Ihre lebenswichtigen Funktionen werden gemeinhin kaum zur Kenntnis genommen. Erst bei Erkrankungen wie Diabetes, Entzündungen oder Karzinomen wird man sich der zentralen Bedeutung der Bauchspeicheldrüse bewusst.
Obwohl sie in unserem Körper die wichtigste Drüse für die Verdauungsvorgänge ist und für die Regulation des Blutzuckerspiegels wesentliche Funktionen übernimmt, zählt die Bauchspeicheldrüse zu den unterschätzten Organen. Der auch Pankreas genannten Drüse wird nur Aufmerksamkeit geschenkt, so lange sie ihre Arbeit rund um die Uhr perfekt erledigt.
Der Bauchspeicheldrüse obliegen zwei elementare Aufgaben. Zum einen muss sie rund 30 Verdauungshelfer in Gestalt von Säuren und Enzymen bilden (exokrine Funktion), ohne deren Mitwirkung unsere Nahrung, sprich Eiweiße, Kohlenhydrate und Fette, im Darm nicht aufgeschlüsselt werden kann. Nur mithilfe des Bauchspeichels oder des Verdauungssekrets, von dem Tausende von Drüsenzellen, die ungefähr 98 Prozent des Pankreasgewebes ausmachen, täglich bis zu 1,5 Liter produzieren, können die Nährstoffmoleküle so weit zerkleinert werden, dass sie in den Blutkreisauflauf aufgenommen werden können. Zum andern sind die restlichen zwei Prozent der Bauchspeicheldrüsenzellen, die wie Inseln mitten im Gewebe verteilt sind und nach ihrem Entdecker auch Langerhans-Inseln genannt werden, für die Produktion zweier Blutzuckerspiegel regelnden Hormone zuständig. Für Insulin, das dem Blutkreislauf Glukose entzieht, und dessen Gegenspieler Glukagon, das die Speicherreserven mobilisiert und dadurch den Blutzuckerspiegel erhöht, zuständig (endokrine Funktion). Wobei die Alpha-Zellen, die 20 Prozent der Langerhans-Inseln ausmachen, für das Glukagon zuständig sind, während die Beta-Zellen mit einem Anteil von 70 Prozent für das Insulin sorgen. Die restlichen Inselzellen bilden das Hormon Somotostasin, das als Botenstoff den Verdauungsprozess hemmt.
Wenn von einer Erkrankung der Bauchspeicheldrüse die Rede ist, wird meist an Entzündungen und Krebs gedacht. Auch Diabetes zählt dazu, es ist sogar die häufigste Bauchspeicheldrüsenstörung. Deren Symptome kündigen sich oft frühzeitig mit vermehrtem Durst und Wasserlassendrang oder Sehstörungen an.
Genetische Veranlagung möglich
Während zur Behandlung von Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) die Früherkennungsmöglichkeiten und Therapiemethoden schon bewährt und ausgereift sind, sieht es bei Bauchspeicheldrüsenentzündungen und vor allem beim Pankreaskrebs wesentlich schlechter aus. Bei allen drei Erkrankungen spielt ein ungesunder Lebensstil mit Bewegungsmangel, Übergewicht, zu hohem Alkoholkonsum und Rauchen wahrscheinlich eine wesentliche Rolle. Ob Stress auch als Risikofaktor einzuschätzen ist, ist derzeit noch umstritten.
Ein hoher Fettspiegel im Blut soll auch wenig förderlich für eine gesunde Bauchspeicheldrüse sein. Viel spricht zudem dafür, dass auch genetische Veranlagungen für Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse sorgen können, weil daran auch Menschen zu leiden haben, die gesund durchs Leben gehen. Die medizinische Forschung tut sich bislang noch schwer damit, einen direkten Zusammenhang zwischen einzelnen Risikofaktoren und speziellen Erkrankungsformen nachzuweisen. Beim Alkohol ist man allerdings ziemlich sicher, dass exzessiver Konsum eine Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis) auslösen kann, weil in dem Mini-Organ ein ähnlicher Stoffwechselprozess wie in der Leber bei der Verarbeitung von Alkohol abläuft. Beim Rauchen wird allgemein angenommen, dass Nikotin eine Entzündung in der Bauchspeicheldrüse verursachen kann.
