der National Football League wird in diesem Jahr an diesem Freitag, 6. September, nicht wie sonst mit einer Partie des amtierenden Super-Bowl-Siegers eröffnet, sondern mit dem Duell zwischen den Green Bay Packers und den Chicago Bears. Die NFL ehrt damit die besondere Geschichte der Packers, die schon 1919 gegründet wurden und damit älter sind als die Liga selbst, die erst 1920 aus der Taufe gehoben wurde. Mit 13 Meistertiteln ist Green Bay zudem die erfolgreichste Mannschaft der NFL-Historie und auch die einzige, die sich nicht im Besitz einer Einzelperson oder eines Unternehmens befindet, sondern mehrerer hunderttausend Anteilseigner.
Überhaupt haben sich die NFL-Bosse zur 100-Jahr-Feier einige Besonderheiten für den Spielplan einfallen lassen. Bis Dezember ist jede Woche jeweils eine Begegnung mit besonderer historischer Bedeutung angesetzt, darunter sieben Neuauflagen früherer Super Bowls. Gleich fünf Spiele werden außerdem im Ausland ausgetragen: vier in London – je zwei im nagelneuen Stadion der Tottenham Hotspurs und im Wembley-Stadion – und eines im legendären Aztekenstadion in Mexiko-Stadt.
Der amtierende Champion New England Patriots wurde für diese Partien allerdings ebenso übergangen wie für das Eröffnungsspiel. Und nicht wenige Football-Fans wünschen sich, dass der Club aus der Nähe von Boston in dieser Saison ausnahmsweise auch sonst nur eine Nebenrolle spielt. Außerhalb Neuenglands sind die Patriots nämlich nicht sonderlich beliebt, was zu großen Teilen auch einfach Neid sein dürfte. Seit fast zwei Jahrzehnten ist der Verein in der NFL der Inbegriff des Erfolgs: Neunmal in den vergangenen 18 Jahren erreichte der Club den Super Bowl, zuletzt sogar dreimal hintereinander, was bislang erst drei Mannschaften gelungen war. Der 13:3-Sieg im Februar gegen die Los Angeles Rams war bereits der sechste Titel seit 2002. Für viele Experten sind die Patriots längst die größte Football-Dynastie der Geschichte. Vor allem zwei Namen stehen dabei exemplarisch für die Ära der Patrioten: Trainerguru Bill Belichick und Quarterback-Superstar Tom Brady, der auch mit mittlerweile 42 Jahren immer noch ein Meister seines Fachs ist. Er hat seinen Vertrag gerade erst bis 2021 verlängert, nachdem es zuvor Gerüchte gegeben hatte, er würde seine Karriere nach Ablauf seines bisherigen Kontrakts am Ende der Saison beenden.
Patriots stehen seit Jahren für Erfolge
Einige Fans werden es nicht gern hören, aber: Mit Brady und Belichick gehören die Patriots auch dieses Mal wieder zum Favoritenkreis. Da spielt es keine Rolle, dass mit Rob Gronkowski der beste Tight End in der Geschichte der NFL seine Schuhe an den Nagel gehängt hat, dass die Optionen im Passspiel ansonsten eher dünn gesät sind und dass der Club unlängst seinen Defensivkoordinator Brian Flores an die Miami Dolphins verloren hat. Solange New England die Play-offs erreicht, was angesichts der schwachen Konkurrenz in der AFC East-Division quasi garantiert ist, bleiben die Patriots das Team, gegen das in der Endrunde niemand spielen will. Schließlich ist Bill Belichick dafür bekannt, dass er akribisch die Stärke des Gegners herausarbeitet und sich darauf konzentriert, genau diese auszuschalten. Und mit Tom Brady weiß er dafür den richtigen Mann an seiner Seite, der diesen Plan mit eiskalter Perfektion umsetzt.
Allerdings ist New England längst nicht der einzige Club, der in dieser Jubiläumssaison Titelambitionen hegt. Es gibt in diesem Jahr noch einige andere Vereine, denen der Einzug in den 54. Super Bowl am 2. Februar 2020 in Miami unbedingt zuzutrauen ist. Die Los Angeles Rams etwa waren schon in der vergangenen Spielzeit Teil der größten Sportshow der Welt und dürften nach der bitteren Finalniederlage gegen die Patriots nur noch stärker nach der Meisterschaft lechzen. Lokalrivale Los Angeles Chargers ist ebenfalls ein Anwärter auf den Super Bowl; gleiches gilt für Green Bay, Chicago sowie für die Phila-delphia Eagles, die bereits nach ihrem Finalsieg 2018 erste Bekanntschaft mit der Vince-Lombardi-Trophäe machen durften und dadurch erst recht auf den Geschmack gekommen sind. Und dann sind da natürlich noch die Kansas City Chiefs, deren Offensive um Quarterback Patrick Mahomes so gut wie jeden Gegner schwindelig spielen kann.
