Stand Up Paddling ist die am schnellsten wachsende Wassersportart weltweit. Es ist leicht zu erlernen und bietet eine große Bandbreite für fast alle Altersgruppen.
Nach seinem klaren Sieg vor traumhafter Kulisse nutzte Normen Weber die ungeteilte Aufmerksamkeit für einen Sprung in die Spree. Die vielen Zuschauer am Streckenrand an der East Side Gallery und auf der Oberbaumbrücke lachten, und auch bei den Zuschauern am TV-Bildschirm brachte sich der neue deutsche Meister im Stand Up Paddling damit nachhaltig ins Gedächtnis. „Wir sind eine junge Sportart und können uns hier präsentieren", sagte Weber über den Start der Disziplin bei „Die Finals" im August in Berlin. Manche Menschen bemerkten zum ersten Mal, dass es Stand Up Paddling, abgekürzt auch SUP genannt, auch als Wettkampfsport gibt.
Das Stehpaddeln ist das, was man gerne als Trendsport bezeichnet. Dabei ist es längst auf dem besten Weg, sich zu einem Breitensport zu entwickeln. Es ist die am schnellsten wachsende Wassersportart weltweit – und zwar bei Alt und Jung. Es ist schnell zu erlernen, liefert rasch Erfolgserlebnisse, fördert die Gesundheit und macht als Naturerlebnis in der Regel großen Spaß. An nahezu jedem größeren Gewässer gibt es mittlerweile Boards zum Leihen und Lospaddeln. Immer mehr Menschen stellen sich aufrecht auf ein übergroßes, kippstabiles und schwimmfähiges Surfbrett und bewegen sich mithilfe eines Stechpaddels fort. Dabei sehen sie ein wenig aus wie Gondoliere im italienischen Venedig. Ihren Ursprung hat die Sportart aber woanders, die Wurzeln liegen sehr lange zurück: Schon die Polynesier bewegten sich zum Fischen stehend auf ihren Kajaks fort. Nach der Jahrtausendwende wurde daraus aber ein Freizeitsport, der sich unter anderem durch Surflegende Robby Naish immer größerer Beliebtheit erfreute. Naish und andere Surfprofis brachten SUP von Hawaii in die USA – und damit war der Trend nicht mehr aufzuhalten.
Die Gründe für den Hype sind vielschichtig, die zwei wichtigsten aber sind eine geringe Einstiegshürde und Vielseitigkeit. Anders als andere Wassersportarten, etwa Wellenreiten oder Kitesurfen, kann man SUP relativ schnell erlernen. „Wenn du dir 15 Minuten Zeit nimmst, weißt du, was du tust und kannst halbwegs sicher auf dem Brett stehen", sagt Christoph Mantz, der im Vorstand der German Stand Up Paddle Association (GSUPA) sitzt. Für Steven Bredow, den Ressortleiter SUP im Deutschen Kanu-Verband (DKV), ist es jedoch „ganz gut, wenn man gleich am Anfang ins Wasser fällt". Warum? „Dann weiß man schon, dass es nicht weiter schlimm ist und wie man wieder aufs Board kommt."
„Ganz gut, wenn man gleich zu Anfang ins Wasser fällt"
Der Internationale Kanu-Verband (ICF) hat den Trend längst erkannt und springt auf den Zug auf. Vom 24. bis 27. Oktober findet in China die erste SUP-Weltmeisterschaft statt. Die vor einem Jahr in Portugal geplante WM war wegen Logistik-Problemen noch abgesagt worden. „Die Athleten waren danach sauer und frustriert", sagte ICF-Präsident Jose Perurena: „Wir haben versprochen, dass wir im Jahr 2019 zurückkommen." Der deutsche Meister Weber wird wegen Terminproblemen nicht am Start sein, dafür aber der zweite deutsche Topfahrer Ole Schwarz. Eine Chance auf eine Medaille hat der Bonner, der kürzlich im Kanu-Wildwasser U23-Weltmeister wurde, aber kaum. „Im deutschen Kanuverband hinken wir beim SUP sehr weit zurück. Das liegt vor allem daran, dass wir kaum Möglichkeiten haben, am Meer zu trainieren", sagte Weber. „Ole kann bestimmt in die Top 15 fahren, aber für ganz vorne wird es nicht reichen." Die Favoriten kommen aus Frankreich, Italien, Australien und den USA.
Weber ist sich aber sicher, dass sich auch national die besten Kanufahrer künftig verstärkt auf SUP spezialisieren werden, sollte die Sportart weiter boomen. Die Preisgelder sind in dieser Disziplin schon jetzt beachtlich. Und wenn sie irgendwann vielleicht sogar ins Olympische Programm von Sommerspielen gehoben wird, müssten die etablierten Disziplinen erst recht um ihren Status zittern. „Da bereits viele Nationen die Sportart ausüben, besteht auf jeden Fall die Hoffnung, dass es irgendwann olympisch wird", sagt Weber. „Der Sport ist dem Zuschauer einfach zu vermitteln und sieht trotzdem spektakulär aus."