Zwischen 50.000 und 60.000 Menschen erkranken jährlich hierzulande an Bauchspeicheldrüsenentzündungen, Tendenz steigend. „Innerhalb der Erkrankungen der Verdauungsorgane rangieren sie damit auf Platz drei", so der Gastroenterologe Prof. Hana Algül vom Klinikum Rechts der Isar in München in einem neuen „Focus"-Beitrag. „Zehn bis 15 Prozent entwickeln sogar eine schwere Pankreatitis. Das ist heute auffällig häufiger als früher, und die Wahrscheinlichkeit, daran zu sterben, liegt bei 30 bis 40 Prozent", so Algül weiter. Pankreatitis wie auch das Pankreaskarzinom äußern sich zunächst einmal durch unspezifische Malaisen wie Rücken- oder Magenschmerzen, die meist nicht mit einer Erkrankung der Bauchspeicheldrüse in Verbindung gebracht werden. Auch vermehrte Übelkeit, Durchfall, Fettunverträglichkeit oder ein Völlegefühl können sich einstellen. Als Alarmsignal kann ein großer Gewichtsverlust angesehen werden, weil einfach nicht mehr genügend Verdauungssekrete gebildet werden und der Körper daher nicht mehr die gewohnten Nahrungsbestandteile aufnehmen kann. Ein zweites Alarmsignal kann die Ausbildung einer Gelbsucht mit Gelbfärbung der Haut und Augäpfel sein, weil eine kranke Bauchspeicheldrüse den direkt neben ihr verlaufenden Gallengang abdrücken und dadurch einen Verschluss dieses Abflusses auslösen kann.
Es werden zwei Formen von Pankreatitis unterschieden. Bei der akuten Pankreatitis handelt es sich um eine plötzlich auftretende Entzündung, deren Hauptsymptom starke Bauchschmerzen sind und für die in 40 Prozent der Fälle Gallensteine verantwortlich sind. Diese verstopfen den gemeinsam mit der Gallenblase genutzten Abfluss-Strang, und es kann zu einem Sekret-Stau, der die Entzündung hervorruft, in der Bauchspeicheldrüse kommen. Mit 30 Prozent der Ursachen folgt massiver Alkoholkonsum. Auch Genmutationen oder unverträgliche Medikamente können Auslöser sein. In der Regel verschwindet die akute Pankreatitis nach wenigen Tagen, sie kann aber auch mehrere Wochen andauern. Zur Behandlung kommen im Krankenhaus Infusionen, Schmerzmittel oder Antibiotika zum Einsatz. Auch Tabletten mit Ersatzverdauungsenzymen können verabreicht werden. Sind Gallensteine die Entzündungsursache, müssen sie aus dem Gallengang entfernt werden. „Bei einer starken Entzündung besteht die Gefahr, dass sich das Organ selbst verdaut", so jüngst Prof. Thomas Seufferlein von der Klinik für Innere Medizin am Universitätsklinikum Ulm gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Die chronische Pankreatitis, für die vor allem übermäßiger Alkohol- und Nikotinkonsum verantwortlich gemacht werden, wird auf Dauer zu einer fortschreitenden und irreversiblen Zerstörung der Struktur und Funktion der Bauchspeicheldrüse sowie allmählich auch zur Ausbildung der Zuckerkrankheit führen. Zudem haben Betroffene ein erhöhtes Risiko für Pankreaskrebs. Die Chancen auf Heilung sind relativ schlecht, häufig müssen sich die Ärzte auf eine Schmerzlinderung beschränken. Für eine eigentlich gutartige Erkrankung ist die Todesrate sehr hoch.
Krebs schwer behandelbar
An Bauchspeicheldrüsenkrebs erkranken in Deutschland jährlich rund 17.000 Menschen, und ebenso viele sterben pro Jahr an dieser tückischen Krankheit. Damit rangiert diese Krebsart zwar aktuell „nur" auf Rang neun der häufigsten Krebserkrankungen, sie weist aber mit Abstand die niedrigsten Überlebensraten aller Karzinomerkrankungen auf. Die relative Fünfjahresüberlebensrate ist sehr gering, sie liegt hierzulande bei acht Prozent. Und die Zahl der Betroffenen nimmt in sämtlichen Industriestaaten kontinuierlich zu. Experten prognostizieren, dass das Pankreaskarzinom schon in zehn Jahren die zweithäufigste Krebsart nach dem Lungenkarzinom sein könnte. Warum es überhaupt zur Ausbildung des Bauchspeicheldrüsenkrebses kommt, ist noch nahezu unbekannt. Sämtliche schon genannten Risikofaktoren wie Rauchen oder chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung könnten dabei eine Rolle spielen, auch ein hoher Konsum verarbeiteter Fleischprodukte wird zusätzlich genannt.
Das größte Problem ist, dass der Bauchspeicheldrüsenkrebs nur schwer behandelbar ist und in der Forschung im Laufe der letzten 40 Jahre kaum neue und wirksame Therapieverfahren entwickelt werden konnten. Zudem wird der Krebs in der Regel erst viel zu spät entdeckt, ist dann schon so weit fortgeschritten und hat auch schon gestreut, so dass medizinische Rettungsmaßnahmen zu spät kommen. „Am Pankreaskarzinom sterben immer noch mehr als 90 Prozent der Patienten in Deutschland", so Dr. Alexander Stein vom Krebszentrum des Hamburger Universitätsklinikums Eppendorf im „Spiegel". Es gibt bislang keine verlässlichen Früherkennungsmethoden. Starke Schmerzen, deutlicher Gewichtsverlust oder Gelbsucht treten erst auf, wenn die Erkrankung schon ausgebrochen ist. Die mittlere Lebenserwartung wird auf zwei bis drei Jahre geschätzt.