Der Name Dallas Cowboys wird von den Experten ebenfalls immer wieder genannt, wenn es um den Kreis der Teams geht, denen in dieser Saison der ganz große Wurf gelingen könnte. Allerdings war bei Redaktionsschluss noch offen, ob Dallas dann wieder auf Ezekiel Elliott zurückgreifen kann. In der Saisonvorbereitung hatte der Star-Runningback zunächst noch gestreikt, um dadurch einen langfristigen und besser dotierten Vertrag zu erwirken. Sollte er seinen Ausstand fortsetzen, wäre das eine erhebliche Schwächung für die Cowboys.
Saints mit Ambitionen
Auch bei den New Orleans Saints war zu Beginn des Trainingscamps mit Michael Thomas ein Spieler kurzzeitig in den Streik getreten. Dort war der Arbeitskampf allerdings nur von kurzer Dauer, ehe sich beide Seiten auf einen neuen Vertrag für den Wide Receiver einigten. Demnach soll Thomas für die nächsten fünf Jahre über mehr als 100 Millionen Dollar erhalten, von denen laut NFL-Network-Insider Ian Rapoport 61 Millionen garantiert sind. Thomas ist damit der höchstbezahlte Receiver der NFL-Geschichte. Zugleich ist er der erste Nicht-Quarterback mit einem 100-Millionen-Vertrag. Dass er das Geld wert ist, zeigte er schon in der vergangenen Saison, in der er 125 Bälle fing – so viele wie kein anderer Spieler. Nach der regulären Saison standen für ihn 1.405 Yards Raumgewinn und neun Touchdowns zu Buche. Zusammen mit Quarterback Drew Brees und Runningback Alvin Kamara bildete Thomas das Trio Infernale in der Saints-Offensive.
Dass die New Orleans Saints derart viel Geld in die Hand nehmen, um Michael Thomas zu binden, unterstreicht die hohen Ambitionen des Clubs aus Louisiana. Auf die Rendite für diese enorme Investition will der Verein indes nicht lange warten: Zehn Jahre nachdem die Saints zuletzt im Super Bowl triumphierten, soll die Reise in dieser Saison erneut ins Endspiel führen. Und anders als im Fall der New England Patriots dürften in diesem auch neutrale Football-Fans die Daumen drücken – nach allem, was New Orleans in den vergangenen Jahren durchmachen musste.
2018 standen die Saints bereits mit mehr als einem Bein im Finale. Im Halbfinale bei den Minnesota Vikings lag die Mannschaft bis wenige Sekunden vor Schluss in Front, ehe die Gastgeber mit dem allerletzten Spielzug noch zum Touchdown kamen und die Partie noch zu ihren Gunsten drehen konnten. Als „Minneapolis Miracle" ist diese Partie in die Geschichte eingegangen, doch aus Sicht der Saints war es wohl eher ein Alptraum. Nicht minder tragisch dann das Halbfinale 2019 gegen die Los Angeles Rams: Knapp zwei Minuten vor dem Ende standen die Saints noch einmal kurz vor der Endzone, doch beim Passversuch von Drew Brees auf Tommylee Lewis wurde dieser von Rams-Verteidiger Nickell Robey-Coleman regelwidrig zur Seite geschubst. Der fällige Pfiff der Schiedsrichter blieb jedoch aus, obwohl es aus Sicht aller Beobachter nie eine eindeutigere Pass Interference (Passbehinderung) gegeben hat. Anstelle eines Touchdowns erzielten die Saints nur noch ein Fieldgoal, das die Rams kurz darauf ausgleichen konnten, nur um die Saints dann in der Verlängerung mit einem weiteren Fieldgoal ins Tal der Tränen zu schießen.
Klage gegen den Verband
Bis heute gehen die Wogen hoch ob dieser offensichtlichen Fehlentscheidung der Unparteiischen. Ein Anhänger aus New Orleans reichte deswegen sogar Klage gegen die National Football League ein. Besondere Umstände erfordern mitunter eben besondere Maßnahmen. Die Saints selbst stehen in dieser Angelegenheit allerdings aufseiten der Liga. „Wir müssen aufpassen, dass wir hier keine Büchse der Pandora öffnen, die es Gerichten und Richtern ermöglicht, auf dem Spielfeld ausgetragene Wettbewerbe im Nachgang zu beeinflussen", so ein Vereinssprecher. Anders ausgedrückt: Was zählt, ist auf dem Platz. Und das in der NFL schon seit nunmehr 100 Jahren.