Überweisung per Papierformular? Das war einmal – der Trend zum Onlinebanking scheint nicht aufzuhalten zu sein. Immer mehr Geldinstitute schließen Filialen. Nicht nur Senioren fällt es schwer, da Schritt zu halten.
Eine App herunterladen, das Smartphone mit der Kreditkartenbank verbinden, einen QR-Code aktivieren und eine sichere PIN für alle Bankgeschäfte festlegen – für so manchen klingt das ziemlich kompliziert, beileibe nicht nur für Menschen über 65. Gerade um das neue, sichere Kreditkartenbanking mit doppelter Identifizierung zu installieren, braucht man schon eine präzise Anleitung: Onlinebanking für Fortgeschrittene. Und eine Bevölkerungsgruppe treffen solche Schwierigkeiten besonders: Wie kommen damit Senioren klar, die nicht so viel Übung mit dem Internet haben?
Laut dem Branchenverband Bitkom erledigen immerhin 70 Prozent der Menschen in Deutschland Bankgeschäfte online. Die Älteren sind dabei allerdings deutlich zurückhaltender als die Jüngeren: In der Altersgruppe ab 65 nutzt nur jeder Fünfte (21 Prozent) Online-banking. Woran liegt das? Zwei Drittel der Älteren, so hat Bitkom herausgefunden, sind das Hantieren mit dem Computer bei Bankgeschäften nicht gewohnt und fühlen sich dementsprechend unsicher. Ähnlich viele verzichten darauf, aus Angst vor Hackern und anderen Kriminellen. Und jedem Zweiten ist „das alles" einfach zu kompliziert. Außerdem fehlt vier von fünf Senioren der menschliche Kontakt, wie er am Schalter einer Bankfiliale möglich ist.
Gerade Letztere aber haben rapide abgenommen: Die Zahl der Zweigstellen hat sich in den vergangenen 20 Jahren auf rund 32.000 halbiert. Die Sparkassen halten mit rund einem Drittel davon noch die meisten Filialen, gefolgt von den Genossenschaftsbanken wie Volks- und Raiffeisenbanken. Aber die Deutsche Bank zum Beispiel schließt gerade rund 200 ihrer 780 Filialen. Und bei der Commerzbank überlegt man, ob man an dem Netz von 1.000 Filialen festhält.
Diejenigen, die Filialen halten, bauen sie teils zu richtigen Wohlfühlzonen um: Bei der Deutschen Bank in der schicken Berliner Friedrichstraße gibt es Kaffee, Berlin-Souvenirs, Kleider und kleine Snacks zum Aperitif. Wären da nicht einige unauffällige Sicherheitsleute mit Knopf im Ohr, meist hinten bei den Schreibtischen der Bankangestellten, käme man nicht auf die Idee, sich in einer Zweigstelle zu befinden. Das funktioniert in der Stadt, auf dem Land würde man so etwas nicht finden. Da stehen die Kunden oft vor einer Sicherheitstür, die man mit einem Code öffnen muss. Dahinter befindet sich ein Geldautomat und ein Kontoauszugsdrucker – das war’s.
Nur mit App und Smartphone
Das alles passt zu einer Strategie, die das Onlinebanking zur Normalität erhebt. Bitkom-Präsident Achim Berg sieht einen klaren Trend: „Onlinebanking ist bereits heute der absolute Standard und wird sich in den kommenden Jahren noch weiter verbreiten. Die Kunden haben damit eine bequeme, sichere und jederzeit verfügbare Möglichkeit, ihre Geldgeschäfte zu erledigen." Für die Banken und Sparkassen bedeute die Digitalisierung der Finanzbranche und das veränderte Kundenverhalten einen grundlegenden Umbruch mit riesigen Chancen, so Berg. Das Mobilebanking bahne sich „langsam aber sicher seinen Weg über die natürliche Alterspyramide hinauf in breitere Gesellschaftsschichten", ist Christian Jung vom Bankenverband überzeugt. Und wenn nicht in dieser, dann in der nächsten Generation: „Die grundsätzlich positive Nachricht lautet: Auch wenn heutige Senioren dem Online- und Mobilebanking noch zurückhaltend gegenüberstehen: Auf die künftigen Senioren wird das immer seltener zutreffen."
Die Banken sind erpicht darauf, ihre Kunden aufs Onlinebanking über App und Smartphone festzulegen: Der nächste Schritt ist die zum 14. September bevorstehende Abschaffung der TAN-Listen. Sie waren einmal so etwas wie der Einstieg ins Onlinebanking. Man rief am Bildschirm sein Konto auf, schrieb eine Summe in das Überweisungsformular und gab dann bei der Sicherheits-Abfrage die TAN-Nummer von der Liste ein, die die Bank zugeschickt hatte. Dann strich man die Zahl auf dem Listenblatt durch – sie war „verbraucht". Mit dem Aus der TAN-Liste setzen die Banken nun eine Vorgabe der EU um: Eine TAN soll nur dann generiert werden, wenn der Nutzer sie braucht. Dass man dazu eine App benötigt, die am besten auf einem Smartphone installiert ist, wird als völlig normal und für alle machbar vorausgesetzt. Manche Banken bieten auch einen TAN-Generator an, den man aber in der Regel selbst bezahlen muss.
In dieser heilen Welt stören halt die Senioren, die es gewohnt waren, mit Kuli einen Überweisungsträger auszufüllen, zu unterschreiben und bei der Bank vorbeizubringen. Wer das tut, wird geradezu bestraft: Für die Bearbeitung des „altmodischen" Überweisungsscheins verlangen die Geldhäuser Gebühren zwischen 99 Cent und zwei Euro – pro Stück.
Laptops und W-Lan in Jedem Seniorenheim?
Nun können die Banken die 70- oder 80-Jährigen aber auch nicht glatt ignorieren, besitzen viele unter ihnen doch nicht unbeträchtliche Vermögenswerte. Und auch diejenigen, die eine gute Rente oder Pension beziehen, sind immer noch bessere Kunden als Teilzeitbeschäftigte mit hohem Kreditbedarf. Also was tun?
Kostenlose Einführungskurse und Workshops für „Digitalneulinge" bietet zum Beispiel die Berliner Sparkasse an. Auch andere Geldinstitute stellen Hilfsangebote zur Verfügung oder zumindest ins Internet. Das Bundesinnenministerium wirbt mit einem „Digitalkompass" für die Generation 60plus. Und kaum eine Imagebroschüre verzichtet darauf, die technisch fitten, interessierten und zufriedenen Senioren zu präsentieren, die sich so gut mit der digitalen Welt zurechtfinden, weil sie den oder jenen Kurs besucht haben.
Wie aber die Mehrheit der Generation 60+ heute zurechtkommt, das fragt auch Bitkom nicht. Gibt es zum Beispiel gutes W-Lan im Seniorenheim? Stellen Banken Terminals in Alteneinrichtungen zur Verfügung?
Und vor allem: Wie viele mobile Bankfilialen sind in den Bundesländern unterwegs? Für viele alte Menschen, die immer noch in ihren Heimatorten leben wollen, wäre das ein wirklicher Vorteil: Wenn wenigstens einmal in der Woche ein Bus der Sparkasse oder der Raiffeisenbank vorbeikäme, in dem sie einen Berater treffen und ihre Geldgeschäfte besprechen können. Aber das ist in der schnellen digitalen Welt vielleicht schon wieder zu unmodern.