Das internationale Niveau sei in der noch jungen Leistungssportart schon jetzt „hoch", sagt Weber, „aber wenn die sportliche Wertigkeit durch Weltmeisterschaften und Olympische Spiele steigt, gibt es noch mal eine Leistungsexplosion." Denn fast alle Stand-Up-Paddler kommen wie Wildwasserfahrer Weber aus anderen Disziplinen, die Spezialisierung hat gerade erst begonnen.
Deutschlands bester Kanufahrer, der dreimalige Olympiasieger Sebastian Brendel, steigt ab und zu auch auf ein SUP-Board und paddelt darauf um die Wette. „Der Hintergedanke war, einfach mal Wettkämpfe just for fun mitzumachen", sagte der 31-Jährige, „um auch ein bisschen Leichtigkeit wiederzugewinnen." Brendel hat damit einen wichtigen Aspekt von SUP für sich entdeckt: Im Leistungssport geht es zwar darum, möglichst schnell vom Start ins Ziel zu gelangen, doch als Breiten- und Erholungssport punktet SUP eher mit Entschleunigung. Boris Rauscher, Gründer des Stand Up Paddling Clubs Paderborn, beschreibt die Faszination so: „Weil man sich stehend fortbewegt, kann man im Vergleich zu Kanu oder Tretboot mehr entdecken." Man braucht auch nicht unbedingt ein Meer, am besten paddelt es sich auf einem See, in einem Fluss oder auch auf einem Kanal. Und die Bandbreite ist groß: Auf dem Board ist von einem entspannten Yoga-Paddeln bis zu einem effektiven Workout alles möglich. Bei der Yoga-Variante werden bis zu sieben Boards zu einem Stern zusammengebunden und am Grund verankert, die Leute folgen auf dem Board den Anweisungen eines Yoga-Lehrers. „Ich hätte nicht geglaubt, dass sich ein kerzengerader Kopfstand auf dem SUP-Board machen lässt", erzählt der Paderborner Rauscher, „bis ich es mit eigenen Augen gesehen habe".
„Kopfstand auf dem SUP-Board"
Ein weiterer Grund für die stetig wachsende Beliebtheit ist die Tatsache, dass SUP mit einem ganzheitlichen Körpertraining werben kann – aber auf eher schonende Art. „Es fühlt sich an wie ein Spaziergang, hat aber den Effekt eines Ausdauerlaufes", sagt GSUPA-Vorstandsmitglied Christoph Mantz. Nahezu alle Muskelgruppen werden beansprucht, ohne dabei zu verkrampfen. Deshalb wird die Sportart auch zur Prävention von Rückenschmerzen empfohlen. SUP, dieser Mix aus Natur- und Trainingserlebnis, ist also alles in allem massentauglich – und das hat die Industrie längst entdeckt. Das Geschäft mit Touren, Boards und Stechpaddeln boomt.
Vor allem die Einführung des aufblasbaren I-SUP auf dem Markt vor sieben Jahren war ein Durchbruch für die Sportart. Im Gegensatz zu klassischen Surfboards ist dieses Gerät, das auch in Baumärkten und Discountern für unter 500 Euro verkauft wird, nicht starr und sperrig, sondern kann im unaufgepumpten Zustand platzsparend gelagert und transportiert werden. Es passt in einen Rucksack und wiegt nur um die 15 Kilogramm. „Das war der Durchbruch", glaubt Rauscher. Ein gutes SUP ist zwar nicht ganz billig, dafür entstehen aber so gut wie keine Folgekosten. Man unterscheidet die Grundtypen Surf, Allround und Flatwater/Race. Letzteres ist wegen seines extrem schmalen Schnitts und der Länge eher für Fortgeschrittene geeignet. Eine Faustregel lautet: Je kürzer das Brett, desto leichter lässt es sich im Gewässer drehen.
Wichtig für Einsteiger ist auch das richtige Paddel. Es muss länger sein als der eigene Körper. Das geknickte Blatt muss nach vorne geneigt ins Wasser stechen, nur so bekommt man den notwendigen Vortrieb. Der Sportler muss sich dann noch breitbeinig aufs Brett stellen – und schon kann’s losgehen. Wettkampfsportler können mit Rückenwind auf eine Geschwindigkeit von bis zu 80 Stundenkilometern kommen. Deshalb sollte man auch wissen, wie man beim Stand Up Paddling am effektivsten bremst: mit dem sogenannten Stoppschlag. Dabei verlagert man das Körpergewicht leicht nach hinten und sticht das Paddel am hinteren Teil des Boards ins Wasser.
Bremsen mit dem „Stoppschlag"
Der immer größer werdende Trend bringt allerdings auch Probleme mit. „Vor allem aus Bayern hört man immer wieder Beschwerden", berichtet der deutsche SUP-Meister Weber. „Da werden Leute im Wasser von Paddeln geschlagen, weil die Sportler auf dem Board nicht so recht wissen, was sie tun." Jeder wolle es mal ausprobieren, aber die Wenigsten wissen, was genau zu tun sei. Im Hamburger Hafen ist das Stehpaddeln inzwischen verboten. Wegen der besonderen Wind- und Strömungsverhältnisse und der wachsenden Zahl an Großschiffsbewegungen sei es zu gefährlich, teilte die Hamburger Wirtschafts- und Verkehrsbehörde mit.