Die Internationale Meeresbodenbehörde ISA hat diversen Ländern Lizenzen zur Erforschung der Tiefsee vergeben. Und das, ohne zu wissen, welche Folgen die regellose Erforschung jener Gebiete hat. Greenpeace protestiert vehement gegen diesen Eingriff in die Natur.
Kürzlich bin ich gemeinsam mit Greenpeace-Aktivistinnen und Aktivisten nach Berlin gefahren, um dort zu protestieren. Unsere Botschaft an Politik und Wirtschaft war eine einfache: Kein Tiefseebergbau, hören Sie auf die Wissenschaftler!
Wir sind der Meinung, dass die Bundesregierung für den Schutz der Ozeane eintreten sollte, anstatt dieses zerstörerische Geschäft zu unterstützen. Und wir sind nicht die einzigen, die so denken.
Im vergangenen August hat Greenpeace eine Meinungsumfrage in Auftrag gegeben, um zu erfahren, was die deutsche Bevölkerung vom Tiefseebergbau hält. 80 Prozent der befragten Menschen lehnen es danach ab, den Meeresboden für wertvolle Metalle und seltene Erden umzupflügen. Sie gaben an, stattdessen lieber ihre Mobiltelefone länger nutzen zu wollen, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten. Diese breite Meinung verblüfft angesichts der bereits seitens der Regierung getätigten Anstrengungen und eingesetzten Ressourcen, um genau das – nämlich die komplette Zerstörung breiter Tiefseeregionen – überhaupt erst zu ermöglichen. Was wir wollen, ist klar: kein Tiefseebergbau!
Der Abbau von Manganknollen aus den Tiefen der Ozeane würde begehrte Metalle wie Kobalt, Kupfer und Nickel ans Tageslicht bringen, die für die Herstellung elektronischer Geräte wie Smartphones und Computer verwendet werden. Die möglichen Konsequenzen für die Umwelt wären möglicherweise katastrophal, zumindest jedoch enorm und lang anhaltend. Kurz gesagt, die panzergroßen Bagger würden die gesamte mit Meereslebewesen bevölkerte Schicht des Bodens abtragen. Die dadurch freigesetzten riesigen Sedimentwolken könnten die Nahrungskette im Meer empfindlich stören, zum Absterben von Plankton und Kleintieren führen und Fischen ihre Nahrungsgrundlage rauben. Das gesamte Ökosystem wäre gefährdet.
„Ohne Ozeane können wir nicht überleben"
Darüber hinaus könnten weitere Folgen wie Lärm, Vibrationen und künstliches Licht weitreichende Konsequenzen auch für jene Meeresbewohner haben, die kilometerweit von der Quelle entfernt leben. Wir dürfen uns die Ozeane nicht als eine eindimensionale Umgebung vorstellen, sondern als einen Gesamtkosmos, in dem Millionen Lebewesen auf unterschiedlichen Ebenen, miteinander verwoben leben und direkt oder indirekt von diesen massiven Eingriffen in die fragile Unterwasserwelt betroffen wären.
Wir wissen mehr über die Oberfläche des Mondes als über die Tiefen unserer Ozeane. Die tatsächlichen Auswirkungen des Tiefseebergbaues sind schwer vorherzusagen. Sie hängen von vielen Faktoren ab. Doch wir können es nicht riskieren, dass eine weitere Industrie die Meere auf derart unverantwortliche Weise wirtschaftlich ausbeutet. Deshalb fordern Wissenschaftler und Umweltschützer die Anwendung des Vorsorgeprinzips und einen massiven Forschungseinsatz, bevor zum ersten Mal ein Projekt des Tiefseebergbaus startet. Und deshalb laden Greenpeace und ich Sie ein, sich ihnen und uns anzuschließen.
Trotz all dieser Risiken und Unsicherheiten hat ISA, die Internationale Meeresbodenbehörde, bereits 29 Lizenzen zur Erforschung der Tiefsee an Länder wie Großbritannien, China, Frankreich, Belgien, Indien, Russland und Deutschland erteilt. Und zwar bereits bevor überhaupt Regeln für den Abbau in einem sogenannten Mining Code beschlossen werden.
Deutschland erwarb Lizenzen für zwei Gebiete, eines im Pazifik und eines im Indischen Ozean. Aus diesem Grund sind wir nach Berlin gefahren. Um der deutschen Politik und Wirtschaft die Botschaft der Bevölkerung und der Wissenschaft zu vermitteln: Kein Tiefseebergbau, sondern die bestehenden Fakten und die Erkenntnisse der Wissenschaftler erwägen und berücksichtigen. Denn die wichtige Wahrheit lautet: Ohne unsere Ozeane können wir nicht überleben.